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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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beginnt, und bis zur Alleinherrschaft Napoleons führt. Die zweite
findet ihre Basis in der Aufstellung der Universite und ihrer, das
ganze Bildungswesen Frankreichs bureaukratisch beherrschenden Organi-
sation, die wieder ihre eigene Geschichte hat. Die dritte beginnt unter
Napoleon III., nicht durch ihn, und besteht in der Entwicklung eines
freien Bildungswesens neben der Universite, das freilich wesentlich
noch auf gewerbliche Bildung beschränkt ist, aber in diesem gewerblichen
Bildungswesen den großen Principien des deutschen Bildungswesens
die Bahn bricht, und die Geltung der freieren, auf Selbstverwaltung
des geistigen Lebens gerichteten Elemente allmählig auch auf die übrigen
Gebiete der geistigen Verwaltung Frankreichs übertragen wird. Jede
dieser Epochen ist zugleich ein Ausdruck des Ganges der gesellschaftlichen
Zustände, die nirgends härter in ihren Gegensätzen, aber auch nirgends
schärfer in ihren Principien hervortreten als hier.

Die erste Epoche, die der Revolution, beginnt mit dem richtigen
Gefühl, daß die Bildung die erste positive Bedingung des Fort-
schrittes ist, wie die persönliche Freiheit die erste negative Bedingung
desselben. Der Ausdruck dieses Gefühls ist das principielle Losreißen
des gesammten Bildungswesens von jedem ständischen Element, und
die formelle und absolute Anerkennung der Staatspflicht, den
Staatsbürgern ohne allen Unterschied des Standes und des Vermögens
die Bedingung der Bildung darzubieten. Frankreich ist, indem es auf
diese Weise das ganze Bildungswesen auf die Thätigkeit der eigent-
lichen Staatsverwaltung stellte, der erste Staat, der die Pflicht des
Staats zur Bildung seiner Angehörigen zu einem Inhalt der Ver-
fassung
machte. So wie die junge staatsbürgerliche Gesellschaft die
ständische darnieder wirft, hält sie es für eine ihrer ersten Aufgaben, die
neue Staatsordnung durch das formelle Aussprechen zur Staatspflicht
gleichsam für die neue geistige Welt, die sie bereiten will, einzuweihen.
Die declaration des droits de l'homme et de citoyen vom 26. August
1789 steht allerdings nur noch auf dem negativen Standpunkt der
Gleichheit und Freiheit, wie wir ihn in der Geschichte des Polizeirechts
ausgeführt haben. Allein schon die erste Verfassung vom 3. September
1791 nahm in ihrem Titre premier neben den "Menschenrechten" den
bedeutsamen Satz auf: "Il sera cree et organise une Instruction pub-
lique
, commune a tous les citoyens, gratuite a l'egard des parties
d'enseignement indispensables pour tous les hommes, et dont les
etablissements seront distribues graduellement dans un rapport com-
bine avec la division du royaume."
Dieser Satz enthielt einerseits nichts
anderes, als was bereits vor manchem Jahrzehent deutsche Staaten,
in erster Reihe Preußen, durch sein General-Schulreglement, schon zur

beginnt, und bis zur Alleinherrſchaft Napoleons führt. Die zweite
findet ihre Baſis in der Aufſtellung der Université und ihrer, das
ganze Bildungsweſen Frankreichs bureaukratiſch beherrſchenden Organi-
ſation, die wieder ihre eigene Geſchichte hat. Die dritte beginnt unter
Napoleon III., nicht durch ihn, und beſteht in der Entwicklung eines
freien Bildungsweſens neben der Université, das freilich weſentlich
noch auf gewerbliche Bildung beſchränkt iſt, aber in dieſem gewerblichen
Bildungsweſen den großen Principien des deutſchen Bildungsweſens
die Bahn bricht, und die Geltung der freieren, auf Selbſtverwaltung
des geiſtigen Lebens gerichteten Elemente allmählig auch auf die übrigen
Gebiete der geiſtigen Verwaltung Frankreichs übertragen wird. Jede
dieſer Epochen iſt zugleich ein Ausdruck des Ganges der geſellſchaftlichen
Zuſtände, die nirgends härter in ihren Gegenſätzen, aber auch nirgends
ſchärfer in ihren Principien hervortreten als hier.

