pauvres citoyens. Mit diesen Grundsätzen, getragen durch die Neuheit und den Glanz des ersten nationalökonomischen Systems, das die Geschichte unserer Wissenschaft kennt, und das in den Problemes eco- nomiques auch dialektisch entwickelt ward, beginnt für Frankreich eine neue Auffassung der Idee der Verwaltung. Der Grundgedanke dieser physiocratischen Volkswirthschaftspflege ist: der Staat soll eine Be- steuerung einrichten, welche den Landmann nicht mehr ruinirt; die Verwendung seiner Einnahmen soll nicht mehr auf den luxe de deco- ration gehen; er soll daran festhalten, daß er nicht so sehr auf die Zunahme der Bevölkerung als auf die der Einnahmen zu sehen habe; zu dem Ende soll er die volkswirthschaftliche Bewegung sowohl in Be- ziehung auf Gewerbe als auf Handel frei geben (pleine liberte de la concurrence, M. XXV.). Die Verwaltung namentlich soll in Ver- wendungen der Staatsgelder für öffentliche Zwecke nicht sparsam sein; "car de tres grandes depenses peuvent cesser d'etre excessives par l'augmentation des richesses" (M. XXVII.); ja die Verwaltung soll sogar die nationalökonomische Bildung neben der juristischen aufstellen: l'etude de la jurisprudence humaine ne suffit pas pour former les hommes d'Etat; il est necessaire que ceux qui se destinent aux emplois de l'administration soient assujettis a l'ordre naturel le plus avantageux aux hommes reunis en societe (M. II.). Das ist offenbar keine Nationalökonomie mehr; das ist schon etwas, was man in unserer Zeit ein sehr bestimmtes Programm der wirthschaftlichen Verwaltung nennen würde. Für Quesnay ist die Nationalökonomie, deren orga- nische Gesetze ihm die Ordre naturel bilden und für welche sein Tableau nur die schematische Darstellung ist, von dem Gouvernement auf das Bestimmteste geschieden; das letztere hat seine ganz feststehende Function, und die Nationalökonomie ist ihrerseits nur das Substrat dieser Thä- tigkeit der Verwaltung. So sind hier die Grundlagen des Verständ- nisses der letzteren gelegt, und wenn er nicht schon damals die selbstän- dige Volkswirthschaftspflege von der Güterlehre schied, so war wohl die Hauptursache davon, daß Frankreich eben auf seinen Universitäten die Staatswissenschaften auch in der Form des Jus naturae so gut als gar nicht lehrte, und daher aus diesen einfachen Principien kein System zu machen verstand. Man gelangte daher nicht einmal zu einer Po- lizei- oder Cameralwissenschaft, wie in Deutschland; Güterlehre und wirthschaftliche Verwaltung verschmelzen wieder in Eins und der Name der "Economistes," den die Physiokraten annahmen, bedeutete nur die große Forderung, daß die Verwaltung sich an die Principien der Nationalökonomie anschließen solle, und das Bewußtsein, daß sie un- mächtig bleiben müsse, wenn sie mit ihnen in Widerspruch trete, wie
pauvres citoyens. Mit dieſen Grundſätzen, getragen durch die Neuheit und den Glanz des erſten nationalökonomiſchen Syſtems, das die Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft kennt, und das in den Problèmes éco- nomiques auch dialektiſch entwickelt ward, beginnt für Frankreich eine neue Auffaſſung der Idee der Verwaltung. Der Grundgedanke dieſer phyſiocratiſchen Volkswirthſchaftspflege iſt: der Staat ſoll eine Be- ſteuerung einrichten, welche den Landmann nicht mehr ruinirt; die Verwendung ſeiner Einnahmen ſoll nicht mehr auf den luxe de déco- ration gehen; er ſoll daran feſthalten, daß er nicht ſo ſehr auf die Zunahme der Bevölkerung als auf die der Einnahmen zu ſehen habe; zu dem Ende ſoll er die volkswirthſchaftliche Bewegung ſowohl in Be- ziehung auf Gewerbe als auf Handel frei geben (pleine liberté de la concurrence, M. XXV.). Die Verwaltung namentlich ſoll in Ver- wendungen der Staatsgelder für öffentliche Zwecke nicht ſparſam ſein; „car de très grandes dépenses peuvent cesser d’être excessives par l’augmentation des richesses“ (M. XXVII.); ja die Verwaltung ſoll ſogar die nationalökonomiſche Bildung neben der juriſtiſchen aufſtellen: l’étude de la jurisprudence humaine ne suffit pas pour former les hommes d’État; il est nécessaire que ceux qui se destinent aux emplois de l’administration soient assujettis à l’ordre naturel le plus avantageux aux hommes réunis