Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.aber nicht alles. Sie leistet das Gewaltige; aber gerade im Berufs- II. Grundzüge desselben. In der That nämlich ergeben sich nun, wenn man Gestalt und England ist dasjenige Land, in welchem die beiden großen Grund- aber nicht alles. Sie leiſtet das Gewaltige; aber gerade im Berufs- II. Grundzüge deſſelben. In der That nämlich ergeben ſich nun, wenn man Geſtalt und England iſt dasjenige Land, in welchem die beiden großen Grund- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0352" n="324"/> aber nicht alles. Sie leiſtet das Gewaltige; aber gerade im Berufs-<lb/> weſen kommt ſie den Völkern ſehr theuer zu ſtehen. <hi rendition="#g">Nicht darin</hi><lb/> liegt der Mangel der deutſchen Bildung, daß ſie iſt wie ſie iſt, ſondern<lb/> darin, daß <hi rendition="#g">Offentlichkeit, Selbſtverwaltung und Volksver-<lb/> tretung neben derſelben noch nicht ſo weit fortgeſchritten<lb/> ſind, als in England</hi>. Wenn dieß der Fall ſein wird, werden wir<lb/> neben dem Guten das Beſte haben, neben dem unerſchöpflichen Stoffe<lb/> und der Gleichheit in der Berufung aller zu ſeiner Benützung die<lb/> geſunde Kraft, ihn zu verarbeiten und zu beleben. Nicht daß der Staat<lb/> ſich ſo ernſtlich des Bildungsweſens annimmt, iſt das Bedenkliche,<lb/> ſondern daß er ſich noch zu ſehr zum Vormund macht, und noch zu<lb/> wenig Anlaß bietet, das öffentliche Leben über das entſcheiden zu laſſen,<lb/> was zuletzt denn doch nicht für die Gelehrſamkeit, ſondern für das Volks-<lb/> leben ſelbſt gelernt wird. Wir glauben daher, daß die Vergleichung<lb/> mit England das deutſche Berufsbildungsweſen nicht reformiren, ſondern<lb/> daß ſie nur auf das einzige Element hinweiſen ſoll, das demſelben noch<lb/> fehlt und ohne welches das erſtere nun einmal ſchlechterdings nicht ver-<lb/> ſtanden werden kann.</p> </div><lb/> <div n="6"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Grundzüge deſſelben.</hi> </head><lb/> <p>In der That nämlich ergeben ſich nun, wenn man Geſtalt und<lb/> Inhalt des engliſchen Berufsbildungsweſens auf die geſellſchaftlichen<lb/> Elemente des engliſchen Volkes zurückführt, folgende Grundzüge deſſelben.</p><lb/> <p>England iſt dasjenige Land, in welchem die beiden großen Grund-<lb/> formen der geſellſchaftlichen Ordnung, die ſtändiſche und die ſtaats-<lb/> bürgerliche, neben einander ſtehen, zwar nicht ohne Vermittlung, aber<lb/> ihrem Kerne nach noch vollkommen ſelbſtändig. Die letztere iſt mit<lb/> ihrem großen Princip der bürgerlichen Freiheit und Gleichheit niemals<lb/> untergegangen; aber es läßt ſich nicht verkennen, daß die Elemente<lb/> der erſtern bis zu unſerm Jahrhundert die herrſchenden geweſen ſind,<lb/> und daß erſt in unſerm Jahrhundert die letztere die Kraft gewonnen<lb/> hat, über die Gränzen der Städte und des gewerblichen Lebens hinaus<lb/> zu gehen, und das <hi rendition="#g">ganze</hi> Volk zu durchdringen. Und da nun jede<lb/> geſellſchaftliche Ordnung ihr eigenthümliches Berufsbildungsweſen er-<lb/> zeugt, ſo ſehen wir in England, wo die Staatsgewalt nicht wie auf<lb/> dem Continent dieſe Unterſchiede mit einem großen, allgemein ſtaat-<lb/> lichen Berufsbildungsweſen überdeckt, bis zum Ende des vorigen Jahr-<lb/> hunderts nur <hi rendition="#g">Ein</hi> Berufsbildungsweſen, das der herrſchenden Klaſſe,<lb/> in den <hi rendition="#aq">Colleges</hi> und der <hi rendition="#aq">University</hi> gelten, dem jede ſpecielle Fach-<lb/> bildung, jedes öffentlich rechtliche Prüfungsweſen, jede Forderung eines<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [324/0352]
aber nicht alles. Sie leiſtet das Gewaltige; aber gerade im Berufs-
weſen kommt ſie den Völkern ſehr theuer zu ſtehen. Nicht darin
liegt der Mangel der deutſchen Bildung, daß ſie iſt wie ſie iſt, ſondern
darin, daß Offentlichkeit, Selbſtverwaltung und Volksver-
tretung neben derſelben noch nicht ſo weit fortgeſchritten
ſind, als in England. Wenn dieß der Fall ſein wird, werden wir
neben dem Guten das Beſte haben, neben dem unerſchöpflichen Stoffe
und der Gleichheit in der Berufung aller zu ſeiner Benützung die
geſunde Kraft, ihn zu verarbeiten und zu beleben. Nicht daß der Staat
ſich ſo ernſtlich des Bildungsweſens annimmt, iſt das Bedenkliche,
ſondern daß er ſich noch zu ſehr zum Vormund macht, und noch zu
wenig Anlaß bietet, das öffentliche Leben über das entſcheiden zu laſſen,
was zuletzt denn doch nicht für die Gelehrſamkeit, ſondern für das Volks-
leben ſelbſt gelernt wird. Wir glauben daher, daß die Vergleichung
mit England das deutſche Berufsbildungsweſen nicht reformiren, ſondern
daß ſie nur auf das einzige Element hinweiſen ſoll, das demſelben noch
fehlt und ohne welches das erſtere nun einmal ſchlechterdings nicht ver-
ſtanden werden kann.
II. Grundzüge deſſelben.
In der That nämlich ergeben ſich nun, wenn man Geſtalt und
Inhalt des engliſchen Berufsbildungsweſens auf die geſellſchaftlichen
Elemente des engliſchen Volkes zurückführt, folgende Grundzüge deſſelben.
England iſt dasjenige Land, in welchem die beiden großen Grund-
formen der geſellſchaftlichen Ordnung, die ſtändiſche und die ſtaats-
bürgerliche, neben einander ſtehen, zwar nicht ohne Vermittlung, aber
ihrem Kerne nach noch vollkommen ſelbſtändig. Die letztere iſt mit
ihrem großen Princip der bürgerlichen Freiheit und Gleichheit niemals
untergegangen; aber es läßt ſich nicht verkennen, daß die Elemente
der erſtern bis zu unſerm Jahrhundert die herrſchenden geweſen ſind,
und daß erſt in unſerm Jahrhundert die letztere die Kraft gewonnen
hat, über die Gränzen der Städte und des gewerblichen Lebens hinaus
zu gehen, und das ganze Volk zu durchdringen. Und da nun jede
geſellſchaftliche Ordnung ihr eigenthümliches Berufsbildungsweſen er-
zeugt, ſo ſehen wir in England, wo die Staatsgewalt nicht wie auf
dem Continent dieſe Unterſchiede mit einem großen, allgemein ſtaat-
lichen Berufsbildungsweſen überdeckt, bis zum Ende des vorigen Jahr-
hunderts nur Ein Berufsbildungsweſen, das der herrſchenden Klaſſe,
in den Colleges und der University gelten, dem jede ſpecielle Fach-
bildung, jedes öffentlich rechtliche Prüfungsweſen, jede Forderung eines
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |