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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Beide nun, hervorgegangen aus der ständischen Epoche, haben
nun gemeinschaftlich wirkend die einzelnen Elemente dieses Systems
erzeugt und bis auf die neueste Zeit erhalten. Sie sind es auch, welche
dasselbe auf das bestimmteste von der zweiten großen Bildungsform in
England scheiden.

Zuerst haben diese beiden Elemente die Colleges wie die
Universities als Alumnate erhalten, woran der geistliche Ursprung
und Inhalt derselben den größten Antheil hatte. Diese Alumnate unter-
scheiden sich aber von den französischen Pensionats wesentlich dadurch,
daß sie nicht etwa wie die letzteren Staatsinstitute mit amtlicher Leitung
sind, sondern als Selbstverwaltungskörper dastehen, welche sich
ihre eigenen Häupter und Organe wählen. Diese innere Freiheit wiegt
schon hier die äußere Beschränkung derselben auf. Zugleich aber tragen
alle diese Körper, die Colleges wie die Universities, den Charakter
von socialen Stiftungen durchgehends an sich, indem eine Menge
von Freistellen bei denselben auch den Nichtbemittelten die wissenschaft-
liche Laufbahn möglich machen, und wiederum werden diese Freistellen
nicht wie die französischen bourses von der Regierung, sondern nach
den Vorschriften der Stiftungsurkunden vergeben. Nicht einmal die
stiftungsmäßigen Oberbehörden mischen sich in die innere Verwaltung
der Schulen. So standen diese Körperschaften, den geistlichen ähnlich,
in der ständischen Welt abgeschlossen da. Erst allmählig ward der Grund-
satz geltend, daß auch Externe (Oppidani) zum Unterricht zugelassen
werden dürfen; und jetzt bilden diese wenigstens in den Colleges den
größten Theil der Schüler, ohne dennoch den ständischen und stiftungs-
mäßigen Charakter der Körperschaften selber zu ändern. Eine speciellere
Darstellung dieser Verhältnisse jedoch kann nur durch die Statuten jeder
Körperschaft gegeben werden. Es ist hier wenig anders gleich als das
Princip. Und auch dieß wird erst ganz verständlich in seiner Verbin-
dung mit dem Folgenden.

Zweitens hat sich auf derselben Grundlage auch der Bildungs-
gang und das Lehrwesen bestimmt. Vor allem sind diese Körperschaften
grundsätzlich von jeder wirthschaftlichen Vorbildung entfernt und be-
schränken sich strenge auf die classische Bildung. Den Lehrgang selbst,
speciell in den Colleges, hat Schöll erschöpfend mitgetheilt. Ferner
ergibt sich, da keine staatliche Prüfung und keine Verwendung des Ge-
lernten in einem Amte stattfindet, daß der Unterschied zwischen Colleges
und Universities zwar der Idee nach der einer Vorbildungs- und Fach-
bildungsanstalt ist, daß aber dieser Unterschied gar nicht zur wirklichen
Geltung kommt, sondern die University, auf welche die Studenten be-
reits mit dem vierzehnten Jahre aufgenommen werden können, selbst

Beide nun, hervorgegangen aus der ſtändiſchen Epoche, haben
nun gemeinſchaftlich wirkend die einzelnen Elemente dieſes Syſtems
erzeugt und bis auf die neueſte Zeit erhalten. Sie ſind es auch, welche
daſſelbe auf das beſtimmteſte von der zweiten großen Bildungsform in
England ſcheiden.

Zuerſt haben dieſe beiden Elemente die Colleges wie die
Universities als Alumnate erhalten, woran der geiſtliche Urſprung
und Inhalt derſelben den größten Antheil hatte. Dieſe Alumnate unter-
ſcheiden ſich aber von den franzöſiſchen Penſionats weſentlich dadurch,
daß ſie nicht etwa wie die letzteren Staatsinſtitute mit amtlicher Leitung
ſind, ſondern als Selbſtverwaltungskörper daſtehen, welche ſich
ihre eigenen Häupter und Organe wählen. Dieſe innere Freiheit wiegt
ſchon hier die äußere Beſchränkung derſelben auf. Zugleich aber tragen
alle dieſe Körper, die Colleges wie die Universities, den Charakter
von ſocialen Stiftungen durchgehends an ſich, indem eine Menge
von Freiſtellen bei denſelben auch den Nichtbemittelten die wiſſenſchaft-
liche Laufbahn möglich machen, und wiederum werden dieſe Freiſtellen
nicht wie die franzöſiſchen bourses von der Regierung, ſondern nach
den Vorſchriften der Stiftungsurkunden vergeben. Nicht einmal die
ſtiftungsmäßigen Oberbehörden miſchen ſich in die innere Verwaltung
der Schulen. So ſtanden dieſe Körperſchaften, den geiſtlichen ähnlich,
in der ſtändiſchen Welt abgeſchloſſen da. Erſt allmählig ward der Grund-
ſatz geltend, daß auch Externe (Oppidani) zum Unterricht zugelaſſen
werden dürfen; und jetzt bilden dieſe wenigſtens in den Colleges den
größten Theil der Schüler, ohne dennoch den ſtändiſchen und ſtiftungs-
mäßigen Charakter der Körperſchaften ſelber zu ändern. Eine ſpeciellere
Darſtellung dieſer Verhältniſſe jedoch kann nur durch die Statuten jeder
Körperſchaft gegeben werden. Es iſt hier wenig anders gleich als das
Princip. Und auch dieß wird erſt ganz verſtändlich in ſeiner Verbin-
dung mit dem Folgenden.

