Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.Inhalt der Bildung, ist der Genuß, und wir haben in der Güterlehre Faßt man die Sache nun in dieser Weise auf, so gewinnt sie eine In der Geschlechterordnung erscheint das, was die öffentlichen Inhalt der Bildung, iſt der Genuß, und wir haben in der Güterlehre Faßt man die Sache nun in dieſer Weiſe auf, ſo gewinnt ſie eine In der Geſchlechterordnung erſcheint das, was die öffentlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0044" n="28"/> Inhalt der Bildung, iſt der Genuß, und wir haben in der Güterlehre<lb/> die Fähigkeit der geiſtigen Produkte, dieſen geiſtigen Genuß zu gewäh-<lb/> ren, als den <hi rendition="#g">freien</hi> Werth bezeichnet. Dieſer innige Zuſammenhang<lb/> des Genuſſes mit der Bildung iſt ein wechſelſeitiger; wie die Bildung<lb/> den Genuß erzeugt, ſo hat auch der Genuß die Fähigkeit, Bildung zu<lb/> erzeugen. Und hier beginnt die ernſte Seite dieſer Frage. In jenem<lb/> Verhältniß liegt nämlich die nahe Gefahr, den Genuß mit der Bildung<lb/> nicht etwa zu verbinden, ſondern ſie zu verwechſeln und, den Genuß<lb/> für Bildung haltend, bei ihm <hi rendition="#g">ſtehen zu bleiben</hi>. Eine äußere<lb/> Gränze gibt es dafür nicht; innerlich iſt ſie principiell zwar ſehr leicht<lb/> zu ziehen, denn es iſt klar, daß der Genuß dann zur Bildung wird,<lb/> wenn er entweder eine Arbeit — geiſtige oder äußerliche — erzeugt,<lb/> oder ſelbſt eine Arbeit erzeugt wird. Allein eben dieſe Arbeit kann<lb/> man nicht erzwingen. Sie muß ſelbſtthätig entſtehen; ſie muß durch<lb/> den lebendigen Volksgeiſt erſchaffen werden; ſie wird daher entweder<lb/> trotz aller Beſtrebungen der Verwaltungen nie entſtehen, oder ſie wird<lb/> ſich ungeachtet derſelben ſelbſt Bahn brechen. Daher iſt es bei dieſen<lb/> öffentlichen Bildungsanſtalten von entſcheidender Bedeutung, nicht ſo<lb/> ſehr auf ihre formelle Geſtalt, als vielmehr auf den ſie bildenden Geiſt<lb/> zu achten; und es gilt dafür der allgemeine Grundſatz, daß die öffent-<lb/> lichen Bildungsanſtalten regelmäßig als öffentliche Leiſtungen beginnen,<lb/> dann als Schauſtellungen und Sammlungen erſcheinen, und endlich<lb/> mehr und mehr bloße Genußmittel des geiſtigen Lebens werden. Die<lb/> geiſtige Lebenskraft eines Volkes zeigt ſich ſtets in dem Streben, jene<lb/> öffentlichen Arbeiten als Grundlage und Anlaß <hi rendition="#g">geiſtiger Arbeit</hi><lb/> aufzufaſſen, während das Herabgehen dieſer Lebenskraft da beginnt, wo<lb/> das Volk an die Stelle dieſer Arbeit in ihnen <hi rendition="#g">Unterhaltung und<lb/> Genuß</hi> ſucht, und dieſe von ihnen fordert. In dieſem Sinne ſind<lb/> dieſe Anſtalten ein hochwichtiges Element des Geſammtlebens, und jede<lb/> einzelne <hi rendition="#g">Art</hi> derſelben ſollte wohl von dieſem Standpunkt aus behan-<lb/> delt und in ihrer Geſchichte dargelegt werden.</p><lb/> <p>Faßt man die Sache nun in dieſer Weiſe auf, ſo gewinnt ſie eine<lb/> größere hiſtoriſche Geſtalt.</p><lb/> <p>In der Geſchlechterordnung erſcheint das, was die öffentlichen<lb/> Bildungsanſtalten der ſpäteren Zeit vertritt, als große Volksfeſte, die<lb/> aber immer ſich erſt an große öffentliche <hi rendition="#g">Wettkämpfe</hi> aller Art an-<lb/> ſchließen, oder große öffentliche Thaten und Siege feiern. So war es<lb/> bei den Griechen und ihren olympiſchen Spielen; ſo war es bei den<lb/> römiſchen Triumphzügen; ſo war es bei den alten germaniſchen<lb/> Wettſpielen und ihren Schwerttänzen und Laichen, die ſich dann in<lb/> den Turnieren der edlen Geſchlechter und den gymnaſtiſchen Volks-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0044]
Inhalt der Bildung, iſt der Genuß, und wir haben in der Güterlehre
die Fähigkeit der geiſtigen Produkte, dieſen geiſtigen Genuß zu gewäh-
ren, als den freien Werth bezeichnet. Dieſer innige Zuſammenhang
des Genuſſes mit der Bildung iſt ein wechſelſeitiger; wie die Bildung
den Genuß erzeugt, ſo hat auch der Genuß die Fähigkeit, Bildung zu
erzeugen. Und hier beginnt die ernſte Seite dieſer Frage. In jenem
Verhältniß liegt nämlich die nahe Gefahr, den Genuß mit der Bildung
nicht etwa zu verbinden, ſondern ſie zu verwechſeln und, den Genuß
für Bildung haltend, bei ihm ſtehen zu bleiben. Eine äußere
Gränze gibt es dafür nicht; innerlich iſt ſie principiell zwar ſehr leicht
zu ziehen, denn es iſt klar, daß der Genuß dann zur Bildung wird,
wenn er entweder eine Arbeit — geiſtige oder äußerliche — erzeugt,
oder ſelbſt eine Arbeit erzeugt wird. Allein eben dieſe Arbeit kann
man nicht erzwingen. Sie muß ſelbſtthätig entſtehen; ſie muß durch
den lebendigen Volksgeiſt erſchaffen werden; ſie wird daher entweder
trotz aller Beſtrebungen der Verwaltungen nie entſtehen, oder ſie wird
ſich ungeachtet derſelben ſelbſt Bahn brechen. Daher iſt es bei dieſen
öffentlichen Bildungsanſtalten von entſcheidender Bedeutung, nicht ſo
ſehr auf ihre formelle Geſtalt, als vielmehr auf den ſie bildenden Geiſt
zu achten; und es gilt dafür der allgemeine Grundſatz, daß die öffent-
lichen Bildungsanſtalten regelmäßig als öffentliche Leiſtungen beginnen,
dann als Schauſtellungen und Sammlungen erſcheinen, und endlich
mehr und mehr bloße Genußmittel des geiſtigen Lebens werden. Die
geiſtige Lebenskraft eines Volkes zeigt ſich ſtets in dem Streben, jene
öffentlichen Arbeiten als Grundlage und Anlaß geiſtiger Arbeit
aufzufaſſen, während das Herabgehen dieſer Lebenskraft da beginnt, wo
das Volk an die Stelle dieſer Arbeit in ihnen Unterhaltung und
Genuß ſucht, und dieſe von ihnen fordert. In dieſem Sinne ſind
dieſe Anſtalten ein hochwichtiges Element des Geſammtlebens, und jede
einzelne Art derſelben ſollte wohl von dieſem Standpunkt aus behan-
delt und in ihrer Geſchichte dargelegt werden.
Faßt man die Sache nun in dieſer Weiſe auf, ſo gewinnt ſie eine
größere hiſtoriſche Geſtalt.
In der Geſchlechterordnung erſcheint das, was die öffentlichen
Bildungsanſtalten der ſpäteren Zeit vertritt, als große Volksfeſte, die
aber immer ſich erſt an große öffentliche Wettkämpfe aller Art an-
ſchließen, oder große öffentliche Thaten und Siege feiern. So war es
bei den Griechen und ihren olympiſchen Spielen; ſo war es bei den
römiſchen Triumphzügen; ſo war es bei den alten germaniſchen
Wettſpielen und ihren Schwerttänzen und Laichen, die ſich dann in
den Turnieren der edlen Geſchlechter und den gymnaſtiſchen Volks-
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