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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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ihrerseits zu leisten hat; und es ist kein Zweifel, daß selbst die einzelnen
Bestimmungen dieses Verwaltungsrechts auch natürlich auf das Engste
in einander greifen.

C. Der Creditumlauf endlich oder das Creditwesen hat na-
mentlich in unsrem Jahrhundert keineswegs bloß seinen äußern Um-
fang geändert. Man kann nicht nachdrücklich genug darauf hinweisen,
daß der Credit in unsrer Zeit einen ganz andern Charakter hat, als
selbst noch vor wenig Jahrzehnten. Der Credit ist jetzt das geworden,
was er zu werden bestimmt ist, er ist aus einer rein volkswirthschaft-
lichen Erscheinung eine sociale Potenz geworden. Für den Credit reichen
daher die gewöhnlichen bürgerlich rechtlichen Begriffe nicht mehr aus;
der Credit ist bereits, und wird mehr und mehr eine der größten Auf-
gaben der Verwaltung werden. Die Entfremdung der bisherigen Ver-
waltungslehre vom Begriff und Wesen des Credits ist nicht aufrecht zu
halten; das bezeichnende Wort für seine neue Stellung ist bereits ge-
funden; es ist die Organisation des Credits. Die Organisation
des Credits bedeutet in der That den Credit als Gegenstand der innern
Verwaltung, und zwar wesentlich als eine der großen socialen Auf-
gaben der nächsten Zukunft. Nur muß man dabei natürlich die enge Auf-
fassung der Verwaltung fallen lassen, welche dieselbe als eine rein
staatliche bezeichnet. Die Organisation des Credits ist vielmehr das-
jenige Gebiet der Verwaltung, in welchem das Vereinswesen als
Organismus der letzteren wesentlich zu wirken berufen ist
.
In diesem Sinne aufgefaßt, entfaltet sich hier ein hochbedeutsamer
Theil der allgemein wirthschaftlichen Verwaltungslehre. Wir können
demselben natürlich an diesem Orte nicht vorgreifen; allein auf Grund-
lage des obigen Begriffes ist es nicht mehr schwierig, diese Organisa-
tion nunmehr in ihren Hauptformen darzulegen.

Die erste Form des Credits ist die des Einzelcredits oder rein
persönlichen Credits. Derselbe hat wieder zwei Theile. Der erste
Theil hat es mit der Creditpolizei oder dem Wucher und seinem
öffentlichen Recht zu thun; der zweite mit den schon ausgesprochenen
socialen Anstalten für den Einzelcredit in den öffentlichen Pfand- und
Leihhäusern und ihren Rechtsverhältnissen. Die zweite Form des
Credits ist die des Realcredits. Auch diese erscheint zuerst als ein
rein individuelles Verhältniß zwischen Schuldner und Gläubiger; allein
die öffentliche Natur jedes Verkehrs in Credit gibt ihm auch in diesem
Theile ein eigenthümliches öffentliches Recht, wie es seine Natur for-
dert und wie es trotzdem das Einzelne sich dasselbe nicht sichern kann.
Dieß öffentliche Recht ist das der Grund- und Hypothekenbücher,
die an sich ein selbständiges öffentliches Institut sind, und deren

ihrerſeits zu leiſten hat; und es iſt kein Zweifel, daß ſelbſt die einzelnen
Beſtimmungen dieſes Verwaltungsrechts auch natürlich auf das Engſte
in einander greifen.

C. Der Creditumlauf endlich oder das Creditweſen hat na-
mentlich in unſrem Jahrhundert keineswegs bloß ſeinen äußern Um-
fang geändert. Man kann nicht nachdrücklich genug darauf hinweiſen,
daß der Credit in unſrer Zeit einen ganz andern Charakter hat, als
ſelbſt noch vor wenig Jahrzehnten. Der Credit iſt jetzt das geworden,
was er zu werden beſtimmt iſt, er iſt aus einer rein volkswirthſchaft-
lichen Erſcheinung eine ſociale Potenz geworden. Für den Credit reichen
daher die gewöhnlichen bürgerlich rechtlichen Begriffe nicht mehr aus;
der Credit iſt bereits, und wird mehr und mehr eine der größten Auf-
gaben der Verwaltung werden. Die Entfremdung der bisherigen Ver-
waltungslehre vom Begriff und Weſen des Credits iſt nicht aufrecht zu
halten; das bezeichnende Wort für ſeine neue Stellung iſt bereits ge-
funden; es iſt die Organiſation des Credits. Die Organiſation
des Credits bedeutet in der That den Credit als Gegenſtand der innern
Verwaltung, und zwar weſentlich als eine der großen ſocialen Auf-
gaben der nächſten Zukunft. Nur muß man dabei natürlich die enge Auf-
faſſung der Verwaltung fallen laſſen, welche dieſelbe als eine rein
ſtaatliche bezeichnet. Die Organiſation des Credits iſt vielmehr das-
jenige Gebiet der Verwaltung, in welchem das Vereinsweſen als
Organismus der letzteren weſentlich zu wirken berufen iſt
.
In dieſem Sinne aufgefaßt, entfaltet ſich hier ein hochbedeutſamer
Theil der allgemein wirthſchaftlichen Verwaltungslehre. Wir können
demſelben natürlich an dieſem Orte nicht vorgreifen; allein auf Grund-
lage des obigen Begriffes iſt es nicht mehr ſchwierig, dieſe Organiſa-
tion nunmehr in ihren Hauptformen darzulegen.

