Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.Heinrich V. zwölf Inquisitoren zur Auffindung der Bücher Wikleffs. Heinrich V. zwölf Inquiſitoren zur Auffindung der Bücher Wikleffs. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0141" n="125"/><hi rendition="#g">Heinrich</hi><hi rendition="#aq">V.</hi> zwölf Inquiſitoren zur Auffindung der Bücher Wikleffs.<lb/> Unter <hi rendition="#g">Heinrich</hi> <hi rendition="#aq">VIII.</hi> war Wolſey Großinquiſitor. Großes Autodaf<hi rendition="#aq">é</hi><lb/> von Büchern 1527, und <hi rendition="#aq">Stat. 34. 35. Henry VIII.</hi> 1. Verbot des<lb/> Verkehrs mit ketzeriſchen Schriften. — Die eigentlich polizeiliche Epoche<lb/> beginnt erſt unter Eliſabeth. Das <hi rendition="#aq">Stat. 22. Elis.</hi> 12. erklärt das<lb/> Schreiben, Drucken oder Verlegen eines Buches, welches aufrühreriſche<lb/> Dinge oder Verleumdungen der Königin enthält, für Felonie. Das<lb/> Verfahren dabei geſchah allerdings durch Richterſpruch; allein die Jury<lb/> hatte <hi rendition="#g">nur</hi> zu urtheilen, ob der Beklagte der Verfaſſer ſei; das übrige<lb/> gehe ſie nichts an (<hi rendition="#g">Homersham-Cox</hi>, Staatseinrichtungen Eng-<lb/> lands, überſetzt von <hi rendition="#g">Kühne</hi> S. 249). Der Richter iſt daher hier wie<lb/> immer in England, zugleich das Polizeiorgan. Faſt gleichzeitig ward<lb/> (nach deutſchem Muſter?) die Cenſur eingeführt; dieſelbe ſcheint jedoch<lb/> ſich in England wie in Deutſchland nur auf das ganze Buch erſtreckt<lb/> und für das Ganze die Genehmigung ertheilt zu haben. Die Stern-<lb/> kammer trat ſeit 1500 als höchſte Cenſurbehörde ein und funktionirte<lb/> zugleich als Gericht und Polizei (<hi rendition="#g">Cox</hi> a. a. O. S. 250. <hi rendition="#g">Gneiſt</hi> Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> S. 195). Dadurch iſt es gekommen, daß das Prohibitiv- und Präven-<lb/> tivſyſtem hier verſchmolzen wurde. Dieſer ganzen Epoche fiel es gar<lb/> nicht ein, den Geiſt der Preſſe frei zu laſſen und ſich auf einzelne<lb/> Ausdrücke zu beſchränken; es war daher auch eine Stellencenſur wie<lb/> in Deutſchland gar nicht nöthig. Das <hi rendition="#aq">Stat. 13. 14. Charles II.</hi> 33.<lb/> war das erſte förmliche Präventivgeſetz gegen die Preſſe; es galt zwar<lb/> nur bis 1679, ward aber erneuert 1685 und 1692, und <hi rendition="#g">Macaulay</hi> (<hi rendition="#aq">Hist.<lb/> of Charles II. Chap.</hi> 12) zeigt uns, wie damals <hi rendition="#aq">„the temper of judges<lb/> and juries“</hi> gegen den Geiſt der Preſſe und jede freie Bewegung thätig<lb/> war. Allerdings wird das Cenſurgeſetz von 1662 mit dem Jahre<lb/> 1694 nicht wieder erneuert. Das iſt das Ende des Präventivſyſtems.<lb/> Allein die übrigen Grundſätze dauern fort, und das ganze engliſche<lb/> Preßrecht des 18. und 19. Jahrhunderts iſt bis 1848 nichts anderes,<lb/> als ein ſehr ausgebildetes <hi rendition="#g">Repreſſivſyſtem</hi>, das dem Richter die<lb/> formelle und auch die moraliſche Aufgabe gegeben und gelaſſen, neben<lb/> den einzelnen Ausdrücken in der Preſſe auch den Geiſt derſelben als<lb/> verbrecheriſchen Thatbeſtand anzuerkennen und zu beſtrafen. Erſt mit<lb/> dem Jahre 1848 entſteht in England <hi rendition="#g">geſetzlich</hi> das Recht der freien<lb/> Preſſe, und es erſcheint faſt unbegreiflich, daß ſelbſt <hi rendition="#g">Lorbeer</hi>, der doch<lb/> das <hi rendition="#aq">Stat. 11. Vict.</hi> 12. überſetzt ſeinem Buche hinzufügt, den weſent-<lb/> lichen Unterſchied zwiſchen ihm und der <hi rendition="#aq">Fox and Comp. libel Bill</hi><lb/> nicht auf der Stelle erkannt hat. Es wird unſre Aufgabe ſein, dieß<lb/> hier nachzuweiſen; denn eine lehrreichere Preßgeſetzgebung wie die eng-<lb/> liſche gibt es nicht, auch für die rein theoretiſchen Grundbegriffe.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0141]
Heinrich V. zwölf Inquiſitoren zur Auffindung der Bücher Wikleffs.
Unter Heinrich VIII. war Wolſey Großinquiſitor. Großes Autodafé
von Büchern 1527, und Stat. 34. 35. Henry VIII. 1. Verbot des
Verkehrs mit ketzeriſchen Schriften. — Die eigentlich polizeiliche Epoche
beginnt erſt unter Eliſabeth. Das Stat. 22. Elis. 12. erklärt das
Schreiben, Drucken oder Verlegen eines Buches, welches aufrühreriſche
Dinge oder Verleumdungen der Königin enthält, für Felonie. Das
Verfahren dabei geſchah allerdings durch Richterſpruch; allein die Jury
hatte nur zu urtheilen, ob der Beklagte der Verfaſſer ſei; das übrige
gehe ſie nichts an (Homersham-Cox, Staatseinrichtungen Eng-
lands, überſetzt von Kühne S. 249). Der Richter iſt daher hier wie
immer in England, zugleich das Polizeiorgan. Faſt gleichzeitig ward
(nach deutſchem Muſter?) die Cenſur eingeführt; dieſelbe ſcheint jedoch
ſich in England wie in Deutſchland nur auf das ganze Buch erſtreckt
und für das Ganze die Genehmigung ertheilt zu haben. Die Stern-
kammer trat ſeit 1500 als höchſte Cenſurbehörde ein und funktionirte
zugleich als Gericht und Polizei (Cox a. a. O. S. 250. Gneiſt Bd. I.
S. 195). Dadurch iſt es gekommen, daß das Prohibitiv- und Präven-
tivſyſtem hier verſchmolzen wurde. Dieſer ganzen Epoche fiel es gar
nicht ein, den Geiſt der Preſſe frei zu laſſen und ſich auf einzelne
Ausdrücke zu beſchränken; es war daher auch eine Stellencenſur wie
in Deutſchland gar nicht nöthig. Das Stat. 13. 14. Charles II. 33.
war das erſte förmliche Präventivgeſetz gegen die Preſſe; es galt zwar
nur bis 1679, ward aber erneuert 1685 und 1692, und Macaulay (Hist.
of Charles II. Chap. 12) zeigt uns, wie damals „the temper of judges
and juries“ gegen den Geiſt der Preſſe und jede freie Bewegung thätig
war. Allerdings wird das Cenſurgeſetz von 1662 mit dem Jahre
1694 nicht wieder erneuert. Das iſt das Ende des Präventivſyſtems.
Allein die übrigen Grundſätze dauern fort, und das ganze engliſche
Preßrecht des 18. und 19. Jahrhunderts iſt bis 1848 nichts anderes,
als ein ſehr ausgebildetes Repreſſivſyſtem, das dem Richter die
formelle und auch die moraliſche Aufgabe gegeben und gelaſſen, neben
den einzelnen Ausdrücken in der Preſſe auch den Geiſt derſelben als
verbrecheriſchen Thatbeſtand anzuerkennen und zu beſtrafen. Erſt mit
dem Jahre 1848 entſteht in England geſetzlich das Recht der freien
Preſſe, und es erſcheint faſt unbegreiflich, daß ſelbſt Lorbeer, der doch
das Stat. 11. Vict. 12. überſetzt ſeinem Buche hinzufügt, den weſent-
lichen Unterſchied zwiſchen ihm und der Fox and Comp. libel Bill
nicht auf der Stelle erkannt hat. Es wird unſre Aufgabe ſein, dieß
hier nachzuweiſen; denn eine lehrreichere Preßgeſetzgebung wie die eng-
liſche gibt es nicht, auch für die rein theoretiſchen Grundbegriffe.
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