Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.in unsrer Zeit mit Recht ein vollständiges zu sein, wenn es nicht die Daß sie es war, ist bekannt. Und das nun ist es auch, was zu- Wenn wir daher von dem Grundentlastungswesen in der europäi- Man muß nämlich in der Entlastungsgeschichte der Revolution Das erste ist der große Akt des 4. August 1789, dieser "Bartho- in unſrer Zeit mit Recht ein vollſtändiges zu ſein, wenn es nicht die Daß ſie es war, iſt bekannt. Und das nun iſt es auch, was zu- Wenn wir daher von dem Grundentlaſtungsweſen in der europäi- Man muß nämlich in der Entlaſtungsgeſchichte der Revolution Das erſte iſt der große Akt des 4. Auguſt 1789, dieſer „Bartho- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0165" n="147"/> in unſrer Zeit mit Recht ein vollſtändiges zu ſein, wenn es nicht die<lb/> Bewegung der geſellſchaftlichen Gegenſätze verſteht. Es iſt daher hier<lb/> nicht nöthig, weiter darauf einzugehen; auch hat namentlich <hi rendition="#g">Sugen-<lb/> heim</hi> a. a. O. mit richtigem Verſtändniß viele Quellen geſammelt.<lb/> Die Revolution war das Ende dieſer Hoffnungsloſigkeit. Wir ſind<lb/> darüber einig, daß ſie, wie jede tiefgreifende Umwälzung, eine ſociale<lb/> geweſen. Klar iſt es aber, daß ſie ohne alle Bedeutung hätte bleiben<lb/> müſſen, wenn ſie nicht, und zwar vor allen Dingen, eine Umwälzung<lb/> der landwirthſchaftlichen Unfreiheit geworden wäre.</p><lb/> <p>Daß ſie es war, iſt bekannt. Und das nun iſt es auch, was zu-<lb/> gleich der franzöſiſchen Geſchichte der Entlaſtung ihren faktiſchen und<lb/> rechtlichen Charakter aufgeprägt hat, denn die <hi rendition="#g">franzöſiſche Grund-<lb/> entlaſtung iſt darnach eine revolutionäre</hi> geweſen.</p><lb/> <p>Wenn wir daher von dem Grundentlaſtungsweſen in der europäi-<lb/> ſchen Geſchichte reden, als einem langſamen organiſchen Proceß, der die<lb/> Forderungen der Freiheit der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft mit denen<lb/> des Rechts in allen Geſellſchaftsordnungen vereint, ſo iſt es klar, daß<lb/> wir von einem ſolchen Entlaſtungsweſen in Frankreich gar nicht reden<lb/> können. Die Entlaſtung iſt hier reine Gewalt; ſie hat überhaupt kein<lb/> Recht gehabt; und wir würden ſie daher einfach übergehen, wenn nicht<lb/> auch jene Entlaſtungsfrage in der franzöſiſchen Revolution Elemente<lb/> und Gedanken angeregt hätte, welche ſich die Grundentlaſtung in Deutſch-<lb/> land — ob mit oder ohne Bewußtſein, iſt ſchwer zu ſagen — angeeignet hat.</p><lb/> <p>Man muß nämlich in der Entlaſtungsgeſchichte der Revolution<lb/> zwei Stadien unterſcheiden, die freilich mehr im Princip als in der<lb/> Wirklichkeit beſtanden haben. Doch iſt es von großem Werth für das<lb/> ganze Entlaſtungsweſen, beide wohl von einander zu ſcheiden.</p><lb/> <p>Das erſte iſt der große Akt des 4. Auguſt 1789, dieſer „Bartho-<lb/> lomäus-Nacht des Eigenthums und der Mißbräuche,“ wie <hi rendition="#g">Wachsmuth</hi><lb/> (Geſchichte Frankreichs im Revolutionszeitalter <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 168) ſie nur halb<lb/> mit Recht nennt. Der 4. Auguſt war nämlich in der That nur die<lb/> unvermittelte und aus dem Gefühl hervorgehende, aber ganz den Ver-<lb/> hältniſſen entſprechende erſte <hi rendition="#g">Grundentlaſtungsgeſetzgebung</hi> Eu-<lb/> ropas. Sie hob an und für ſich gar kein Eigenthum auf, ſondern ſie<lb/> enthielt nur das, was die deutſche Grundentlaſtung ein halbes Jahr-<lb/> hundert ſpäter durch Wiſſenſchaft und Geſetzgebung vollzog, und hätte<lb/> Frankreichs Volk es verſtanden, nicht bloß frei ſondern auch gerecht zu<lb/> ſein, ſo wäre es frei geblieben. Der Beſchluß vom 4. Auguſt enthielt<lb/> nämlich nicht etwa eine revolutionäre Aufhebung aller gutsherrlichen<lb/> Rechte, ſondern ſtellte die Unterſcheidung auf, die Deutſchland ſpäter<lb/> als die allein richtige wirklich durchgeführt hat. Wir glauben den<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [147/0165]
in unſrer Zeit mit Recht ein vollſtändiges zu ſein, wenn es nicht die
Bewegung der geſellſchaftlichen Gegenſätze verſteht. Es iſt daher hier
nicht nöthig, weiter darauf einzugehen; auch hat namentlich Sugen-
heim a. a. O. mit richtigem Verſtändniß viele Quellen geſammelt.
