Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.zweiten; man wagt es nicht, es ganz bestehen zu lassen, und wagt es zweiten; man wagt es nicht, es ganz beſtehen zu laſſen, und wagt es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0146" n="130"/> zweiten; man wagt es nicht, es ganz beſtehen zu laſſen, und wagt es<lb/> nicht, es anzugreifen. Die allgemeine Unſicherheit drückt Starkie am<lb/> beſten aus (oben), aber er bezeichnet auch den Weg, den dieß engliſche<lb/> öffentliche Recht einſchlägt, um zu einer feſten Geſtalt zu gelangen.<lb/> Man verſuchte, die <hi rendition="#g">einzelnen</hi> Ausdrücke und Fälle zu beſtimmen,<lb/> welche aus einem Druckwerke künftighin ein Libell machen ſollten, eben<lb/> wie man in Frankreich verſuchte und verſucht, einzelnen Fällen die<lb/> Competenzgränze zwiſchen Gerichts- und Adminiſtrationscompetenz zu<lb/> beſtimmen. Die Theorie ihrerſeits erkannte recht wohl, daß dieß un-<lb/> thunlich ſei. „Die Feſtſtellung und Einhaltung einer Gränzlinie iſt aber<lb/> im höchſten Grade ſchwierig und mühſam. Außer Zweifel ſteht <hi rendition="#g">nur</hi>,<lb/> daß ſie nicht durch Verbot gewiſſer <hi rendition="#g">Anſichten</hi> oder gewiſſer Ausdrücke<lb/> gewonnen werden kann“ (<hi rendition="#g">Starkie</hi> a. a. O.). Aber dieſe Bequemlich-<lb/> keit, die Aufſtellung jener Gränzlinie, die ja zugleich die der Freiheit<lb/> der Preſſe war, einfach dem Richter von Fall zu Fall zu überlaſſen<lb/> und damit die Unfähigkeit der Rechtswiſſenſchaft offen zu erklären, konnte<lb/> doch nicht genügen. Daß hier etwas Beſtimmteres geſchehen müſſe,<lb/> ſahen ſelbſt die Deutſchen, wie <hi rendition="#g">Birnbaum</hi>: <hi rendition="#aq">Notize sur le Droit<lb/> Anglais rel. aux délits de la presse,</hi> 1828 (Archiv des Criminal-<lb/> rechts <hi rendition="#aq">XIII.</hi> 528). Aber erſt im Jahre 1833 verſuchte die Regierung<lb/> den erſten Schritt und brachte nun eine Bill ein, die <hi rendition="#g">Mittermaier</hi><lb/> vortrefflich charakteriſirt hat (Archiv für Geſchichte des Auslands Bd. <hi rendition="#aq">VI,</hi><lb/> Nr. <hi rendition="#aq">V.</hi>) deren Grundgedanke es war, daß wegen <hi rendition="#g">allgemeiner</hi> An-<lb/> griffe auf die Regierung keine <hi rendition="#aq">information</hi> mehr zuläſſig ſei und daß<lb/> nur das als Libell gelten ſolle, was direkt gegen eine Perſon oder eine<lb/> Corporation gerichtet iſt, ſo daß <hi rendition="#g">dadurch</hi> das Libell ſtets den Charakter<lb/> eines <hi rendition="#aq">defamatory-libel</hi> enthält. (Warum hat der ſonſt ſo fleißige<lb/><hi rendition="#g">Lorbeer</hi>, dem freilich der alte Repreſſivcharakter des engliſchen Preß-<lb/> rechts überhaupt in ſeinem Unterſchied gegen das freie Preßrecht von<lb/> 1848 nicht klar wird, dieſen Entwurf nicht aufgenommen?) Das nun<lb/> hätte allerdings die Frage entſchieden und Englands Preßrecht frei ge-<lb/> macht. Allein dieſer Entwurf wird von der conſervativen Partei <hi rendition="#g">zehn<lb/> Jahre</hi> hindurch hingezogen und an ſeiner Stelle erſchien endlich das<lb/> eigentliche Geſetz über die Schmähſchriften, die ſog. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Campbells<lb/> Libel Bill</hi> 7. Vict. 96 (1843),</hi> welche ſich einfach auf die Definition<lb/> und die Klagbarkeit der durch die Preſſe verübten <hi rendition="#g">Injurien</hi> bezog,<lb/> jedoch noch <hi rendition="#g">ohne</hi> den großen Grundſatz der Strafbarkeit der <hi rendition="#g">Tendenz</hi> zu<lb/> erſchüttern. Für das Recht der Injurie iſt dieſe Bill (<hi rendition="#aq">An Act to amend<lb/> the Law respecting Defamatory Words and Libel</hi> ſpeciell mit Bei-<lb/> ſätzen herausgegeben von <hi rendition="#g">Parry</hi>, <hi rendition="#aq">Lord Campbells Libel Act</hi> 1844)<lb/> von entſcheidender Bedeutung. Sie muß als das Hauptgeſetz für<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0146]
zweiten; man wagt es nicht, es ganz beſtehen zu laſſen, und wagt es
nicht, es anzugreifen. Die allgemeine Unſicherheit drückt Starkie am
beſten aus (oben), aber er bezeichnet auch den Weg, den dieß engliſche
öffentliche Recht einſchlägt, um zu einer feſten Geſtalt zu gelangen.
