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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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als eine innere und äußere Einheit, die durch jene Verschiedenheit seiner
Theile nicht geändert, sondern nur erfüllt und reicher gemacht wird.

Während nämlich Englands Grundentlastung eigentlich gleichzeitig
mit der Grundherrlichkeit der Eroberer beginnt, und ohne Hülfe der
Staatsgewalt bis zur neuesten Zeit beständig fortschreitet, und Frank-
reichs Entlastung durch eine plötzliche gewaltsame Umwälzung mit einem
Schlage hergestellt wird, ist Deutschlands Entlastung eine, im Grunde
erst mit dem 17. Jahrhundert entstehende Arbeit, in welche sich in
merkwürdiger Weise die Wissenschaft und die Verwaltung theilen, und
die daher wie kein anderes Land mit klarem, ja mit systematischem
Bewußtsein aller Betheiligten vorgenommen wird. Und wenn man
daher das ganze Entlastungswesen als eines der wesentlichsten Gebiete
der Geschichte der Gesellschaft, als den organischen Proceß des Ueber-
ganges von der unfreien Geschlechterordnung zum Staatsbürgerthum
innerhalb der Elemente des Grundbesitzes anerkennt, so ist die deutsche
Grundentlastung eine der merkwürdigsten Erscheinungen in diesem Theile
der Geschichte der europäischen Gesellschaft, und namentlich diejenigen,
ohne welche man sie nie ganz versteht, das ist das Verhältniß des
Königthums zur Entwicklung des Staatsbürgerthums. Von
diesem Standpunkte aus werden wir das Grundentlastungswesen Deutsch-
lands als ein Ganzes darlegen, und damit die Entwicklung und Be-
deutung der Entlastung in jedem einzelnen Lande speciellen Arbeiten
überlassen können, nur so weit dieselben herbeiziehend, als es noth-
wendig ist, um für das Ganze durch das Einzelne seinen Beweis zu liefern.

Die Grundlage dieser Arbeit muß nun der Zustand des bäuerlichen
Besitzes, das ist der unfrei gewordenen Geschlechterordnung sein, wie
derselbe im 17. Jahrhundert aus all den Elementen hervorgeht, welche
seit der Völkerwanderung auf dieselbe eingewirkt haben.

Auch hier finden wir nun große, in ganz Deutschland herrschende
Grundverhältnisse, über die man mit sich einig sein muß, will man anders
das Wesentliche, um dessentwillen am Ende doch die Geschichte allein
bearbeitet wird, den großen Proceß des Fortschrittes zur freieren Ge-
staltung der Gesellschaft, klar erkennen. Wir wissen nun recht wohl,
daß dieß gerade durch dasjenige höchst schwierig geworden ist, was das-
selbe eigentlich hätte am meisten fördern sollen. Das ist die äußerst
genaue, ja bewunderungswürdige Detailkenntniß aller einzelnen Zu-
stände jener Unfreiheit, die wir der ohne Rivalen dastehenden deutschen
Gelehrsamkeit verdanken. Man kann dieselbe nicht hoch genug schätzen;
aber man darf sich nicht darüber täuschen, daß in ihr das Ganze in
dem Einzelnen verloren gegangen ist. Sie hat jenen Gesammtzustand in
eine solche Menge einzelner Namen, Bezeichnungen, Rechtsverhältnisse

als eine innere und äußere Einheit, die durch jene Verſchiedenheit ſeiner
Theile nicht geändert, ſondern nur erfüllt und reicher gemacht wird.

Während nämlich Englands Grundentlaſtung eigentlich gleichzeitig
mit der Grundherrlichkeit der Eroberer beginnt, und ohne Hülfe der
Staatsgewalt bis zur neueſten Zeit beſtändig fortſchreitet, und Frank-
reichs Entlaſtung durch eine plötzliche gewaltſame Umwälzung mit einem
Schlage hergeſtellt wird, iſt Deutſchlands Entlaſtung eine, im Grunde
erſt mit dem 17. Jahrhundert entſtehende Arbeit, in welche ſich in
merkwürdiger Weiſe die Wiſſenſchaft und die Verwaltung theilen, und
die daher wie kein anderes Land mit klarem, ja mit ſyſtematiſchem
Bewußtſein aller Betheiligten vorgenommen wird. Und wenn man
daher das ganze Entlaſtungsweſen als eines der weſentlichſten Gebiete
der Geſchichte der Geſellſchaft, als den organiſchen Proceß des Ueber-
ganges von der unfreien Geſchlechterordnung zum Staatsbürgerthum
innerhalb der Elemente des Grundbeſitzes anerkennt, ſo iſt die deutſche
Grundentlaſtung eine der merkwürdigſten Erſcheinungen in dieſem Theile
der Geſchichte der europäiſchen Geſellſchaft, und namentlich diejenigen,
ohne welche man ſie nie ganz verſteht, das iſt das Verhältniß des
Königthums zur Entwicklung des Staatsbürgerthums. Von
dieſem Standpunkte aus werden wir das Grundentlaſtungsweſen Deutſch-
lands als ein Ganzes darlegen, und damit die Entwicklung und Be-
deutung der Entlaſtung in jedem einzelnen Lande ſpeciellen Arbeiten
überlaſſen können, nur ſo weit dieſelben herbeiziehend, als es noth-
wendig iſt, um für das Ganze durch das Einzelne ſeinen Beweis zu liefern.