Die Revolution war das Ende dieſer Hoffnungsloſigkeit. Wir ſind
darüber einig, daß ſie, wie jede tiefgreifende Umwälzung, eine ſociale
geweſen. Klar iſt es aber, daß ſie ohne alle Bedeutung hätte bleiben
müſſen, wenn ſie nicht, und zwar vor allen Dingen, eine Umwälzung
der landwirthſchaftlichen Unfreiheit geworden wäre.
Daß ſie es war, iſt bekannt. Und das nun iſt es auch, was zu-
gleich der franzöſiſchen Geſchichte der Entlaſtung ihren faktiſchen und
rechtlichen Charakter aufgeprägt hat, denn die franzöſiſche Grund-
entlaſtung iſt darnach eine revolutionäre geweſen.
Wenn wir daher von dem Grundentlaſtungsweſen in der europäi-
ſchen Geſchichte reden, als einem langſamen organiſchen Proceß, der die
Forderungen der Freiheit der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft mit denen
des Rechts in allen Geſellſchaftsordnungen vereint, ſo iſt es klar, daß
wir von einem ſolchen Entlaſtungsweſen in Frankreich gar nicht reden
können. Die Entlaſtung iſt hier reine Gewalt; ſie hat überhaupt kein
Recht gehabt; und wir würden ſie daher einfach übergehen, wenn nicht
auch jene Entlaſtungsfrage in der franzöſiſchen Revolution Elemente
und Gedanken angeregt hätte, welche ſich die Grundentlaſtung in Deutſch-
land — ob mit oder ohne Bewußtſein, iſt ſchwer zu ſagen — angeeignet hat.
Man muß nämlich in der Entlaſtungsgeſchichte der Revolution
zwei Stadien unterſcheiden, die freilich mehr im Princip als in der
Wirklichkeit beſtanden haben. Doch iſt es von großem Werth für das
ganze Entlaſtungsweſen, beide wohl von einander zu ſcheiden.
Das erſte iſt der große Akt des 4. Auguſt 1789, dieſer „Bartho-
lomäus-Nacht des Eigenthums und der Mißbräuche,“ wie Wachsmuth
(Geſchichte Frankreichs im Revolutionszeitalter I. S. 168) ſie nur halb
mit Recht nennt. Der 4. Auguſt war nämlich in der That nur die
unvermittelte und aus dem Gefühl hervorgehende, aber ganz den Ver-
hältniſſen entſprechende erſte Grundentlaſtungsgeſetzgebung Eu-
ropas. Sie hob an und für ſich gar kein Eigenthum auf, ſondern ſie
enthielt nur das, was die deutſche Grundentlaſtung ein halbes Jahr-
hundert ſpäter durch Wiſſenſchaft und Geſetzgebung vollzog, und hätte
Frankreichs Volk es verſtanden, nicht bloß frei ſondern auch gerecht zu
ſein, ſo wäre es frei geblieben. Der Beſchluß vom 4. Auguſt enthielt
nämlich nicht etwa eine revolutionäre Aufhebung aller gutsherrlichen
Rechte, ſondern ſtellte die Unterſcheidung auf, die Deutſchland ſpäter
als die allein richtige wirklich durchgeführt hat. Wir glauben den
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