als eine allgemeine unklare Kategorie des Staatsbegriffs angedeutet (Rechtspilosophie §. 173), Fichte d. J. (System der Ethik II, 2. §. 166) es als eine ethische Forderung behandelt, Stahl in seiner Philosophie des Rechts unter der nämlichen Abtheilung "Verwaltung des Staats" Bd. II, Abth. II. IV. Abschn. geradezu vergessen. Was Bluntschli und Helm sagen, enthält an Gedanken nicht mehr, an Stoff und System aber weit weniger, als was bereits Pölitz und namentlich Zachariä und Aretin kürzer und energischer gesagt haben. -- Unter diesen Um- ständen war es natürlich, daß die große und mit dem höchsten sittlichen, der besten öffentlichen Anerkennung werthen Eifer arbeitende päda- gogische Literatur diese ganze staatsrechtlich-philosophische durchaus nicht benützen konnte. Es ist höchst bezeichnend, daß die erstere unseres Wissens sich auf die letztere auch an keinem einzigen Orte bezieht. Dadurch nun ward diese pädagogische Literatur bei aller Tiefe und Gründlichkeit im Einzelnen einseitig. Das Bild des Ganzen, der innere organische Zusammenhang der Theile und Gebiete, ist ihr eigentlich niemals recht geworden. Sie beruht auf der Kategorie der "Schulmänner", und es charakterisirt sie, daß sie fast nie die Universitäten, nur in Andeutungen die Kunst und ihre Bildungsanstalten, und gar nie die Presse in sich aufnimmt und verarbeitet, so wichtig auch die letztere ist. Eine Wissen- schaft des Bildungswesens gibt es daher noch nicht; aber mit Aus- nahme vielleicht der Medicinalpolizei gibt es keinen Theil der Staats- wissenschaft, der so ausgezeichnete Arbeiten im Einzelnen darböte. -- Aus diesen Elementen hat sich nun das gegenwärtige Stadium ge- bildet. Die Wissenschaft hat die organische Gesammtauffassung, die ihr in der deutschen Literatur fehlte, in dem fremden Bildungswesen gesucht, und namentlich ist es das Englische, das bestimmt scheint einen neuen Anstoß zu geben, während andererseits in höchst beachtenswerther Weise die Schulmänner auch das positive Recht der Bildungsanstalten ernst- haft zu berücksichtigen beginnen. Als die bedeutendste Erscheinung auf diesem Gebiete muß man Schmids Encyclopädie begrüßen. Wenn es zwar nicht möglich ist, bei dem, was in ihr geleistet ist, stehen zu bleiben, so ist es eben so wenig möglich, ohne sie zu arbeiten. Sie ent- hält unschätzbare Beiträge zur Lehre vom öffentlichen Bildungsrecht bei dem vielfach vollständigen Mangel anderer territorialen Bearbeitungen.
In hohem Grade charakteristisch für diese gesammte Entwicklung ist nun das absolute Hinweglassen der Presse aus allen Auffassungen des öffentlichen Bildungswesens. Die Ursachen dafür liegen zwar nahe; aber es ist wohl an der Zeit, ein Leben und eine Gewalt, die in sich selber schon ein großartiges System geworden sind, nicht mehr von der systematischen Wissenschaft aus- zuschließen, und sie nur als Gegenstände der Polizei zu berücksichtigen.
als eine allgemeine unklare Kategorie des Staatsbegriffs angedeutet (Rechtspiloſophie §. 173), Fichte d. J. (Syſtem der Ethik II, 2. §. 166) es als eine ethiſche Forderung behandelt, Stahl in ſeiner Philoſophie des Rechts unter der nämlichen Abtheilung „Verwaltung des Staats“ Bd. II, Abth. II. IV. Abſchn. geradezu vergeſſen. Was Bluntſchli und Helm ſagen, enthält an Gedanken nicht mehr, an Stoff und Syſtem aber weit weniger, als was bereits Pölitz und namentlich Zachariä und Aretin kürzer und energiſcher geſagt haben. — Unter dieſen Um- ſtänden war es natürlich, daß die große und mit dem höchſten ſittlichen, der beſten öffentlichen Anerkennung werthen Eifer arbeitende päda- gogiſche Literatur dieſe ganze ſtaatsrechtlich-philoſophiſche durchaus nicht benützen konnte. Es iſt höchſt bezeichnend, daß die erſtere unſeres Wiſſens ſich auf die letztere auch an keinem einzigen Orte bezieht. Dadurch nun ward dieſe pädagogiſche Literatur bei aller Tiefe und Gründlichkeit im Einzelnen einſeitig. Das Bild des Ganzen, der innere organiſche Zuſammenhang der Theile und Gebiete, iſt ihr eigentlich niemals recht geworden. Sie beruht auf der Kategorie der „Schulmänner“, und es charakteriſirt ſie, daß ſie faſt nie die Univerſitäten, nur in Andeutungen die Kunſt und ihre Bildungsanſtalten, und gar nie die Preſſe in ſich aufnimmt und verarbeitet, ſo wichtig auch die letztere iſt. Eine Wiſſen- ſchaft des Bildungsweſens gibt es daher noch nicht; aber mit Aus- nahme vielleicht der Medicinalpolizei gibt es keinen Theil der Staats- wiſſenſchaft, der ſo ausgezeichnete Arbeiten im Einzelnen darböte. — Aus dieſen Elementen hat ſich nun das gegenwärtige Stadium ge- bildet. Die Wiſſenſchaft hat die organiſche Geſammtauffaſſung, die ihr in der deutſchen Literatur fehlte, in dem fremden Bildungsweſen geſucht, und namentlich iſt es das Engliſche, das beſtimmt ſcheint einen neuen Anſtoß zu geben, während andererſeits in höchſt beachtenswerther Weiſe die Schulmänner auch das poſitive Recht der Bildungsanſtalten ernſt- haft zu berückſichtigen beginnen. Als die bedeutendſte Erſcheinung auf dieſem Gebiete muß man Schmids Encyclopädie begrüßen. Wenn es zwar nicht möglich iſt, bei dem, was in ihr geleiſtet iſt, ſtehen zu bleiben, ſo iſt es eben ſo wenig möglich, ohne ſie zu arbeiten. Sie ent- hält unſchätzbare Beiträge zur Lehre vom öffentlichen Bildungsrecht bei dem vielfach vollſtändigen Mangel anderer territorialen Bearbeitungen.
