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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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und fährt noch jetzt fort, in dieser Weise theils in dem römischen Index,
theils in einzelnen Manifestationen sich geltend zu machen.

Die zweite große Körperschaft ist jedoch die Universität. Sie
ist, mag sie sonst organisirt sein wie sie will, die Trägerin des arbeitenden
Gedankens. Sie umfaßt zwar in ihrer theologischen Facultät die Kirche
und den Glauben, aber auch hier wird sie dadurch nicht ein Glied der
Körperschaft des Priesterthums. Sie kann daher ihrerseits auf der
Forderung einer Erlaubniß zur Herausgabe von Druckwerken gar
nicht bestehen; sie kann eben so wenig zum Recht des Verbots ge-
langen. Die Literatur, die aus den Universitäten hervorgeht, ist daher
gegenüber der kirchlichen grundsätzlich eine freie. Aber sie ist dennoch
eine Körperschaft. Sie gibt als solche nicht bloß eine gewisse Gewähr
für die Wahrheit, sondern sie hat auch gewisse Rechte. Sie ist dadurch
das berufene Organ, unter Umständen eine Entscheidung über geistige
Arbeiten auszusprechen, die von der mit ihnen entstehenden Staats-
gewalt gefordert wird; und sie ist es daher auch, welcher man das
ausschließliche Recht auf Druck und Verlag, wenigstens in den
Universitätsstädten, einräumt. Das ist es, was ihre Stellung in der
Geschichte des Preßrechts bestimmt. Ihre Rechte sind nicht aus ihrer
Natur hervorgegangen, und daher auch weder in Inhalt noch in Um-
fang gleich, sondern sie sind Privilegien, namentlich das Privilegium
der Druckerei, und an dieses erst knüpft sich die eigentliche Censur,
welche von Seiten der Universität ausgeübt wird. Aber eben deßwegen
haben diese Rechte der Universitäten niemals eine große Rolle in der
Geschichte des Preßrechts gespielt; sie verschwinden spurlos mit dem
18. Jahrhundert, und treten schon im 16. vor dem staatlichen Preßrechte
ganz in den Hintergrund. Man müßte das Preßrecht der Universitäten
aus den Einzelrechten jeder Universität erst zusammenstellen. Daß das-
selbe gegenwärtig verschwunden ist, ist nicht Folge eines Kampfes mit
der Freiheit wie bei der staatlichen Censur, sondern der natürlichen
Entwicklung der Dinge. Eine selbständige Ordnung des Preßrechts und
der Preßpolizei ist unter diesen Verhältnissen kaum denkbar, vielweniger
eine objektive Scheidung des Geistes der Presse von dem Recht der ein-
zelnen Ausdrücke derselben. Das gesammte Preßrecht der ständischen
Zeit, das corporative Preßrecht, hat daher nur einen historischen Werth;
die eigentliche Entwicklung beginnt erst mit der folgenden Epoche.


Wir glauben auf diesen Theil der Geschichte hier nicht weiter ein-
gehen zu sollen. Nur bemerken wir zu Hoffmanns Geschichte der
Censur (1819), daß es nicht richtig ist, Censur und Preßrecht zu identificiren

und fährt noch jetzt fort, in dieſer Weiſe theils in dem römiſchen Index,
theils in einzelnen Manifeſtationen ſich geltend zu machen.

Die zweite große Körperſchaft iſt jedoch die Univerſität. Sie
iſt, mag ſie ſonſt organiſirt ſein wie ſie will, die Trägerin des arbeitenden
Gedankens. Sie umfaßt zwar in ihrer theologiſchen Facultät die Kirche
und den Glauben, aber auch hier wird ſie dadurch nicht ein Glied der
Körperſchaft des Prieſterthums. Sie kann daher ihrerſeits auf der
Forderung einer Erlaubniß zur Herausgabe von Druckwerken gar
nicht beſtehen; ſie kann eben ſo wenig zum Recht des Verbots ge-
langen. Die Literatur, die aus den Univerſitäten hervorgeht, iſt daher
gegenüber der kirchlichen grundſätzlich eine freie. Aber ſie iſt dennoch
eine Körperſchaft. Sie gibt als ſolche nicht bloß eine gewiſſe Gewähr
für die Wahrheit, ſondern ſie hat auch gewiſſe Rechte. Sie iſt dadurch
das berufene Organ, unter Umſtänden eine Entſcheidung über geiſtige
Arbeiten auszuſprechen, die von der mit ihnen entſtehenden Staats-
gewalt gefordert wird; und ſie iſt es daher auch, welcher man das
ausſchließliche Recht auf Druck und Verlag, wenigſtens in den
Univerſitätsſtädten, einräumt. Das iſt es, was ihre Stellung in der
Geſchichte des Preßrechts beſtimmt. Ihre Rechte ſind nicht aus ihrer
Natur hervorgegangen, und daher auch weder in Inhalt noch in Um-
fang gleich, ſondern ſie ſind Privilegien, namentlich das Privilegium
der Druckerei, und an dieſes erſt knüpft ſich die eigentliche Cenſur,
welche von Seiten der Univerſität ausgeübt wird. Aber eben deßwegen
haben dieſe Rechte der Univerſitäten niemals eine große Rolle in der
Geſchichte des Preßrechts geſpielt; ſie verſchwinden ſpurlos mit dem
18. Jahrhundert, und treten ſchon im 16. vor dem ſtaatlichen Preßrechte
ganz in den Hintergrund. Man müßte das Preßrecht der Univerſitäten
aus den Einzelrechten jeder Univerſität erſt zuſammenſtellen. Daß das-
ſelbe gegenwärtig verſchwunden iſt, iſt nicht Folge eines Kampfes mit
der Freiheit wie bei der ſtaatlichen Cenſur, ſondern der natürlichen
Entwicklung der Dinge. Eine ſelbſtändige Ordnung des Preßrechts und
der Preßpolizei iſt unter dieſen Verhältniſſen kaum denkbar, vielweniger
eine objektive Scheidung des Geiſtes der Preſſe von dem Recht der ein-
zelnen Ausdrücke derſelben. Das geſammte Preßrecht der ſtändiſchen
Zeit, das corporative Preßrecht, hat daher nur einen hiſtoriſchen Werth;
die eigentliche Entwicklung beginnt erſt mit der folgenden Epoche.


