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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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gleichartigen Einrichtung mit professeurs und repetiteurs, aber es
wird zur Errichtung solcher Schulen gar kein Fähigkeitszeugniß mehr
gefordert. Der Staat wie die Gemeinden können diese Anstalten
unterstützen; genauere Vorschriften darüber bei Jourdain S. 82 ff.
Statistik und andere genauere Nachrichten fehlen.

IV. Die geistliche Vorbildung wird nur in den petits seminaires
gegeben. Das Recht derselben hat vielfach gewechselt. Durch Decret
vom 8. April 1809 und vom 15. November 1811 werden sie der
Universite untergeordnet; 1814 davon zum größten Theil befreit; nach
der Verordnung vom 16. Juni 1828 durften sie nur 20,000 Schüler(!)
haben. Das Gesetz von 1850 hat sie nun so vollständig "frei" gemacht,
daß weder ihre Zahl beschränkt ist, noch irgend eine Vorschrift über
die Bildung ihrer Lehrer besteht; der Staat hat sich zwar die Ober-
aufsicht vorbehalten, aber dieselbe bezieht sich gar nicht mehr auf die
Lehrordnung und die innere Verwaltung, sondern "comme celle de
toutes les ecoles libres en general, elle porte essentiellement sur
la moralite, l'hygiene et la salubrite,"
und für diese Oberaufsicht
ist durch die Verordnung vom 10. Mai 1851 vorgeschrieben, daß die
Inspecteurs de l'Universite sich vorher mit dem Bischof als Haupt
der Schule über die vorzunehmende Inspektion zu verständigen haben.
Das ist die allerdings vollkommene liberte de l'enseignement des Ge-
setzes von 1850.

Im Allgemeinen ist auch das Urtheil der Franzosen selbst über
ihre Instruction secondaire kein günstiges. So sagt Charles Read
bei Block Dict. de la Politique, v. Instruction publ.: "On peut donc
affirmer qu'en ce qui concerne l'enseignement secondaire l'elan
rapide qui avait suivi la revolution de 1830 ne s'est point main-
tenu a partir de 1850 et de 1851; c'est surtout dans les hautes
classes de nos lycees et de nos colleges que cette observation s'est
fait sentir et meme revet un charactere absolu."
Bücheler hat
die didaktischen Gründe dafür gut dargelegt; die wahre Ursache liegt
tiefer und kann ohne das unglückliche System der Facultes nicht ver-
standen werden. Statistisch wird von Read angegeben, daß die Schüler-
zahl der 75 Lycees impereaux 1864 24,000 Schüler, der Colleges
communaux
25,000, und der Etablissements libres 64,000 Schüler
gewesen sind; bedeutsame Zahlen für den Charakter dieser drei Grund-
formen des wissenschaftlichen Vorbildungswesens.

-- Das hier bezeichnete Bifurcationssystem Fortouls hat nun auch
dem Namen nach das ganze französische Vorbildungswesen beherrscht,
und im Grunde weder die wissenschaftliche, noch die wirthschaftliche
Vorbildung zu einem gedeihlichen Resultat kommen lassen. Das

Stein, die Verwaltungslehre. V. 20

gleichartigen Einrichtung mit professeurs und répétiteurs, aber es
wird zur Errichtung ſolcher Schulen gar kein Fähigkeitszeugniß mehr
gefordert. Der Staat wie die Gemeinden können dieſe Anſtalten
unterſtützen; genauere Vorſchriften darüber bei Jourdain S. 82 ff.
Statiſtik und andere genauere Nachrichten fehlen.

IV. Die geiſtliche Vorbildung wird nur in den pétits séminaires
gegeben. Das Recht derſelben hat vielfach gewechſelt. Durch Decret
vom 8. April 1809 und vom 15. November 1811 werden ſie der
Université untergeordnet; 1814 davon zum größten Theil befreit; nach
der Verordnung vom 16. Juni 1828 durften ſie nur 20,000 Schüler(!)
haben. Das Geſetz von 1850 hat ſie nun ſo vollſtändig „frei“ gemacht,
daß weder ihre Zahl beſchränkt iſt, noch irgend eine Vorſchrift über
die Bildung ihrer Lehrer beſteht; der Staat hat ſich zwar die Ober-
aufſicht vorbehalten, aber dieſelbe bezieht ſich gar nicht mehr auf die
Lehrordnung und die innere Verwaltung, ſondern „comme celle de
toutes les écoles libres en général, elle porte essentiellement sur
la moralité, l’hygiène et la salubrité,“
und für dieſe Oberaufſicht
iſt durch die Verordnung vom 10. Mai 1851 vorgeſchrieben, daß die
Inspecteurs de l’Université ſich vorher mit dem Biſchof als Haupt
der Schule über die vorzunehmende Inſpektion zu verſtändigen haben.
Das iſt die allerdings vollkommene liberté de l’enseignement des Ge-
ſetzes von 1850.

