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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Später am Abend begannen drei Männer zu singen, indem sie dicht an den
Thüreingang des Flötenhauses herantraten, und zwar so, dass sie uns Uebrigen
den Rücken zukehrten: zwei schüttelten die Kürbisrassel, die sich nur im Material
von unserem ersten Wiegenspielzeug unterscheidet, und der Dritte stampfte in
taktfester Beharrlichkeit mit dem rechten Fuss auf. Die Drei sangen: ihai, ihaii
hukho
, ihai ohuhokho . . . . Vielleicht steckt in dem ewigen hukhu, hukho nichts anders
als das Wort für "Fuss", das, altkaraibisch pupu, sich in khukhu, hukhu lautgesetzlich
verändert. Es war ein ernstes, fast traurig klingendes, aber sehr kräftiges
"Makanari", wie die Bakairi ihre Festgesänge nennen. Ehrenreich war mit der
sich unverändert gleichbleibenden Monotonie des Singens, Rasselns und Stampfens
sehr unzufrieden, ich kann für mein Teil aber nur sagen, dass gerade das Einerlei
Eindruck auf mich machte und mich auf eine Art berauschte und gefangennahm.
Andere stellten sich hinter die Drei, sangen und stampften mit, mehr und mehr
schlossen sich an, und endlich liefen die der Thüre nächsten hinaus, einer nach
dem andern bückte sich und folgte, der ganze Zug trabte in einer langen Kette
hinüber zum Häuptlingshause mit ununterbrochenem ohuhokho, zurück zum Flöten-
haus, hin und her über den Platz; wir Gäste verfehlten nicht, auch wenigstens
einige Touren des musikalischen Dauerlaufs mitzumachen, die guten Bakairi aber
rannten, sangen, stampften -- die ganze Nacht. Es scheint also eine sehr alte
Sitte zu sein, bis an den hellen Morgen zu tanzen. Nur dass die Männer die
Arbeit allein besorgten. Es schlief sich vorzüglich dabei ein; wie das bekannte und
oft bewährte Mittel zum Einschlafen, dass man sich eine endlose Hammelherde
vorstellt, die über einen Zaun setzt, und die einzelnen springenden Tiere zählt,
hypnotisirte ihr unentwegtes ohohukho mit tödlicher Sicherheit.

Bei unserm zweiten Besuch sahen wir Nichts dergleichen.

Eine kleine Schussvorstellung erweckte mehr Furcht als Erstaunen; die
Frauen liefen hinter die Häuser; ein langer Jüngling flüchtete sich in die Hänge-
matte und hielt sich die Ohren zu. Nach dem dritten Schuss bat der Häuptling
"ale", "es ist genug". Hinterher hatten sie wieder Verlangen danach und stellten
Aufgaben, hoch in der Luft kreisende Vögel zu treffen, die nur die Cooperschen
Jäger hätten erfüllen können. Man muss sich jedenfalls hüten, einen Schuss zu
thun, dessen man nicht sicher ist.

Der photographische Apparat wurde dem Häuptlingshause gegenüber auf-
gestellt; Aramöke folgte der Einladung, steckte den Kopf unter das schwarze
Tuch, betrachtete sich das Bild mit lebhaftem Vergnügen und schwatzte eifrig
darüber. Die Uebrigen trauten der Sache nicht.

Das Haus Aramöke's, ein prachtvolles Beispiel der primitiven Architektur,
war grösser und sorgfältiger gebaut als das Paleko's in Maigeri. Viele Vorrats-
körbe waren zwischen den Mittelpfosten aufgestapelt und von der Wölbung
hingen zahlreiche Maisvögel und Kolben herab. Unser Interesse aber nahm in
erster Linie ein Fries von rohen Zeichnungen in Anspruch, der in etwa 2 m
Höhe über den Thüren weg ringsum lief in einer Gesamtlänge von etwa 56 m.

Später am Abend begannen drei Männer zu singen, indem sie dicht an den
Thüreingang des Flötenhauses herantraten, und zwar so, dass sie uns Uebrigen
den Rücken zukehrten: zwei schüttelten die Kürbisrassel, die sich nur im Material
von unserem ersten Wiegenspielzeug unterscheidet, und der Dritte stampfte in
taktfester Beharrlichkeit mit dem rechten Fuss auf. Die Drei sangen: íhaí, iháií
huχó
, ihaí ohuhoχó . . . . Vielleicht steckt in dem ewigen huχu, huχo nichts anders
als das Wort für »Fuss«, das, altkaraibisch pupu, sich in χuχu, huχu lautgesetzlich
verändert. Es war ein ernstes, fast traurig klingendes, aber sehr kräftiges
»Makanari«, wie die Bakaïrí ihre Festgesänge nennen. Ehrenreich war mit der
sich unverändert gleichbleibenden Monotonie des Singens, Rasselns und Stampfens
sehr unzufrieden, ich kann für mein Teil aber nur sagen, dass gerade das Einerlei
Eindruck auf mich machte und mich auf eine Art berauschte und gefangennahm.
Andere stellten sich hinter die Drei, sangen und stampften mit, mehr und mehr
schlossen sich an, und endlich liefen die der Thüre nächsten hinaus, einer nach
dem andern bückte sich und folgte, der ganze Zug trabte in einer langen Kette
hinüber zum Häuptlingshause mit ununterbrochenem ohúhoχó, zurück zum Flöten-
haus, hin und her über den Platz; wir Gäste verfehlten nicht, auch wenigstens
einige Touren des musikalischen Dauerlaufs mitzumachen, die guten Bakaïrí aber
rannten, sangen, stampften — die ganze Nacht. Es scheint also eine sehr alte
Sitte zu sein, bis an den hellen Morgen zu tanzen. Nur dass die Männer die
Arbeit allein besorgten. Es schlief sich vorzüglich dabei ein; wie das bekannte und
oft bewährte Mittel zum Einschlafen, dass man sich eine endlose Hammelherde
vorstellt, die über einen Zaun setzt, und die einzelnen springenden Tiere zählt,
hypnotisirte ihr unentwegtes ohóhuχó mit tödlicher Sicherheit.

Bei unserm zweiten Besuch sahen wir Nichts dergleichen.

Eine kleine Schussvorstellung erweckte mehr Furcht als Erstaunen; die
Frauen liefen hinter die Häuser; ein langer Jüngling flüchtete sich in die Hänge-
matte und hielt sich die Ohren zu. Nach dem dritten Schuss bat der Häuptling
»åle«, »es ist genug«. Hinterher hatten sie wieder Verlangen danach und stellten
Aufgaben, hoch in der Luft kreisende Vögel zu treffen, die nur die Cooperschen
Jäger hätten erfüllen können. Man muss sich jedenfalls hüten, einen Schuss zu
thun, dessen man nicht sicher ist.

Der photographische Apparat wurde dem Häuptlingshause gegenüber auf-
gestellt; Aramöke folgte der Einladung, steckte den Kopf unter das schwarze
Tuch, betrachtete sich das Bild mit lebhaftem Vergnügen und schwatzte eifrig
darüber. Die Uebrigen trauten der Sache nicht.

Das Haus Aramöke’s, ein prachtvolles Beispiel der primitiven Architektur,
war grösser und sorgfältiger gebaut als das Paleko’s in Maigéri. Viele Vorrats-
körbe waren zwischen den Mittelpfosten aufgestapelt und von der Wölbung
hingen zahlreiche Maisvögel und Kolben herab. Unser Interesse aber nahm in
erster Linie ein Fries von rohen Zeichnungen in Anspruch, der in etwa 2 m
Höhe über den Thüren weg ringsum lief in einer Gesamtlänge von etwa 56 m.

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[90/0120] Später am Abend begannen drei Männer zu singen, indem sie dicht an den Thüreingang des Flötenhauses herantraten, und zwar so, dass sie uns Uebrigen den Rücken zukehrten: zwei schüttelten die Kürbisrassel, die sich nur im Material von unserem ersten Wiegenspielzeug unterscheidet, und der Dritte stampfte in taktfester Beharrlichkeit mit dem rechten Fuss auf. Die Drei sangen: íhaí, iháií huχó, ihaí ohuhoχó . . . . Vielleicht steckt in dem ewigen huχu, huχo nichts anders als das Wort für »Fuss«, das, altkaraibisch pupu, sich in χuχu, huχu lautgesetzlich verändert. Es war ein ernstes, fast traurig klingendes, aber sehr kräftiges »Makanari«, wie die Bakaïrí ihre Festgesänge nennen. Ehrenreich war mit der sich unverändert gleichbleibenden Monotonie des Singens, Rasselns und Stampfens sehr unzufrieden, ich kann für mein Teil aber nur sagen, dass gerade das Einerlei Eindruck auf mich machte und mich auf eine Art berauschte und gefangennahm. Andere stellten sich hinter die Drei, sangen und stampften mit, mehr und mehr schlossen sich an, und endlich liefen die der Thüre nächsten hinaus, einer nach dem andern bückte sich und folgte, der ganze Zug trabte in einer langen Kette hinüber zum Häuptlingshause mit ununterbrochenem ohúhoχó, zurück zum Flöten- haus, hin und her über den Platz; wir Gäste verfehlten nicht, auch wenigstens einige Touren des musikalischen Dauerlaufs mitzumachen, die guten Bakaïrí aber rannten, sangen, stampften — die ganze Nacht. Es scheint also eine sehr alte Sitte zu sein, bis an den hellen Morgen zu tanzen. Nur dass die Männer die Arbeit allein besorgten. Es schlief sich vorzüglich dabei ein; wie das bekannte und oft bewährte Mittel zum Einschlafen, dass man sich eine endlose Hammelherde vorstellt, die über einen Zaun setzt, und die einzelnen springenden Tiere zählt, hypnotisirte ihr unentwegtes ohóhuχó mit tödlicher Sicherheit. Bei unserm zweiten Besuch sahen wir Nichts dergleichen. Eine kleine Schussvorstellung erweckte mehr Furcht als Erstaunen; die Frauen liefen hinter die Häuser; ein langer Jüngling flüchtete sich in die Hänge- matte und hielt sich die Ohren zu. Nach dem dritten Schuss bat der Häuptling »åle«, »es ist genug«. Hinterher hatten sie wieder Verlangen danach und stellten Aufgaben, hoch in der Luft kreisende Vögel zu treffen, die nur die Cooperschen Jäger hätten erfüllen können. Man muss sich jedenfalls hüten, einen Schuss zu thun, dessen man nicht sicher ist. Der photographische Apparat wurde dem Häuptlingshause gegenüber auf- gestellt; Aramöke folgte der Einladung, steckte den Kopf unter das schwarze Tuch, betrachtete sich das Bild mit lebhaftem Vergnügen und schwatzte eifrig darüber. Die Uebrigen trauten der Sache nicht. Das Haus Aramöke’s, ein prachtvolles Beispiel der primitiven Architektur, war grösser und sorgfältiger gebaut als das Paleko’s in Maigéri. Viele Vorrats- körbe waren zwischen den Mittelpfosten aufgestapelt und von der Wölbung hingen zahlreiche Maisvögel und Kolben herab. Unser Interesse aber nahm in erster Linie ein Fries von rohen Zeichnungen in Anspruch, der in etwa 2 m Höhe über den Thüren weg ringsum lief in einer Gesamtlänge von etwa 56 m.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/120>, abgerufen am 09.11.2024.