Wir glauben auf dieſen Theil der Geſchichte hier nicht weiter ein-
gehen zu ſollen. Nur bemerken wir zu Hoffmanns Geſchichte der
Cenſur (1819), daß es nicht richtig iſt, Cenſur und Preßrecht zu identificiren

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[99/0115] und fährt noch jetzt fort, in dieſer Weiſe theils in dem römiſchen Index, theils in einzelnen Manifeſtationen ſich geltend zu machen. Die zweite große Körperſchaft iſt jedoch die Univerſität. Sie iſt, mag ſie ſonſt organiſirt ſein wie ſie will, die Trägerin des arbeitenden Gedankens. Sie umfaßt zwar in ihrer theologiſchen Facultät die Kirche und den Glauben, aber auch hier wird ſie dadurch nicht ein Glied der Körperſchaft des Prieſterthums. Sie kann daher ihrerſeits auf der Forderung einer Erlaubniß zur Herausgabe von Druckwerken gar nicht beſtehen; ſie kann eben ſo wenig zum Recht des Verbots ge- langen. Die Literatur, die aus den Univerſitäten hervorgeht, iſt daher gegenüber der kirchlichen grundſätzlich eine freie. Aber ſie iſt dennoch eine Körperſchaft. Sie gibt als ſolche nicht bloß eine gewiſſe Gewähr für die Wahrheit, ſondern ſie hat auch gewiſſe Rechte. Sie iſt dadurch das berufene Organ, unter Umſtänden eine Entſcheidung über geiſtige Arbeiten auszuſprechen, die von der mit ihnen entſtehenden Staats- gewalt gefordert wird; und ſie iſt es daher auch, welcher man das ausſchließliche Recht auf Druck und Verlag, wenigſtens in den Univerſitätsſtädten, einräumt. Das iſt es, was ihre Stellung in der Geſchichte des Preßrechts beſtimmt. Ihre Rechte ſind nicht aus ihrer Natur hervorgegangen, und daher auch weder in Inhalt noch in Um- fang gleich, ſondern ſie ſind Privilegien, namentlich das Privilegium der Druckerei, und an dieſes erſt knüpft ſich die eigentliche Cenſur, welche von Seiten der Univerſität ausgeübt wird. Aber eben deßwegen haben dieſe Rechte der Univerſitäten niemals eine große Rolle in der Geſchichte des Preßrechts geſpielt; ſie verſchwinden ſpurlos mit dem 18. Jahrhundert, und treten ſchon im 16. vor dem ſtaatlichen Preßrechte ganz in den Hintergrund. Man müßte das Preßrecht der Univerſitäten aus den Einzelrechten jeder Univerſität erſt zuſammenſtellen. Daß das- ſelbe gegenwärtig verſchwunden iſt, iſt nicht Folge eines Kampfes mit der Freiheit wie bei der ſtaatlichen Cenſur, ſondern der natürlichen Entwicklung der Dinge. Eine ſelbſtändige Ordnung des Preßrechts und der Preßpolizei iſt unter dieſen Verhältniſſen kaum denkbar, vielweniger eine objektive Scheidung des Geiſtes der Preſſe von dem Recht der ein- zelnen Ausdrücke derſelben. Das geſammte Preßrecht der ſtändiſchen Zeit, das corporative Preßrecht, hat daher nur einen hiſtoriſchen Werth; die eigentliche Entwicklung beginnt erſt mit der folgenden Epoche. Wir glauben auf dieſen Theil der Geſchichte hier nicht weiter ein- gehen zu ſollen. Nur bemerken wir zu Hoffmanns Geſchichte der Cenſur (1819), daß es nicht richtig iſt, Cenſur und Preßrecht zu identificiren

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/115>, abgerufen am 21.11.2024.