Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufhebung des Jagdrechts nach den Gesetzen vom 24. November 1848
und 17. August 1849 im Staatsgrundgesetz von 1852. Die Durchführung
der Entlaftung vermöge der Entschädigung geschah durch das Gesetz vom
5. November 1853. In Sachsen-Meiningen war die Entlastung
auf Grundlage des Gesetzes vom 6. Juni 1848 durch das umfassende
Gesetz vom 5. Mai 1850 durchgeführt, und die am 25. August 1849
hergestellte Landeskreditanstalt durch Zusatzgesetz vom 6. Mai 1850 für
die Ablösung bestimmt. In Sachsen-Altenburg ging die Entlastung
ungefähr in gleicher Weise vor sich; Aufhebung aller persönlichen, seit
dem Gesetz vom 1837 noch übriggebliebenen Leistungen durch Gesetz
vom 16. Februar 1849; des Jagdrechts durch Verordnung vom 24. Sep-
tember 1848 (mit nachträglicher Entschädigung, Gesetz vom 22. Februar
1854); endlich des gesammten Lehnsverbandes (Gesetz vom 1. April
1851). Doch ist die Entlastung keine gezwungene. Die Rentenbank
funktionirt seit 1837. Nur Mecklenburg steht noch da als der
einzige Staat, der vergeblich versucht hat, sich aus den Banden der
alten Unfreiheit los zu machen. Allerdings hatte das vereinbarte
Staatsgrundgesetz vom 10. Oktober 1849 das Unterthansverhältniß
aufgehoben und die Ablösbarkeit aller Grundlasten ausgesprochen (§. 45
bis 50); allein dieß Grundgesetz ward laut Rechtsspruch eines nur zu
bekannten, von Preußen und Hannover eingesetzten Schiedsgerichtes
vom 11. September 1850 aufgehoben. "Seitdem ist für persönliche
Befreiung des Bauernstandes, für Sicherstellung des bäuerlichen Grund-
besitzes und für Entlastung desselben etwas nicht geschehen."
(Judeich, S. 128.) Für die kleineren Staaten verweisen wir auf
Judeich (S. 183--223); es gelten im Wesentlichen in denselben die
allgemeinen, oben dargelegten Grundsätze.

So schließt nun der große Proceß, dessen Inhalt die Auflösung
der Geschlechterherrschaft und die Begründung der staatsbürgerlichen Ge-
sellschaft ist. Auch hier wiederholt sich das für alle Gesellschaftsordnung
geltende Gesetz, daß der endgültige Fortschritt von einem Zustande zum
andern immer erst dann als ein abgeschlossener zu betrachten ist, wenn
er in den Rechtsverhältnissen des Besitzes zur Geltung kommt. Wir
unsererseits haben diesen ganzen so unendlich wichtigen Theil der Ge-
schichte hier aufnehmen müssen, weil nur so das eigentliche Wesen der
Entwährung als einer gesellschaftlichen Aktion der Staatsidee voll-
ständig zur Erscheinung gelangt. Das Gebiet, das wir hier in seinen
Umrissen angedeutet haben, ist ein Theil der Geschichte der socialen
Bewegung in Deutschland, tief verschieden von der socialen Bewegung
Frankreichs und Englands in allem, was äußere Gestalt, gesetzliche
Form, Thätigkeit des Staats und Vertheilung der Zeitepochen betrifft,

Aufhebung des Jagdrechts nach den Geſetzen vom 24. November 1848
und 17. Auguſt 1849 im Staatsgrundgeſetz von 1852. Die Durchführung
der Entlaftung vermöge der Entſchädigung geſchah durch das Geſetz vom
5. November 1853. In Sachſen-Meiningen war die Entlaſtung
auf Grundlage des Geſetzes vom 6. Juni 1848 durch das umfaſſende