Die Grundlage dieſer Arbeit muß nun der Zuſtand des bäuerlichen
Beſitzes, das iſt der unfrei gewordenen Geſchlechterordnung ſein, wie
derſelbe im 17. Jahrhundert aus all den Elementen hervorgeht, welche
ſeit der Völkerwanderung auf dieſelbe eingewirkt haben.

Auch hier finden wir nun große, in ganz Deutſchland herrſchende
Grundverhältniſſe, über die man mit ſich einig ſein muß, will man anders
das Weſentliche, um deſſentwillen am Ende doch die Geſchichte allein
bearbeitet wird, den großen Proceß des Fortſchrittes zur freieren Ge-
ſtaltung der Geſellſchaft, klar erkennen. Wir wiſſen nun recht wohl,
daß dieß gerade durch dasjenige höchſt ſchwierig geworden iſt, was das-
ſelbe eigentlich hätte am meiſten fördern ſollen. Das iſt die äußerſt
genaue, ja bewunderungswürdige Detailkenntniß aller einzelnen Zu-
ſtände jener Unfreiheit, die wir der ohne Rivalen daſtehenden deutſchen
Gelehrſamkeit verdanken. Man kann dieſelbe nicht hoch genug ſchätzen;
aber man darf ſich nicht darüber täuſchen, daß in ihr das Ganze in
dem Einzelnen verloren gegangen iſt. Sie hat jenen Geſammtzuſtand in
eine ſolche Menge einzelner Namen, Bezeichnungen, Rechtsverhältniſſe

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[151/0169] als eine innere und äußere Einheit, die durch jene Verſchiedenheit ſeiner Theile nicht geändert, ſondern nur erfüllt und reicher gemacht wird. Während nämlich Englands Grundentlaſtung eigentlich gleichzeitig mit der Grundherrlichkeit der Eroberer beginnt, und ohne Hülfe der Staatsgewalt bis zur neueſten Zeit beſtändig fortſchreitet, und Frank- reichs Entlaſtung durch eine plötzliche gewaltſame Umwälzung mit einem Schlage hergeſtellt wird, iſt Deutſchlands Entlaſtung eine, im Grunde erſt mit dem 17. Jahrhundert entſtehende Arbeit, in welche ſich in merkwürdiger Weiſe die Wiſſenſchaft und die Verwaltung theilen, und die daher wie kein anderes Land mit klarem, ja mit ſyſtematiſchem Bewußtſein aller Betheiligten vorgenommen wird. Und wenn man daher das ganze Entlaſtungsweſen als eines der weſentlichſten Gebiete der Geſchichte der Geſellſchaft, als den organiſchen Proceß des Ueber- ganges von der unfreien Geſchlechterordnung zum Staatsbürgerthum innerhalb der Elemente des Grundbeſitzes anerkennt, ſo iſt die deutſche Grundentlaſtung eine der merkwürdigſten Erſcheinungen in dieſem Theile der Geſchichte der europäiſchen Geſellſchaft, und namentlich diejenigen, ohne welche man ſie nie ganz verſteht, das iſt das Verhältniß des Königthums zur Entwicklung des Staatsbürgerthums. Von dieſem Standpunkte aus werden wir das Grundentlaſtungsweſen Deutſch- lands als ein Ganzes darlegen, und damit die Entwicklung und Be- deutung der Entlaſtung in jedem einzelnen Lande ſpeciellen Arbeiten überlaſſen können, nur ſo weit dieſelben herbeiziehend, als es noth- wendig iſt, um für das Ganze durch das Einzelne ſeinen Beweis zu liefern. Die Grundlage dieſer Arbeit muß nun der Zuſtand des bäuerlichen Beſitzes, das iſt der unfrei gewordenen Geſchlechterordnung ſein, wie derſelbe im 17. Jahrhundert aus all den Elementen hervorgeht, welche ſeit der Völkerwanderung auf dieſelbe eingewirkt haben. Auch hier finden wir nun große, in ganz Deutſchland herrſchende Grundverhältniſſe, über die man mit ſich einig ſein muß, will man anders das Weſentliche, um deſſentwillen am Ende doch die Geſchichte allein bearbeitet wird, den großen Proceß des Fortſchrittes zur freieren Ge- ſtaltung der Geſellſchaft, klar erkennen. Wir wiſſen nun recht wohl, daß dieß gerade durch dasjenige höchſt ſchwierig geworden iſt, was das- ſelbe eigentlich hätte am meiſten fördern ſollen. Das iſt die äußerſt genaue, ja bewunderungswürdige Detailkenntniß aller einzelnen Zu- ſtände jener Unfreiheit, die wir der ohne Rivalen daſtehenden deutſchen Gelehrſamkeit verdanken. Man kann dieſelbe nicht hoch genug ſchätzen; aber man darf ſich nicht darüber täuſchen, daß in ihr das Ganze in dem Einzelnen verloren gegangen iſt. Sie hat jenen Geſammtzuſtand in eine ſolche Menge einzelner Namen, Bezeichnungen, Rechtsverhältniſſe

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/169>, abgerufen am 21.11.2024.