Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.Die Enteignung. Während nun die Entlastungen, Ablösungen und Gemeinheits- Eben darum ist der Gegensatz dieser Entwährungsform mit dem Daher denn auch die Erscheinung, daß die Literatur einerseits, die Die Enteignung. Während nun die Entlaſtungen, Ablöſungen und Gemeinheits- Eben darum iſt der Gegenſatz dieſer Entwährungsform mit dem Daher denn auch die Erſcheinung, daß die Literatur einerſeits, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0310" n="292"/> <div n="5"> <head> <hi rendition="#b">Die Enteignung.</hi> </head><lb/> <p>Während nun die Entlaſtungen, Ablöſungen und Gemeinheits-<lb/> theilungen derjenige Theil des Entwährungsweſens ſind, welche auf<lb/> dem Gebiete des Beſitzes und des mit ihm verbundenen öffentlichen<lb/> Rechtszuſtandes die Unfreiheit der Geſchlechterordnung beſeitigen, er-<lb/> ſcheint die Enteignung als diejenige Form der Entwährung, welche es<lb/> mit keiner ſocialen Frage mehr zu thun hat, ſondern ſich innerhalb der<lb/> ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaftsordnung ſelbſt vollzieht. Sie iſt daher<lb/> die reine <hi rendition="#g">ſtaatsbürgerliche Entwährung</hi>, in dem Sinne, den<lb/> wir bereits oben dargelegt haben.</p><lb/> <p>Eben darum iſt der Gegenſatz dieſer Entwährungsform mit dem<lb/> Weſen des perſönlichen Eigenthums ein viel ſchärferer, als bei den<lb/> obigen Erſcheinungen. Denn während bei den letzteren die Eigenthums-<lb/> verhältniſſe nur als Conſequenz eines öffentlich rechtlichen Fortſchrittes,<lb/> als der nothwendige und unabweisbare Inhalt einer großen, das ganze<lb/> Leben der Völker unwiderſtehlich erfaſſenden Umgeſtaltung der Geſell-<lb/> ſchaftsordnung erſcheinen und ſo die Löſung des größern Widerſpruches<lb/> uns mit dem Auftreten des kleinern verſöhnt, tritt in der Enteignung<lb/> in der That ſcheinbar nur ein Intereſſe dem andern gegenüber, das<lb/> Geſammtintereſſe dem Einzelintereſſe; in dieſem Gegenſatz unterliegt das<lb/> letztere, und in dieſem Unterliegen muß es um des Intereſſes willen<lb/> dasjenige zum Opfer bringen, was an ſich für das Intereſſe unantaſt-<lb/> bar erſcheinen ſollte, das Recht des Einzeleigenthums — gerade das-<lb/> jenige Recht, deſſen Herſtellung die Grundlage der ſtaatsbürgerlichen<lb/> Geſellſchaftsordnung zu ſein beſtimmt iſt. Bei der Enteignung treten<lb/> uns daher ſcheinbar ganz andere Faktoren und Fragen entgegen als bei<lb/> der Entlaſtung; <hi rendition="#g">ſie</hi> iſt es, welche die Fundamente der ſtaatsbürgerlichen<lb/> Ordnung zu erſchüttern droht; ſie ſcheint daher auch einer ganz andern<lb/> Erklärung, eines ganz andern Princips zu bedürfen; als jene; mit ihr<lb/> ſcheint es, als ob wir auf ein ganz anderes Gebiet verſetzt würden.</p><lb/> <p>Daher denn auch die Erſcheinung, daß die Literatur einerſeits, die<lb/> Geſetzgebung andererſeits Entlaſtungen und Enteignungen ſtets als ein-<lb/> ander ganz fremde Gebiete betrachtet haben. Allerdings liegt der<lb/> gemeinſame Ausgangspunkt in der vagen Vorſtellung vom „öffentlichen<lb/> Wohle“, und allerdings umfaſſen die allgemeinen Theorien des vorigen<lb/> Jahrhunderts beide Entwährungsgebiete ihrem Keime nach. Allein ſo<lb/> wie dieſelben feſte Geſtalt gewinnen, entfremden ſie ſich ſo gründlich<lb/> von einander, daß von einer Gegenſeitigkeit gar keine Rede mehr iſt.<lb/> Die Rechtsphiloſophie, deren nächſte Aufgabe es geweſen wäre, den<lb/> höheren Standpunkt inne zu halten, kennt vielmehr lange Zeit hindurch<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0310]
Die Enteignung.