Geſetz vom 5. Mai 1850 durchgeführt, und die am 25. Auguſt 1849
hergeſtellte Landeskreditanſtalt durch Zuſatzgeſetz vom 6. Mai 1850 für
die Ablöſung beſtimmt. In Sachſen-Altenburg ging die Entlaſtung
ungefähr in gleicher Weiſe vor ſich; Aufhebung aller perſönlichen, ſeit
dem Geſetz vom 1837 noch übriggebliebenen Leiſtungen durch Geſetz
vom 16. Februar 1849; des Jagdrechts durch Verordnung vom 24. Sep-
tember 1848 (mit nachträglicher Entſchädigung, Geſetz vom 22. Februar
1854); endlich des geſammten Lehnsverbandes (Geſetz vom 1. April
1851). Doch iſt die Entlaſtung keine gezwungene. Die Rentenbank
funktionirt ſeit 1837. Nur Mecklenburg ſteht noch da als der
einzige Staat, der vergeblich verſucht hat, ſich aus den Banden der
alten Unfreiheit los zu machen. Allerdings hatte das vereinbarte
Staatsgrundgeſetz vom 10. Oktober 1849 das Unterthansverhältniß
aufgehoben und die Ablösbarkeit aller Grundlaſten ausgeſprochen (§. 45
bis 50); allein dieß Grundgeſetz ward laut Rechtsſpruch eines nur zu
bekannten, von Preußen und Hannover eingeſetzten Schiedsgerichtes
vom 11. September 1850 aufgehoben. „Seitdem iſt für perſönliche
Befreiung des Bauernſtandes, für Sicherſtellung des bäuerlichen Grund-
beſitzes und für Entlaſtung deſſelben etwas nicht geſchehen.“
(Judeich, S. 128.) Für die kleineren Staaten verweiſen wir auf
Judeich (S. 183—223); es gelten im Weſentlichen in denſelben die
allgemeinen, oben dargelegten Grundſätze.

So ſchließt nun der große Proceß, deſſen Inhalt die Auflöſung
der Geſchlechterherrſchaft und die Begründung der ſtaatsbürgerlichen Ge-
ſellſchaft iſt. Auch hier wiederholt ſich das für alle Geſellſchaftsordnung
geltende Geſetz, daß der endgültige Fortſchritt von einem Zuſtande zum
andern immer erſt dann als ein abgeſchloſſener zu betrachten iſt, wenn
er in den Rechtsverhältniſſen des Beſitzes zur Geltung kommt. Wir
unſererſeits haben dieſen ganzen ſo unendlich wichtigen Theil der Ge-
ſchichte hier aufnehmen müſſen, weil nur ſo das eigentliche Weſen der
Entwährung als einer geſellſchaftlichen Aktion der Staatsidee voll-
ſtändig zur Erſcheinung gelangt. Das Gebiet, das wir hier in ſeinen
Umriſſen angedeutet haben, iſt ein Theil der Geſchichte der ſocialen
Bewegung in Deutſchland, tief verſchieden von der ſocialen Bewegung
Frankreichs und Englands in allem, was äußere Geſtalt, geſetzliche
Form, Thätigkeit des Staats und Vertheilung der Zeitepochen betrifft,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0251" n="233"/>
Aufhebung des Jagdrechts nach den Ge&#x017F;etzen vom 24. November 1848<lb/>
und 17. Augu&#x017F;t 1849 im Staatsgrundge&#x017F;etz von 1852. Die Durchführung<lb/>
der Entlaftung vermöge der Ent&#x017F;chädigung ge&#x017F;chah durch das Ge&#x017F;etz vom<lb/>
5. November 1853. In <hi rendition="#g">Sach&#x017F;en-Meiningen</hi> war die Entla&#x017F;tung<lb/>
auf Grundlage des Ge&#x017F;etzes vom 6. Juni 1848 durch das umfa&#x017F;&#x017F;ende<lb/>
Ge&#x017F;etz vom 5. Mai 1850 durchgeführt, und die am 25. Augu&#x017F;t 1849<lb/>
herge&#x017F;tellte Landeskreditan&#x017F;talt durch Zu&#x017F;atzge&#x017F;etz vom 6. Mai 1850 für<lb/>