Die erſte Epoche, die der Revolution, beginnt mit dem richtigen
Gefühl, daß die Bildung die erſte poſitive Bedingung des Fort-
ſchrittes iſt, wie die perſönliche Freiheit die erſte negative Bedingung
deſſelben. Der Ausdruck dieſes Gefühls iſt das principielle Losreißen
des geſammten Bildungsweſens von jedem ſtändiſchen Element, und
die formelle und abſolute Anerkennung der Staatspflicht, den
Staatsbürgern ohne allen Unterſchied des Standes und des Vermögens
die Bedingung der Bildung darzubieten. Frankreich iſt, indem es auf
dieſe Weiſe das ganze Bildungsweſen auf die Thätigkeit der eigent-
lichen Staatsverwaltung ſtellte, der erſte Staat, der die Pflicht des
Staats zur Bildung ſeiner Angehörigen zu einem Inhalt der Ver-
faſſung
machte. So wie die junge ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft die
ſtändiſche darnieder wirft, hält ſie es für eine ihrer erſten Aufgaben, die
neue Staatsordnung durch das formelle Ausſprechen zur Staatspflicht
gleichſam für die neue geiſtige Welt, die ſie bereiten will, einzuweihen.
Die déclaration des droits de l’homme et de citoyen vom 26. Auguſt
1789 ſteht allerdings nur noch auf dem negativen Standpunkt der
Gleichheit und Freiheit, wie wir ihn in der Geſchichte des Polizeirechts
ausgeführt haben. Allein ſchon die erſte Verfaſſung vom 3. September
1791 nahm in ihrem Titre premier neben den „Menſchenrechten“ den
bedeutſamen Satz auf: „Il sera crée et organisé une Instruction pub-
lique
, commune à tous les citoyens, gratuite à l’égard des parties
d’enseignement indispensables pour tous les hommes, et dont les
établissements seront distribués graduellement dans un rapport com-
biné avec la division du royaume.“
Dieſer Satz enthielt einerſeits nichts
anderes, als was bereits vor manchem Jahrzehent deutſche Staaten,
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[47/0075] beginnt, und bis zur Alleinherrſchaft Napoleons führt. Die zweite findet ihre Baſis in der Aufſtellung der Université und ihrer, das ganze Bildungsweſen Frankreichs bureaukratiſch beherrſchenden Organi- ſation, die wieder ihre eigene Geſchichte hat. Die dritte beginnt unter Napoleon III., nicht durch ihn, und beſteht in der Entwicklung eines freien Bildungsweſens neben der Université, das freilich weſentlich noch auf gewerbliche Bildung beſchränkt iſt, aber in dieſem gewerblichen Bildungsweſen den großen Principien des deutſchen Bildungsweſens die Bahn bricht, und die Geltung der freieren, auf Selbſtverwaltung des geiſtigen Lebens gerichteten Elemente allmählig auch auf die übrigen Gebiete der geiſtigen Verwaltung Frankreichs übertragen wird. Jede dieſer Epochen iſt zugleich ein Ausdruck des Ganges der geſellſchaftlichen Zuſtände, die nirgends härter in ihren Gegenſätzen, aber auch nirgends ſchärfer in ihren Principien hervortreten als hier. Die erſte Epoche, die der Revolution, beginnt mit dem richtigen Gefühl, daß die Bildung die erſte poſitive Bedingung des Fort- ſchrittes iſt, wie die perſönliche Freiheit die erſte negative Bedingung deſſelben. Der Ausdruck dieſes Gefühls iſt das principielle Losreißen des geſammten Bildungsweſens von jedem ſtändiſchen Element, und die formelle und abſolute Anerkennung der Staatspflicht, den Staatsbürgern ohne allen Unterſchied des Standes und des Vermögens die Bedingung der Bildung darzubieten. Frankreich iſt, indem es auf dieſe Weiſe das ganze Bildungsweſen auf die Thätigkeit der eigent- lichen Staatsverwaltung ſtellte, der erſte Staat, der die Pflicht des Staats zur Bildung ſeiner Angehörigen zu einem Inhalt der Ver- faſſung machte. So wie die junge ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft die ſtändiſche darnieder wirft, hält ſie es für eine ihrer erſten Aufgaben, die neue Staatsordnung durch das formelle Ausſprechen zur Staatspflicht gleichſam für die neue geiſtige Welt, die ſie bereiten will, einzuweihen. Die déclaration des droits de l’homme et de citoyen vom 26. Auguſt 1789 ſteht allerdings nur noch auf dem negativen Standpunkt der Gleichheit und Freiheit, wie wir ihn in der Geſchichte des Polizeirechts ausgeführt haben. Allein ſchon die erſte Verfaſſung vom 3. September 1791 nahm in ihrem Titre premier neben den „Menſchenrechten“ den bedeutſamen Satz auf: „Il sera crée et organisé une Instruction pub- lique, commune à tous les citoyens, gratuite à l’égard des parties d’enseignement indispensables pour tous les hommes, et dont les établissements seront distribués graduellement dans un rapport com- biné avec la division du royaume.“ Dieſer Satz enthielt einerſeits nichts anderes, als was bereits vor manchem Jahrzehent deutſche Staaten, in erſter Reihe Preußen, durch ſein General-Schulreglement, ſchon zur

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/75>, abgerufen am 22.11.2024.