Man verſuchte, die einzelnen Ausdrücke und Fälle zu beſtimmen,
welche aus einem Druckwerke künftighin ein Libell machen ſollten, eben
wie man in Frankreich verſuchte und verſucht, einzelnen Fällen die
Competenzgränze zwiſchen Gerichts- und Adminiſtrationscompetenz zu
beſtimmen. Die Theorie ihrerſeits erkannte recht wohl, daß dieß un-
thunlich ſei. „Die Feſtſtellung und Einhaltung einer Gränzlinie iſt aber
im höchſten Grade ſchwierig und mühſam. Außer Zweifel ſteht nur,
daß ſie nicht durch Verbot gewiſſer Anſichten oder gewiſſer Ausdrücke
gewonnen werden kann“ (Starkie a. a. O.). Aber dieſe Bequemlich-
keit, die Aufſtellung jener Gränzlinie, die ja zugleich die der Freiheit
der Preſſe war, einfach dem Richter von Fall zu Fall zu überlaſſen
und damit die Unfähigkeit der Rechtswiſſenſchaft offen zu erklären, konnte
doch nicht genügen. Daß hier etwas Beſtimmteres geſchehen müſſe,
ſahen ſelbſt die Deutſchen, wie Birnbaum: Notize sur le Droit
Anglais rel. aux délits de la presse, 1828 (Archiv des Criminal-
rechts XIII. 528). Aber erſt im Jahre 1833 verſuchte die Regierung
den erſten Schritt und brachte nun eine Bill ein, die Mittermaier
vortrefflich charakteriſirt hat (Archiv für Geſchichte des Auslands Bd. VI,
Nr. V.) deren Grundgedanke es war, daß wegen allgemeiner An-
griffe auf die Regierung keine information mehr zuläſſig ſei und daß
nur das als Libell gelten ſolle, was direkt gegen eine Perſon oder eine
Corporation gerichtet iſt, ſo daß dadurch das Libell ſtets den Charakter
eines defamatory-libel enthält. (Warum hat der ſonſt ſo fleißige
Lorbeer, dem freilich der alte Repreſſivcharakter des engliſchen Preß-
rechts überhaupt in ſeinem Unterſchied gegen das freie Preßrecht von
1848 nicht klar wird, dieſen Entwurf nicht aufgenommen?) Das nun
hätte allerdings die Frage entſchieden und Englands Preßrecht frei ge-
macht. Allein dieſer Entwurf wird von der conſervativen Partei zehn
Jahre hindurch hingezogen und an ſeiner Stelle erſchien endlich das
eigentliche Geſetz über die Schmähſchriften, die ſog. Campbells
Libel Bill 7. Vict. 96 (1843), welche ſich einfach auf die Definition
und die Klagbarkeit der durch die Preſſe verübten Injurien bezog,
jedoch noch ohne den großen Grundſatz der Strafbarkeit der Tendenz zu
erſchüttern. Für das Recht der Injurie iſt dieſe Bill (An Act to amend
the Law respecting Defamatory Words and Libel ſpeciell mit Bei-
ſätzen herausgegeben von Parry, Lord Campbells Libel Act 1844)
von entſcheidender Bedeutung. Sie muß als das Hauptgeſetz für
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