die Ablö&#x017F;ung be&#x017F;timmt. In <hi rendition="#g">Sach&#x017F;en-Altenburg</hi> ging die Entla&#x017F;tung<lb/>
ungefähr in gleicher Wei&#x017F;e vor &#x017F;ich; Aufhebung aller per&#x017F;önlichen, &#x017F;eit<lb/>
dem Ge&#x017F;etz vom 1837 noch übriggebliebenen Lei&#x017F;tungen durch Ge&#x017F;etz<lb/>
vom 16. Februar 1849; des Jagdrechts durch Verordnung vom 24. Sep-<lb/>
tember 1848 (mit nachträglicher Ent&#x017F;chädigung, Ge&#x017F;etz vom 22. Februar<lb/>
1854); endlich des ge&#x017F;ammten Lehnsverbandes (Ge&#x017F;etz vom 1. April<lb/>
1851). Doch i&#x017F;t die Entla&#x017F;tung <hi rendition="#g">keine</hi> gezwungene. Die Rentenbank<lb/>
funktionirt &#x017F;eit 1837. Nur <hi rendition="#g">Mecklenburg</hi> &#x017F;teht noch da als der<lb/>
einzige Staat, der vergeblich ver&#x017F;ucht hat, &#x017F;ich aus den Banden der<lb/>
alten Unfreiheit los zu machen. Allerdings hatte das vereinbarte<lb/>
Staatsgrundge&#x017F;etz vom 10. Oktober 1849 das Unterthansverhältniß<lb/>
aufgehoben und die Ablösbarkeit aller Grundla&#x017F;ten ausge&#x017F;prochen (§. 45<lb/>
bis 50); allein dieß Grundge&#x017F;etz ward laut Rechts&#x017F;pruch eines nur zu<lb/>
bekannten, von Preußen und Hannover einge&#x017F;etzten Schiedsgerichtes<lb/>
vom 11. September 1850 aufgehoben. &#x201E;<hi rendition="#g">Seitdem</hi> i&#x017F;t für per&#x017F;önliche<lb/>
Befreiung des Bauern&#x017F;tandes, für Sicher&#x017F;tellung des bäuerlichen Grund-<lb/>
be&#x017F;itzes und für Entla&#x017F;tung de&#x017F;&#x017F;elben <hi rendition="#g">etwas nicht ge&#x017F;chehen</hi>.&#x201C;<lb/>
(<hi rendition="#g">Judeich</hi>, S. 128.) Für die kleineren Staaten verwei&#x017F;en wir auf<lb/><hi rendition="#g">Judeich</hi> (S. 183&#x2014;223); es gelten im We&#x017F;entlichen in den&#x017F;elben die<lb/>
allgemeinen, oben dargelegten Grund&#x017F;ätze.</p><lb/>
                    <p>So &#x017F;chließt nun der große Proceß, de&#x017F;&#x017F;en Inhalt die Auflö&#x017F;ung<lb/>
der Ge&#x017F;chlechterherr&#x017F;chaft und die Begründung der &#x017F;taatsbürgerlichen Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft i&#x017F;t. Auch hier wiederholt &#x017F;ich das für alle Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsordnung<lb/>
geltende Ge&#x017F;etz, daß der endgültige Fort&#x017F;chritt von einem Zu&#x017F;tande zum<lb/>
andern immer er&#x017F;t dann als ein abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ener zu betrachten i&#x017F;t, wenn<lb/>
er in den Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;en des Be&#x017F;itzes zur Geltung kommt. Wir<lb/>
un&#x017F;erer&#x017F;eits haben die&#x017F;en ganzen &#x017F;o unendlich wichtigen Theil der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte hier aufnehmen mü&#x017F;&#x017F;en, weil nur &#x017F;o das eigentliche We&#x017F;en der<lb/>
Entwährung als einer ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Aktion der Staatsidee voll-<lb/>
&#x017F;tändig zur Er&#x017F;cheinung gelangt. Das Gebiet, das wir hier in &#x017F;einen<lb/>
Umri&#x017F;&#x017F;en angedeutet haben, i&#x017F;t ein Theil der Ge&#x017F;chichte der &#x017F;ocialen<lb/>