Während nun die Entlaſtungen, Ablöſungen und Gemeinheits-
theilungen derjenige Theil des Entwährungsweſens ſind, welche auf
dem Gebiete des Beſitzes und des mit ihm verbundenen öffentlichen
Rechtszuſtandes die Unfreiheit der Geſchlechterordnung beſeitigen, er-
ſcheint die Enteignung als diejenige Form der Entwährung, welche es
mit keiner ſocialen Frage mehr zu thun hat, ſondern ſich innerhalb der
ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaftsordnung ſelbſt vollzieht. Sie iſt daher
die reine ſtaatsbürgerliche Entwährung, in dem Sinne, den
wir bereits oben dargelegt haben.
Eben darum iſt der Gegenſatz dieſer Entwährungsform mit dem
Weſen des perſönlichen Eigenthums ein viel ſchärferer, als bei den
obigen Erſcheinungen. Denn während bei den letzteren die Eigenthums-
verhältniſſe nur als Conſequenz eines öffentlich rechtlichen Fortſchrittes,
als der nothwendige und unabweisbare Inhalt einer großen, das ganze
Leben der Völker unwiderſtehlich erfaſſenden Umgeſtaltung der Geſell-
ſchaftsordnung erſcheinen und ſo die Löſung des größern Widerſpruches
uns mit dem Auftreten des kleinern verſöhnt, tritt in der Enteignung
in der That ſcheinbar nur ein Intereſſe dem andern gegenüber, das
Geſammtintereſſe dem Einzelintereſſe; in dieſem Gegenſatz unterliegt das
letztere, und in dieſem Unterliegen muß es um des Intereſſes willen
dasjenige zum Opfer bringen, was an ſich für das Intereſſe unantaſt-
bar erſcheinen ſollte, das Recht des Einzeleigenthums — gerade das-
jenige Recht, deſſen Herſtellung die Grundlage der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaftsordnung zu ſein beſtimmt iſt. Bei der Enteignung treten
uns daher ſcheinbar ganz andere Faktoren und Fragen entgegen als bei
der Entlaſtung; ſie iſt es, welche die Fundamente der ſtaatsbürgerlichen
Ordnung zu erſchüttern droht; ſie ſcheint daher auch einer ganz andern
Erklärung, eines ganz andern Princips zu bedürfen; als jene; mit ihr
ſcheint es, als ob wir auf ein ganz anderes Gebiet verſetzt würden.
Daher denn auch die Erſcheinung, daß die Literatur einerſeits, die
Geſetzgebung andererſeits Entlaſtungen und Enteignungen ſtets als ein-
ander ganz fremde Gebiete betrachtet haben. Allerdings liegt der
gemeinſame Ausgangspunkt in der vagen Vorſtellung vom „öffentlichen
Wohle“, und allerdings umfaſſen die allgemeinen Theorien des vorigen
Jahrhunderts beide Entwährungsgebiete ihrem Keime nach. Allein ſo
wie dieſelben feſte Geſtalt gewinnen, entfremden ſie ſich ſo gründlich
von einander, daß von einer Gegenſeitigkeit gar keine Rede mehr iſt.
Die Rechtsphiloſophie, deren nächſte Aufgabe es geweſen wäre, den
höheren Standpunkt inne zu halten, kennt vielmehr lange Zeit hindurch
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