In hohem Grade charakteriſtiſch für dieſe geſammte Entwicklung iſt nun das abſolute Hinweglaſſen der Preſſe aus allen Auffaſſungen des öffentlichen Bildungsweſens. Die Urſachen dafür liegen zwar nahe; aber es iſt wohl an der Zeit, ein Leben und eine Gewalt, die in ſich ſelber ſchon ein großartiges Syſtem geworden ſind, nicht mehr von der ſyſtematiſchen Wiſſenſchaft aus- zuſchließen, und ſie nur als Gegenſtände der Polizei zu berückſichtigen.
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es als eine ethiſche Forderung behandelt, Stahl in ſeiner Philoſophie
des Rechts unter der nämlichen Abtheilung „Verwaltung des Staats“
Bd. II, Abth. II. IV. Abſchn. geradezu vergeſſen. Was Bluntſchli
und Helm ſagen, enthält an Gedanken nicht mehr, an Stoff und
Syſtem aber weit weniger, als was bereits Pölitz und namentlich Zachariä
und Aretin kürzer und energiſcher geſagt haben. — Unter dieſen Um-
ſtänden war es natürlich, daß die große und mit dem höchſten ſittlichen,
der beſten öffentlichen Anerkennung werthen Eifer arbeitende päda-
gogiſche Literatur dieſe ganze ſtaatsrechtlich-philoſophiſche durchaus nicht
benützen konnte. Es iſt höchſt bezeichnend, daß die erſtere unſeres Wiſſens
ſich auf die letztere auch an keinem einzigen Orte bezieht. Dadurch nun
ward dieſe pädagogiſche Literatur bei aller Tiefe und Gründlichkeit im
Einzelnen einſeitig. Das Bild des Ganzen, der innere organiſche
Zuſammenhang der Theile und Gebiete, iſt ihr eigentlich niemals recht
geworden. Sie beruht auf der Kategorie der „Schulmänner“, und es
charakteriſirt ſie, daß ſie faſt nie die Univerſitäten, nur in Andeutungen
die Kunſt und ihre Bildungsanſtalten, und gar nie die Preſſe in ſich
aufnimmt und verarbeitet, ſo wichtig auch die letztere iſt. Eine Wiſſen-
ſchaft des Bildungsweſens gibt es daher noch nicht; aber mit Aus-
nahme vielleicht der Medicinalpolizei gibt es keinen Theil der Staats-
wiſſenſchaft, der ſo ausgezeichnete Arbeiten im Einzelnen darböte. —
Aus dieſen Elementen hat ſich nun das gegenwärtige Stadium ge-
bildet. Die Wiſſenſchaft hat die organiſche Geſammtauffaſſung, die ihr
in der deutſchen Literatur fehlte, in dem fremden Bildungsweſen geſucht,
und namentlich iſt es das Engliſche, das beſtimmt ſcheint einen neuen
Anſtoß zu geben, während andererſeits in höchſt beachtenswerther Weiſe
die Schulmänner auch das poſitive Recht der Bildungsanſtalten ernſt-
haft zu berückſichtigen beginnen. Als die bedeutendſte Erſcheinung auf
dieſem Gebiete muß man Schmids Encyclopädie begrüßen. Wenn
es zwar nicht möglich iſt, bei dem, was in ihr geleiſtet iſt, ſtehen zu
bleiben, ſo iſt es eben ſo wenig möglich, ohne ſie zu arbeiten. Sie ent-
hält unſchätzbare Beiträge zur Lehre vom öffentlichen Bildungsrecht bei
dem vielfach vollſtändigen Mangel anderer territorialen Bearbeitungen.
In hohem Grade charakteriſtiſch für dieſe geſammte Entwicklung iſt nun
das abſolute Hinweglaſſen der Preſſe aus allen Auffaſſungen des öffentlichen
Bildungsweſens. Die Urſachen dafür liegen zwar nahe; aber es iſt wohl an
der Zeit, ein Leben und eine Gewalt, die in ſich ſelber ſchon ein großartiges
Syſtem geworden ſind, nicht mehr von der ſyſtematiſchen Wiſſenſchaft aus-
zuſchließen, und ſie nur als Gegenſtände der Polizei zu berückſichtigen.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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