Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.zu knüpfen, und diese einfach nach polizeilichem Ermessen widerruflich zu knüpfen, und dieſe einfach nach polizeilichem Ermeſſen widerruflich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0132" n="116"/> zu knüpfen, und dieſe einfach nach polizeilichem Ermeſſen <hi rendition="#g">widerruflich</hi><lb/> zu machen; damit ward der Geiſt der Zeitung zu ihrer eigenen höchſten<lb/> polizeilichen Gefahr, und das wirthſchaftliche Intereſſe die täglich lebendige<lb/> Cenſur des Schriftſtellers, der bei jeder Arbeit neben ihm am Tiſche<lb/> ſaß, jeden Strich der Feder leitete! Der vierte war das Syſtem der<lb/> Beſchlagnahme, die als rein polizeiliche Maßregel <hi rendition="#g">keiner</hi> Rechtferti-<lb/> gung bedurfte, und, an ſich vollkommen gerechtfertigt, eben dadurch<lb/> dieſelbe Gefahr für jedes einzelne Blatt ward, die in der Widerruflich-<lb/> keit der Conceſſion für das ganze Unternehmen beſtand. Beides ward<lb/> ſcheinbar gemildert durch das Syſtem der <hi rendition="#g">Verwarnungen</hi>, das da-<lb/> gegen den großen Vorzug hatte, den juriſtiſchen Charakter des ganzen<lb/> Repreſſivſyſtems offen als unhaltbar, und den polizeilichen als den<lb/> allein geltenden hinzuſtellen. Eine gerichtliche Verwarnung iſt offenbar<lb/> ein juriſtiſches Unding; die polizeiliche aber geht an die Unternehmung<lb/> ſelbſt, <hi rendition="#g">nicht</hi> an die Perſon; ihr Grund iſt eine Möglichkeit, ihr Objekt<lb/> iſt ein geiſtiges Etwas, das ſich jeder Definirung entzieht, ihre Grund-<lb/> lage iſt eine politiſche Richtung, die mit dem Wechſel des Syſtems<lb/> ſelbſt wechſelt, ihr höchſter Erfolg wäre daher, wenn ſie überhaupt<lb/> wirken könnte, nicht die Erzielung eines andern Geiſtes, ſondern die<lb/> Beſeitigung des geiſtigen Elements in dem verwarnten Journal über-<lb/> haupt, wie ihre Vorausſetzung die zufällige rein ſubjektive Anſchauung<lb/> des Verwarnenden. Hier iſt die reine Sicherheitspolizei des Geiſtes,<lb/> die ſogar die harte Form des Richterſpruches annimmt, wo die Folge<lb/> mehrmaliger Verwarnung die Suspenſion oder gar das Verbot des<lb/> ganzen Unternehmens ſein kann. <hi rendition="#g">Dieſem</hi> Rechte des Repreſſivſyſtems<lb/> gegenüber iſt natürlich die Preſſe ganz hülflos, denn indem alle jene<lb/> einzelne Ausſprüche reines verordnungsmäßiges Verwaltungsrecht der<lb/> Polizei ſind, exiſtirt auch kein Klagrecht und keine Appellation, ſondern<lb/> nur das Beſchwerderecht mit ſeinen Conſequenzen, und in ſeinen härte-<lb/> ſten Anwendungen wird jenes Syſtem zwar nie Gegenſtand des Spottes<lb/> und Hohnes, wie die Cenſur, wohl aber iſt es fähig, eine tiefe Miß-<lb/> ſtimmung zwiſchen Volk und Regierung zu erzeugen, und in jedem<lb/> Falle verwirrt es die Rechtsbegriffe, indem es das Recht der Verwal-<lb/> tung, gegen einzelne Ausdrücke mit Polizei und Strafe einzuſchreiten,<lb/> in der öffentlichen Meinung zweifelhaft machte durch das, ſich auch der<lb/> einfachen Bildung aufdrängende Bedenken, ob es überhaupt Recht ſei,<lb/> die Arbeit des Geiſtes polizeilich maßregeln zu wollen, und ob, <hi rendition="#g">wenn</hi><lb/> dieß Recht geworden durch ein Preßgeſetz, der <hi rendition="#g">Zweck</hi>, die Beſeitigung<lb/> des gefährdenden Geiſtes, durch ein Mittel auch wirklich <hi rendition="#g">erreicht</hi> wer-<lb/> den könne, das am Ende ſeine letzte Berechtigung doch nur in der<lb/> Erreichbarkeit jenes Zweckes zu ſuchen habe.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0132]