en société (M. II.). Das iſt offenbar keine Nationalökonomie mehr; das iſt ſchon etwas, was man in unſerer Zeit ein ſehr beſtimmtes Programm der wirthſchaftlichen Verwaltung nennen würde. Für Quesnay iſt die Nationalökonomie, deren orga- niſche Geſetze ihm die Ordre naturel bilden und für welche ſein Tableau nur die ſchematiſche Darſtellung iſt, von dem Gouvernement auf das Beſtimmteſte geſchieden; das letztere hat ſeine ganz feſtſtehende Function, und die Nationalökonomie iſt ihrerſeits nur das Subſtrat dieſer Thä- tigkeit der Verwaltung. So ſind hier die Grundlagen des Verſtänd- niſſes der letzteren gelegt, und wenn er nicht ſchon damals die ſelbſtän- dige Volkswirthſchaftspflege von der Güterlehre ſchied, ſo war wohl die Haupturſache davon, daß Frankreich eben auf ſeinen Univerſitäten die Staatswiſſenſchaften auch in der Form des Jus naturae ſo gut als gar nicht lehrte, und daher aus dieſen einfachen Principien kein Syſtem zu machen verſtand. Man gelangte daher nicht einmal zu einer Po- lizei- oder Cameralwiſſenſchaft, wie in Deutſchland; Güterlehre und wirthſchaftliche Verwaltung verſchmelzen wieder in Eins und der Name der „Économistes,“ den die Phyſiokraten annahmen, bedeutete nur die große Forderung, daß die Verwaltung ſich an die Principien der Nationalökonomie anſchließen ſolle, und das Bewußtſein, daß ſie un- mächtig bleiben müſſe, wenn ſie mit ihnen in Widerſpruch trete, wie
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nomiques auch dialektiſch entwickelt ward, beginnt für Frankreich eine
neue Auffaſſung der Idee der Verwaltung. Der Grundgedanke dieſer
phyſiocratiſchen Volkswirthſchaftspflege iſt: der Staat ſoll eine Be-
ſteuerung einrichten, welche den Landmann nicht mehr ruinirt; die
Verwendung ſeiner Einnahmen ſoll nicht mehr auf den luxe de déco-
ration gehen; er ſoll daran feſthalten, daß er nicht ſo ſehr auf die
Zunahme der Bevölkerung als auf die der Einnahmen zu ſehen habe;
zu dem Ende ſoll er die volkswirthſchaftliche Bewegung ſowohl in Be-
ziehung auf Gewerbe als auf Handel frei geben (pleine liberté de la
concurrence, M. XXV.). Die Verwaltung namentlich ſoll in Ver-
wendungen der Staatsgelder für öffentliche Zwecke nicht ſparſam ſein;
„car de très grandes dépenses peuvent cesser d’être excessives par
l’augmentation des richesses“ (M. XXVII.); ja die Verwaltung ſoll
ſogar die nationalökonomiſche Bildung neben der juriſtiſchen aufſtellen:
l’étude de la jurisprudence humaine ne suffit pas pour former les
hommes d’État; il est nécessaire que ceux qui se destinent aux
emplois de l’administration soient assujettis à l’ordre naturel le plus
avantageux aux hommes réunis en société (M. II.). Das iſt offenbar
keine Nationalökonomie mehr; das iſt ſchon etwas, was man in unſerer
Zeit ein ſehr beſtimmtes Programm der wirthſchaftlichen Verwaltung
nennen würde. Für Quesnay iſt die Nationalökonomie, deren orga-
niſche Geſetze ihm die Ordre naturel bilden und für welche ſein Tableau
nur die ſchematiſche Darſtellung iſt, von dem Gouvernement auf das
Beſtimmteſte geſchieden; das letztere hat ſeine ganz feſtſtehende Function,
und die Nationalökonomie iſt ihrerſeits nur das Subſtrat dieſer Thä-
tigkeit der Verwaltung. So ſind hier die Grundlagen des Verſtänd-
niſſes der letzteren gelegt, und wenn er nicht ſchon damals die ſelbſtän-
dige Volkswirthſchaftspflege von der Güterlehre ſchied, ſo war wohl die
Haupturſache davon, daß Frankreich eben auf ſeinen Univerſitäten die
Staatswiſſenſchaften auch in der Form des Jus naturae ſo gut als gar
nicht lehrte, und daher aus dieſen einfachen Principien kein Syſtem
zu machen verſtand. Man gelangte daher nicht einmal zu einer Po-
lizei- oder Cameralwiſſenſchaft, wie in Deutſchland; Güterlehre und
wirthſchaftliche Verwaltung verſchmelzen wieder in Eins und der Name
der „Économistes,“ den die Phyſiokraten annahmen, bedeutete nur
die große Forderung, daß die Verwaltung ſich an die Principien der
Nationalökonomie anſchließen ſolle, und das Bewußtſein, daß ſie un-
mächtig bleiben müſſe, wenn ſie mit ihnen in Widerſpruch trete, wie
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/52>, abgerufen am 23.11.2024.
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