Zweitens hat ſich auf derſelben Grundlage auch der Bildungs-
gang und das Lehrweſen beſtimmt. Vor allem ſind dieſe Körperſchaften
grundſätzlich von jeder wirthſchaftlichen Vorbildung entfernt und be-
ſchränken ſich ſtrenge auf die claſſiſche Bildung. Den Lehrgang ſelbſt,
ſpeciell in den Colleges, hat Schöll erſchöpfend mitgetheilt. Ferner
ergibt ſich, da keine ſtaatliche Prüfung und keine Verwendung des Ge-
lernten in einem Amte ſtattfindet, daß der Unterſchied zwiſchen Colleges
und Universities zwar der Idee nach der einer Vorbildungs- und Fach-
bildungsanſtalt iſt, daß aber dieſer Unterſchied gar nicht zur wirklichen
Geltung kommt, ſondern die University, auf welche die Studenten be-
reits mit dem vierzehnten Jahre aufgenommen werden können, ſelbſt

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[328/0356] Beide nun, hervorgegangen aus der ſtändiſchen Epoche, haben nun gemeinſchaftlich wirkend die einzelnen Elemente dieſes Syſtems erzeugt und bis auf die neueſte Zeit erhalten. Sie ſind es auch, welche daſſelbe auf das beſtimmteſte von der zweiten großen Bildungsform in England ſcheiden. Zuerſt haben dieſe beiden Elemente die Colleges wie die Universities als Alumnate erhalten, woran der geiſtliche Urſprung und Inhalt derſelben den größten Antheil hatte. Dieſe Alumnate unter- ſcheiden ſich aber von den franzöſiſchen Penſionats weſentlich dadurch, daß ſie nicht etwa wie die letzteren Staatsinſtitute mit amtlicher Leitung ſind, ſondern als Selbſtverwaltungskörper daſtehen, welche ſich ihre eigenen Häupter und Organe wählen. Dieſe innere Freiheit wiegt ſchon hier die äußere Beſchränkung derſelben auf. Zugleich aber tragen alle dieſe Körper, die Colleges wie die Universities, den Charakter von ſocialen Stiftungen durchgehends an ſich, indem eine Menge von Freiſtellen bei denſelben auch den Nichtbemittelten die wiſſenſchaft- liche Laufbahn möglich machen, und wiederum werden dieſe Freiſtellen nicht wie die franzöſiſchen bourses von der Regierung, ſondern nach den Vorſchriften der Stiftungsurkunden vergeben. Nicht einmal die ſtiftungsmäßigen Oberbehörden miſchen ſich in die innere Verwaltung der Schulen. So ſtanden dieſe Körperſchaften, den geiſtlichen ähnlich, in der ſtändiſchen Welt abgeſchloſſen da. Erſt allmählig ward der Grund- ſatz geltend, daß auch Externe (Oppidani) zum Unterricht zugelaſſen werden dürfen; und jetzt bilden dieſe wenigſtens in den Colleges den größten Theil der Schüler, ohne dennoch den ſtändiſchen und ſtiftungs- mäßigen Charakter der Körperſchaften ſelber zu ändern. Eine ſpeciellere Darſtellung dieſer Verhältniſſe jedoch kann nur durch die Statuten jeder Körperſchaft gegeben werden. Es iſt hier wenig anders gleich als das Princip. Und auch dieß wird erſt ganz verſtändlich in ſeiner Verbin- dung mit dem Folgenden. Zweitens hat ſich auf derſelben Grundlage auch der Bildungs- gang und das Lehrweſen beſtimmt. Vor allem ſind dieſe Körperſchaften grundſätzlich von jeder wirthſchaftlichen Vorbildung entfernt und be- ſchränken ſich ſtrenge auf die claſſiſche Bildung. Den Lehrgang ſelbſt, ſpeciell in den Colleges, hat Schöll erſchöpfend mitgetheilt. Ferner ergibt ſich, da keine ſtaatliche Prüfung und keine Verwendung des Ge- lernten in einem Amte ſtattfindet, daß der Unterſchied zwiſchen Colleges und Universities zwar der Idee nach der einer Vorbildungs- und Fach- bildungsanſtalt iſt, daß aber dieſer Unterſchied gar nicht zur wirklichen Geltung kommt, ſondern die University, auf welche die Studenten be- reits mit dem vierzehnten Jahre aufgenommen werden können, ſelbſt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/356>, abgerufen am 27.11.2024.