zu knüpfen, und dieſe einfach nach polizeilichem Ermeſſen widerruflich
zu machen; damit ward der Geiſt der Zeitung zu ihrer eigenen höchſten
polizeilichen Gefahr, und das wirthſchaftliche Intereſſe die täglich lebendige
Cenſur des Schriftſtellers, der bei jeder Arbeit neben ihm am Tiſche
ſaß, jeden Strich der Feder leitete! Der vierte war das Syſtem der
Beſchlagnahme, die als rein polizeiliche Maßregel keiner Rechtferti-
gung bedurfte, und, an ſich vollkommen gerechtfertigt, eben dadurch
dieſelbe Gefahr für jedes einzelne Blatt ward, die in der Widerruflich-
keit der Conceſſion für das ganze Unternehmen beſtand. Beides ward
ſcheinbar gemildert durch das Syſtem der Verwarnungen, das da-
gegen den großen Vorzug hatte, den juriſtiſchen Charakter des ganzen
Repreſſivſyſtems offen als unhaltbar, und den polizeilichen als den
allein geltenden hinzuſtellen. Eine gerichtliche Verwarnung iſt offenbar
ein juriſtiſches Unding; die polizeiliche aber geht an die Unternehmung
ſelbſt, nicht an die Perſon; ihr Grund iſt eine Möglichkeit, ihr Objekt
iſt ein geiſtiges Etwas, das ſich jeder Definirung entzieht, ihre Grund-
lage iſt eine politiſche Richtung, die mit dem Wechſel des Syſtems
ſelbſt wechſelt, ihr höchſter Erfolg wäre daher, wenn ſie überhaupt
wirken könnte, nicht die Erzielung eines andern Geiſtes, ſondern die
Beſeitigung des geiſtigen Elements in dem verwarnten Journal über-
haupt, wie ihre Vorausſetzung die zufällige rein ſubjektive Anſchauung
des Verwarnenden. Hier iſt die reine Sicherheitspolizei des Geiſtes,
die ſogar die harte Form des Richterſpruches annimmt, wo die Folge
mehrmaliger Verwarnung die Suspenſion oder gar das Verbot des
ganzen Unternehmens ſein kann. Dieſem Rechte des Repreſſivſyſtems
gegenüber iſt natürlich die Preſſe ganz hülflos, denn indem alle jene
einzelne Ausſprüche reines verordnungsmäßiges Verwaltungsrecht der
Polizei ſind, exiſtirt auch kein Klagrecht und keine Appellation, ſondern
nur das Beſchwerderecht mit ſeinen Conſequenzen, und in ſeinen härte-
ſten Anwendungen wird jenes Syſtem zwar nie Gegenſtand des Spottes
und Hohnes, wie die Cenſur, wohl aber iſt es fähig, eine tiefe Miß-
ſtimmung zwiſchen Volk und Regierung zu erzeugen, und in jedem
Falle verwirrt es die Rechtsbegriffe, indem es das Recht der Verwal-
tung, gegen einzelne Ausdrücke mit Polizei und Strafe einzuſchreiten,
in der öffentlichen Meinung zweifelhaft machte durch das, ſich auch der
einfachen Bildung aufdrängende Bedenken, ob es überhaupt Recht ſei,
die Arbeit des Geiſtes polizeilich maßregeln zu wollen, und ob, wenn
dieß Recht geworden durch ein Preßgeſetz, der Zweck, die Beſeitigung
des gefährdenden Geiſtes, durch ein Mittel auch wirklich erreicht wer-
den könne, das am Ende ſeine letzte Berechtigung doch nur in der
Erreichbarkeit jenes Zweckes zu ſuchen habe.
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