Bewegung in Deut&#x017F;chland, tief ver&#x017F;chieden von der &#x017F;ocialen Bewegung<lb/>
Frankreichs und Englands in allem, was äußere Ge&#x017F;talt, ge&#x017F;etzliche<lb/>
Form, Thätigkeit des Staats und Vertheilung der Zeitepochen betrifft,<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0251] Aufhebung des Jagdrechts nach den Geſetzen vom 24. November 1848 und 17. Auguſt 1849 im Staatsgrundgeſetz von 1852. Die Durchführung der Entlaftung vermöge der Entſchädigung geſchah durch das Geſetz vom 5. November 1853. In Sachſen-Meiningen war die Entlaſtung auf Grundlage des Geſetzes vom 6. Juni 1848 durch das umfaſſende Geſetz vom 5. Mai 1850 durchgeführt, und die am 25. Auguſt 1849 hergeſtellte Landeskreditanſtalt durch Zuſatzgeſetz vom 6. Mai 1850 für die Ablöſung beſtimmt. In Sachſen-Altenburg ging die Entlaſtung ungefähr in gleicher Weiſe vor ſich; Aufhebung aller perſönlichen, ſeit dem Geſetz vom 1837 noch übriggebliebenen Leiſtungen durch Geſetz vom 16. Februar 1849; des Jagdrechts durch Verordnung vom 24. Sep- tember 1848 (mit nachträglicher Entſchädigung, Geſetz vom 22. Februar 1854); endlich des geſammten Lehnsverbandes (Geſetz vom 1. April 1851). Doch iſt die Entlaſtung keine gezwungene. Die Rentenbank funktionirt ſeit 1837. Nur Mecklenburg ſteht noch da als der einzige Staat, der vergeblich verſucht hat, ſich aus den Banden der alten Unfreiheit los zu machen. Allerdings hatte das vereinbarte Staatsgrundgeſetz vom 10. Oktober 1849 das Unterthansverhältniß aufgehoben und die Ablösbarkeit aller Grundlaſten ausgeſprochen (§. 45 bis 50); allein dieß Grundgeſetz ward laut Rechtsſpruch eines nur zu bekannten, von Preußen und Hannover eingeſetzten Schiedsgerichtes vom 11. September 1850 aufgehoben. „Seitdem iſt für perſönliche Befreiung des Bauernſtandes, für Sicherſtellung des bäuerlichen Grund- beſitzes und für Entlaſtung deſſelben etwas nicht geſchehen.“ (Judeich, S. 128.) Für die kleineren Staaten verweiſen wir auf Judeich (S. 183—223); es gelten im Weſentlichen in denſelben die allgemeinen, oben dargelegten Grundſätze. So ſchließt nun der große Proceß, deſſen Inhalt die Auflöſung der Geſchlechterherrſchaft und die Begründung der ſtaatsbürgerlichen Ge- ſellſchaft iſt. Auch hier wiederholt ſich das für alle Geſellſchaftsordnung geltende Geſetz, daß der endgültige Fortſchritt von einem Zuſtande zum andern immer erſt dann als ein abgeſchloſſener zu betrachten iſt, wenn er in den Rechtsverhältniſſen des Beſitzes zur Geltung kommt. Wir unſererſeits haben dieſen ganzen ſo unendlich wichtigen Theil der Ge- ſchichte hier aufnehmen müſſen, weil nur ſo das eigentliche Weſen der Entwährung als einer geſellſchaftlichen Aktion der Staatsidee voll- ſtändig zur Erſcheinung gelangt. Das Gebiet, das wir hier in ſeinen Umriſſen angedeutet haben, iſt ein Theil der Geſchichte der ſocialen Bewegung in Deutſchland, tief verſchieden von der ſocialen Bewegung Frankreichs und Englands in allem, was äußere Geſtalt, geſetzliche Form, Thätigkeit des Staats und Vertheilung der Zeitepochen betrifft,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/251
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/251>, abgerufen am 09.11.2024.