Im Allgemeinen iſt auch das Urtheil der Franzoſen ſelbſt über
ihre Instruction sécondaire kein günſtiges. So ſagt Charles Read
bei Block Dict. de la Politique, v. Instruction publ.: „On peut donc
affirmer qu’en ce qui concerne l’enseignement secondaire l’élan
rapide qui avait suivi la révolution de 1830 ne s’est point main-
tenu à partir de 1850 et de 1851; c’est surtout dans les hautes
classes de nos lycées et de nos collèges que cette observation s’est
fait sentir et même revêt un charactère absolu.“
Bücheler hat
die didaktiſchen Gründe dafür gut dargelegt; die wahre Urſache liegt
tiefer und kann ohne das unglückliche Syſtem der Facultés nicht ver-
ſtanden werden. Statiſtiſch wird von Read angegeben, daß die Schüler-
zahl der 75 Lycées impereaux 1864 24,000 Schüler, der Collèges
communaux
25,000, und der Etablissements libres 64,000 Schüler
geweſen ſind; bedeutſame Zahlen für den Charakter dieſer drei Grund-
formen des wiſſenſchaftlichen Vorbildungsweſens.

— Das hier bezeichnete Bifurcationsſyſtem Fortouls hat nun auch
dem Namen nach das ganze franzöſiſche Vorbildungsweſen beherrſcht,
und im Grunde weder die wiſſenſchaftliche, noch die wirthſchaftliche
Vorbildung zu einem gedeihlichen Reſultat kommen laſſen. Das

Stein, die Verwaltungslehre. V. 20
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[305/0333] gleichartigen Einrichtung mit professeurs und répétiteurs, aber es wird zur Errichtung ſolcher Schulen gar kein Fähigkeitszeugniß mehr gefordert. Der Staat wie die Gemeinden können dieſe Anſtalten unterſtützen; genauere Vorſchriften darüber bei Jourdain S. 82 ff. Statiſtik und andere genauere Nachrichten fehlen. IV. Die geiſtliche Vorbildung wird nur in den pétits séminaires gegeben. Das Recht derſelben hat vielfach gewechſelt. Durch Decret vom 8. April 1809 und vom 15. November 1811 werden ſie der Université untergeordnet; 1814 davon zum größten Theil befreit; nach der Verordnung vom 16. Juni 1828 durften ſie nur 20,000 Schüler(!) haben. Das Geſetz von 1850 hat ſie nun ſo vollſtändig „frei“ gemacht, daß weder ihre Zahl beſchränkt iſt, noch irgend eine Vorſchrift über die Bildung ihrer Lehrer beſteht; der Staat hat ſich zwar die Ober- aufſicht vorbehalten, aber dieſelbe bezieht ſich gar nicht mehr auf die Lehrordnung und die innere Verwaltung, ſondern „comme celle de toutes les écoles libres en général, elle porte essentiellement sur la moralité, l’hygiène et la salubrité,“ und für dieſe Oberaufſicht iſt durch die Verordnung vom 10. Mai 1851 vorgeſchrieben, daß die Inspecteurs de l’Université ſich vorher mit dem Biſchof als Haupt der Schule über die vorzunehmende Inſpektion zu verſtändigen haben. Das iſt die allerdings vollkommene liberté de l’enseignement des Ge- ſetzes von 1850. Im Allgemeinen iſt auch das Urtheil der Franzoſen ſelbſt über ihre Instruction sécondaire kein günſtiges. So ſagt Charles Read bei Block Dict. de la Politique, v. Instruction publ.: „On peut donc affirmer qu’en ce qui concerne l’enseignement secondaire l’élan rapide qui avait suivi la révolution de 1830 ne s’est point main- tenu à partir de 1850 et de 1851; c’est surtout dans les hautes classes de nos lycées et de nos collèges que cette observation s’est fait sentir et même revêt un charactère absolu.“ Bücheler hat die didaktiſchen Gründe dafür gut dargelegt; die wahre Urſache liegt tiefer und kann ohne das unglückliche Syſtem der Facultés nicht ver- ſtanden werden. Statiſtiſch wird von Read angegeben, daß die Schüler- zahl der 75 Lycées impereaux 1864 24,000 Schüler, der Collèges communaux 25,000, und der Etablissements libres 64,000 Schüler geweſen ſind; bedeutſame Zahlen für den Charakter dieſer drei Grund- formen des wiſſenſchaftlichen Vorbildungsweſens. — Das hier bezeichnete Bifurcationsſyſtem Fortouls hat nun auch dem Namen nach das ganze franzöſiſche Vorbildungsweſen beherrſcht, und im Grunde weder die wiſſenſchaftliche, noch die wirthſchaftliche Vorbildung zu einem gedeihlichen Reſultat kommen laſſen. Das Stein, die Verwaltungslehre. V. 20

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/333>, abgerufen am 24.11.2024.