Die erſte Form des Credits iſt die des Einzelcredits oder rein
perſönlichen Credits. Derſelbe hat wieder zwei Theile. Der erſte
Theil hat es mit der Creditpolizei oder dem Wucher und ſeinem
öffentlichen Recht zu thun; der zweite mit den ſchon ausgeſprochenen
ſocialen Anſtalten für den Einzelcredit in den öffentlichen Pfand- und
Leihhäuſern und ihren Rechtsverhältniſſen. Die zweite Form des
Credits iſt die des Realcredits. Auch dieſe erſcheint zuerſt als ein
rein individuelles Verhältniß zwiſchen Schuldner und Gläubiger; allein
die öffentliche Natur jedes Verkehrs in Credit gibt ihm auch in dieſem
Theile ein eigenthümliches öffentliches Recht, wie es ſeine Natur for-
dert und wie es trotzdem das Einzelne ſich daſſelbe nicht ſichern kann.
Dieß öffentliche Recht iſt das der Grund- und Hypothekenbücher,
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[53/0071] ihrerſeits zu leiſten hat; und es iſt kein Zweifel, daß ſelbſt die einzelnen Beſtimmungen dieſes Verwaltungsrechts auch natürlich auf das Engſte in einander greifen. C. Der Creditumlauf endlich oder das Creditweſen hat na- mentlich in unſrem Jahrhundert keineswegs bloß ſeinen äußern Um- fang geändert. Man kann nicht nachdrücklich genug darauf hinweiſen, daß der Credit in unſrer Zeit einen ganz andern Charakter hat, als ſelbſt noch vor wenig Jahrzehnten. Der Credit iſt jetzt das geworden, was er zu werden beſtimmt iſt, er iſt aus einer rein volkswirthſchaft- lichen Erſcheinung eine ſociale Potenz geworden. Für den Credit reichen daher die gewöhnlichen bürgerlich rechtlichen Begriffe nicht mehr aus; der Credit iſt bereits, und wird mehr und mehr eine der größten Auf- gaben der Verwaltung werden. Die Entfremdung der bisherigen Ver- waltungslehre vom Begriff und Weſen des Credits iſt nicht aufrecht zu halten; das bezeichnende Wort für ſeine neue Stellung iſt bereits ge- funden; es iſt die Organiſation des Credits. Die Organiſation des Credits bedeutet in der That den Credit als Gegenſtand der innern Verwaltung, und zwar weſentlich als eine der großen ſocialen Auf- gaben der nächſten Zukunft. Nur muß man dabei natürlich die enge Auf- faſſung der Verwaltung fallen laſſen, welche dieſelbe als eine rein ſtaatliche bezeichnet. Die Organiſation des Credits iſt vielmehr das- jenige Gebiet der Verwaltung, in welchem das Vereinsweſen als Organismus der letzteren weſentlich zu wirken berufen iſt. In dieſem Sinne aufgefaßt, entfaltet ſich hier ein hochbedeutſamer Theil der allgemein wirthſchaftlichen Verwaltungslehre. Wir können demſelben natürlich an dieſem Orte nicht vorgreifen; allein auf Grund- lage des obigen Begriffes iſt es nicht mehr ſchwierig, dieſe Organiſa- tion nunmehr in ihren Hauptformen darzulegen. Die erſte Form des Credits iſt die des Einzelcredits oder rein perſönlichen Credits. Derſelbe hat wieder zwei Theile. Der erſte Theil hat es mit der Creditpolizei oder dem Wucher und ſeinem öffentlichen Recht zu thun; der zweite mit den ſchon ausgeſprochenen ſocialen Anſtalten für den Einzelcredit in den öffentlichen Pfand- und Leihhäuſern und ihren Rechtsverhältniſſen. Die zweite Form des Credits iſt die des Realcredits. Auch dieſe erſcheint zuerſt als ein rein individuelles Verhältniß zwiſchen Schuldner und Gläubiger; allein die öffentliche Natur jedes Verkehrs in Credit gibt ihm auch in dieſem Theile ein eigenthümliches öffentliches Recht, wie es ſeine Natur for- dert und wie es trotzdem das Einzelne ſich daſſelbe nicht ſichern kann. Dieß öffentliche Recht iſt das der Grund- und Hypothekenbücher, die an ſich ein ſelbſtändiges öffentliches Inſtitut ſind, und deren

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/71>, abgerufen am 28.04.2024.