Ausgabe von 1750), so mag es noch lange sehr traurig mit den Verhält- nissen dieser Klasse ausgesehen haben, ihm erscheint der gesammte Zu- stand aller damaligen Staaten Europas als "quaedam conspiratio divitum, de suis commodis reipublicae nomine tituloque tractan- tium" (p. 261), das große Gesetz der socialen Rechtsbildung ahnend, daß jede Gesellschaftsordnung ihre Interessen durch ihre Verwaltung und Gesetzgebung zur Geltung bringt. (Ueber den weiteren Inhalt von Thomas Morus vergl. Wiskemann, Darstellung der in Deutsch- land zur Zeit der Reformation geltenden national-ökonomischen An- sichten. Jablonowsk Preisschrift 1861.) Ueber Englands Zustände s. Wachsmuth, Europäische Sittengeschichte IV. 407. ff.
Es würde uns zu weit führen dieß weiter zu verfolgen. Die Schei- dung beider Geschlechterklassen war eine absolute, und dieselbe wie im im übrigen germanischen Europa. Das ist die Grundlage der Unfrei- heit und Geschichte der Freiheit in der Geschlechterordnung Englands.
In diesen Zustand tritt nun die normannische Eroberung hinein. Das was sie zunächst bringt, ist die neue herrschende Klasse der Sieger, die Lords. Die Normannen bilden eine große Geschlechtergruppe für sich; die alten angelsächsischen Geschlechterbauern werden durch sie aus der herrschenden zur Mittelklasse, und sofort entsteht hier derselbe Proceß, dem wir in ganz Europa begegnen: der Versuch der jetzt herrschenden Klasse, die neue Mittelklasse zu der Stellung der niederen Klasse hinab- zudrücken, und der Kampf der ersteren gegen die neuen Herren, um die bedrohte Freiheit zu retten, wenn auch die Herrschaft nicht mehr zu retten war.
Dieser Kampf ist nun hier wie in Frankreich und Deutschland so- wohl ein allgemeiner beider Klassen gegeneinander, als ein örtlicher und in den besonderen Verhältnissen einzelner Landestheile sehr verschieden geführter gewesen. Das erste erscheint in den großen Bewegungen, die sich an den sagenhaften Robin Hood anschließen, und viel ernster und nachdrücklicher in dem Bauernaufstande des Wat Tyler. Derselbe ist offenbar ein Aufstand desjenigen Theiles der alten Bauerngeschlechter, der durch die neuen Lords theils direkt um seine Unabhängigkeit ge- bracht war, theils auf unfreiem Grund sitzend mit persönlicher Freiheit sich die Herrschaft nicht gefallen lassen wollte. Der Bundschuh Wat Tylers fordert vom Könige die Aufhebung der persönlichen Hörigkeit (slavery), Freiheit des Kornhandels auf den Märkten, und eine feste Grundabgabe statt der Leistungen des villenage "requests which though extremly reasonable in themselves, the nation was not sufficiently prepared to receive" (Hume, History of England II. p. 246) und die daher auch für den Augenblick zugestanden, später zurückgenommen
Ausgabe von 1750), ſo mag es noch lange ſehr traurig mit den Verhält- niſſen dieſer Klaſſe ausgeſehen haben, ihm erſcheint der geſammte Zu- ſtand aller damaligen Staaten Europas als „quaedam conspiratio divitum, de suis commodis reipublicae nomine tituloque tractan- tium“ (p. 261), das große Geſetz der ſocialen Rechtsbildung ahnend, daß jede Geſellſchaftsordnung ihre Intereſſen durch ihre Verwaltung und Geſetzgebung zur Geltung bringt. (Ueber den weiteren Inhalt von Thomas Morus vergl. Wiskemann, Darſtellung der in Deutſch- land zur Zeit der Reformation geltenden national-ökonomiſchen An- ſichten. Jablonowsk Preisſchrift 1861.) Ueber Englands Zuſtände ſ. Wachsmuth, Europäiſche Sittengeſchichte IV. 407. ff.
Es würde uns zu weit führen dieß weiter zu verfolgen. Die Schei- dung beider Geſchlechterklaſſen war eine abſolute, und dieſelbe wie im im übrigen germaniſchen Europa. Das iſt die Grundlage der Unfrei- heit und Geſchichte der Freiheit in der Geſchlechterordnung Englands.
In dieſen Zuſtand tritt nun die normanniſche Eroberung hinein. Das was ſie zunächſt bringt, iſt die neue herrſchende Klaſſe der Sieger, die Lords. Die Normannen bilden eine große Geſchlechtergruppe für ſich; die alten angelſächſiſchen Geſchlechterbauern werden durch ſie aus der herrſchenden zur Mittelklaſſe, und ſofort entſteht hier derſelbe Proceß, dem wir in ganz Europa begegnen: der Verſuch der jetzt herrſchenden Klaſſe, die neue Mittelklaſſe zu der Stellung der niederen Klaſſe hinab- zudrücken, und der Kampf der erſteren gegen die neuen Herren, um die bedrohte Freiheit zu retten, wenn auch die Herrſchaft nicht mehr zu retten war.
Dieſer Kampf iſt nun hier wie in Frankreich und Deutſchland ſo- wohl ein allgemeiner beider Klaſſen gegeneinander, als ein örtlicher und in den beſonderen Verhältniſſen einzelner Landestheile ſehr verſchieden geführter geweſen. Das erſte erſcheint in den großen Bewegungen, die ſich an den ſagenhaften Robin Hood anſchließen, und viel ernſter und nachdrücklicher in dem Bauernaufſtande des Wat Tyler. Derſelbe iſt offenbar ein Aufſtand desjenigen Theiles der alten Bauerngeſchlechter, der durch die neuen Lords theils direkt um ſeine Unabhängigkeit ge- bracht war, theils auf unfreiem Grund ſitzend mit perſönlicher Freiheit ſich die Herrſchaft nicht gefallen laſſen wollte. Der Bundſchuh Wat Tylers fordert vom Könige die Aufhebung der perſönlichen Hörigkeit (slavery), Freiheit des Kornhandels auf den Märkten, und eine feſte Grundabgabe ſtatt der Leiſtungen des villenage „requests which though extremly reasonable in themselves, the nation was not sufficiently prepared to receive“ (Hume, History of England II. p. 246) und die daher auch für den Augenblick zugeſtanden, ſpäter zurückgenommen
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Ausgabe von 1750), ſo mag es noch lange ſehr traurig mit den Verhält-
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ſtand aller damaligen Staaten Europas als „quaedam conspiratio
divitum, de suis commodis reipublicae nomine tituloque tractan-
tium“ (p. 261), das große Geſetz der ſocialen Rechtsbildung ahnend,
daß jede Geſellſchaftsordnung ihre Intereſſen durch ihre Verwaltung
und Geſetzgebung zur Geltung bringt. (Ueber den weiteren Inhalt
von Thomas Morus vergl. Wiskemann, Darſtellung der in Deutſch-
land zur Zeit der Reformation geltenden national-ökonomiſchen An-
ſichten. Jablonowsk Preisſchrift 1861.) Ueber Englands Zuſtände ſ.
Wachsmuth, Europäiſche Sittengeſchichte IV. 407. ff.
Es würde uns zu weit führen dieß weiter zu verfolgen. Die Schei-
dung beider Geſchlechterklaſſen war eine abſolute, und dieſelbe wie im
im übrigen germaniſchen Europa. Das iſt die Grundlage der Unfrei-
heit und Geſchichte der Freiheit in der Geſchlechterordnung Englands.
In dieſen Zuſtand tritt nun die normanniſche Eroberung hinein.
Das was ſie zunächſt bringt, iſt die neue herrſchende Klaſſe der Sieger,
die Lords. Die Normannen bilden eine große Geſchlechtergruppe für
ſich; die alten angelſächſiſchen Geſchlechterbauern werden durch ſie aus
der herrſchenden zur Mittelklaſſe, und ſofort entſteht hier derſelbe Proceß,
dem wir in ganz Europa begegnen: der Verſuch der jetzt herrſchenden
Klaſſe, die neue Mittelklaſſe zu der Stellung der niederen Klaſſe hinab-
zudrücken, und der Kampf der erſteren gegen die neuen Herren, um
die bedrohte Freiheit zu retten, wenn auch die Herrſchaft nicht mehr
zu retten war.
Dieſer Kampf iſt nun hier wie in Frankreich und Deutſchland ſo-
wohl ein allgemeiner beider Klaſſen gegeneinander, als ein örtlicher und
in den beſonderen Verhältniſſen einzelner Landestheile ſehr verſchieden
geführter geweſen. Das erſte erſcheint in den großen Bewegungen, die
ſich an den ſagenhaften Robin Hood anſchließen, und viel ernſter und
nachdrücklicher in dem Bauernaufſtande des Wat Tyler. Derſelbe iſt
offenbar ein Aufſtand desjenigen Theiles der alten Bauerngeſchlechter,
der durch die neuen Lords theils direkt um ſeine Unabhängigkeit ge-
bracht war, theils auf unfreiem Grund ſitzend mit perſönlicher Freiheit
ſich die Herrſchaft nicht gefallen laſſen wollte. Der Bundſchuh Wat
Tylers fordert vom Könige die Aufhebung der perſönlichen Hörigkeit
(slavery), Freiheit des Kornhandels auf den Märkten, und eine feſte
Grundabgabe ſtatt der Leiſtungen des villenage „requests which though
extremly reasonable in themselves, the nation was not sufficiently
prepared to receive“ (Hume, History of England II. p. 246) und
die daher auch für den Augenblick zugeſtanden, ſpäter zurückgenommen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/128>, abgerufen am 27.07.2024.
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