für das ganze Vorbildungswesen durch seineLycees zu genügen. Es wurde daher den Gemeinden das Recht gegeben, eigene höhere Schulen auf eigene Kosten zu errichten, wenn sie die Existenz derselben aus eigenen Mitteln auf zehn Jahre sichern wollten (Gesetz vom 11. Flor. an X.). Allein die Staatsverwaltung behielt sich trotzdem die ge- sammte Verwaltung dieser Colleges communaux vor, und stellte sie in jeder Beziehung unter die Universite, so daß der Recteur und Prefet in der Academie ganz dieselben Rechte in Beziehung auf An- stellung und Entlassung der Lehrer, Lehrordnung und Prüfung hat, wie bei den Lyceen (die deßhalb auch oft Colleges royaux oder im- periaux genannt werden). Das Gesetz vom 15. März 1850 hat diese Verhältnisse geregelt, und dem Recteur das Recht gegeben, auch das Bureau d'administration einseitig zu ernennen, so daß die letzte Spur der freien Selbstthätigkeit der Gemeinde daraus verschwunden ist. Die Commune hat somit nur noch die Last zu tragen, ohne ein Recht zu besitzen. Die Folge davon ist, daß ihre Zahl sich beständig vermindert; 1850 waren noch 306, jetzt sind nur noch 255 vorhanden. Alle Ver- suche, die verständigen Grundsätze des Gesetzes für das Elementar- schulwesen von 1833 darauf zu übertragen, sind gescheitert. Dennoch enthielten sie die Möglichkeit, durch die Theilnahme der Selbstverwal- tung ein selbständiges System der wirthschaftlichen Vorbildung im Realschulwesen ins Leben zu rufen. Das ist nun abgeschlossen. Sie sind einfache und noch dazu unvollkommene Lyceen geworden; die cen- trale Bureaukratie hat auch hier über das Bürgerthum den Sieg da- von getragen. Die nächste formelle Folge davon ist nun eine große Ungleichmäßigkeit ihrer Organisation. Einige sind fast vollständige Lyceen; einige haben, indem sie auch etwas klassische Vorbildung ent- halten, den Charakter von Realgymnasien angestrebt; noch andere sind fast ganz auf dem Standpunkt der Realschulen. Prüfungen bei ihnen wie bei den Lyceen; allein da die Universite die ganze Ver- waltung in ihre Hände genommen, so geht das an sich sehr gute In- stitut zu Grunde (s. oben). Specialschulen sind das College Chaptal (Paris); Ecole Turgot (ebendas.). Die Darstellung der Lehrordnung bei Bücheler a. a. O. S. 482--87.
III. Ecoles secondaires libres. Die Privatschulen für die Vorbil- dung waren unter Napoleon I. entweder Lehranstalten oder Pensionate; das Recht der öffentlichen Schulen bestand in der Berechtigung zur Maturitätsprüfung (baccalaureat) vorzubereiten (institution en plein exercice). Das Gesetz vom 15. März 1850 hat dagegen alle diese Schulen gleichgestellt, indem es für alle dieselben Voraussetzungen fordert. Diese sind im Wesentlichen die Forderung einer den Lyceen
für das ganze Vorbildungsweſen durch ſeineLycées zu genügen. Es wurde daher den Gemeinden das Recht gegeben, eigene höhere Schulen auf eigene Koſten zu errichten, wenn ſie die Exiſtenz derſelben aus eigenen Mitteln auf zehn Jahre ſichern wollten (Geſetz vom 11. Flor. an X.). Allein die Staatsverwaltung behielt ſich trotzdem die ge- ſammte Verwaltung dieſer Collèges communaux vor, und ſtellte ſie in jeder Beziehung unter die Université, ſo daß der Recteur und Préfet in der Académie ganz dieſelben Rechte in Beziehung auf An- ſtellung und Entlaſſung der Lehrer, Lehrordnung und Prüfung hat, wie bei den Lyceen (die deßhalb auch oft Collèges royaux oder im- périaux genannt werden). Das Geſetz vom 15. März 1850 hat dieſe Verhältniſſe geregelt, und dem Recteur das Recht gegeben, auch das Bureau d’administration einſeitig zu ernennen, ſo daß die letzte Spur der freien Selbſtthätigkeit der Gemeinde daraus verſchwunden iſt. Die Commune hat ſomit nur noch die Laſt zu tragen, ohne ein Recht zu beſitzen. Die Folge davon iſt, daß ihre Zahl ſich beſtändig vermindert; 1850 waren noch 306, jetzt ſind nur noch 255 vorhanden. Alle Ver- ſuche, die verſtändigen Grundſätze des Geſetzes für das Elementar- ſchulweſen von 1833 darauf zu übertragen, ſind geſcheitert. Dennoch enthielten ſie die Möglichkeit, durch die Theilnahme der Selbſtverwal- tung ein ſelbſtändiges Syſtem der wirthſchaftlichen Vorbildung im Realſchulweſen ins Leben zu rufen. Das iſt nun abgeſchloſſen. Sie ſind einfache und noch dazu unvollkommene Lyceen geworden; die cen- trale Bureaukratie hat auch hier über das Bürgerthum den Sieg da- von getragen. Die nächſte formelle Folge davon iſt nun eine große Ungleichmäßigkeit ihrer Organiſation. Einige ſind faſt vollſtändige Lyceen; einige haben, indem ſie auch etwas klaſſiſche Vorbildung ent- halten, den Charakter von Realgymnaſien angeſtrebt; noch andere ſind faſt ganz auf dem Standpunkt der Realſchulen. Prüfungen bei ihnen wie bei den Lyceen; allein da die Université die ganze Ver- waltung in ihre Hände genommen, ſo geht das an ſich ſehr gute In- ſtitut zu Grunde (ſ. oben). Specialſchulen ſind das Collège Chaptal (Paris); École Turgot (ebendaſ.). Die Darſtellung der Lehrordnung bei Bücheler a. a. O. S. 482—87.
III. Écoles secondaires libres. Die Privatſchulen für die Vorbil- dung waren unter Napoleon I. entweder Lehranſtalten oder Penſionate; das Recht der öffentlichen Schulen beſtand in der Berechtigung zur Maturitätsprüfung (baccalauréat) vorzubereiten (institution en plein exercice). Das Geſetz vom 15. März 1850 hat dagegen alle dieſe Schulen gleichgeſtellt, indem es für alle dieſelben Vorausſetzungen fordert. Dieſe ſind im Weſentlichen die Forderung einer den Lyceen
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wurde daher den Gemeinden das Recht gegeben, eigene höhere Schulen
auf eigene Koſten zu errichten, wenn ſie die Exiſtenz derſelben aus
eigenen Mitteln auf zehn Jahre ſichern wollten (Geſetz vom 11. Flor.
an X.). Allein die Staatsverwaltung behielt ſich trotzdem die ge-
ſammte Verwaltung dieſer Collèges communaux vor, und ſtellte
ſie in jeder Beziehung unter die Université, ſo daß der Recteur und
Préfet in der Académie ganz dieſelben Rechte in Beziehung auf An-
ſtellung und Entlaſſung der Lehrer, Lehrordnung und Prüfung hat,
wie bei den Lyceen (die deßhalb auch oft Collèges royaux oder im-
périaux genannt werden). Das Geſetz vom 15. März 1850 hat dieſe
Verhältniſſe geregelt, und dem Recteur das Recht gegeben, auch das
Bureau d’administration einſeitig zu ernennen, ſo daß die letzte Spur
der freien Selbſtthätigkeit der Gemeinde daraus verſchwunden iſt. Die
Commune hat ſomit nur noch die Laſt zu tragen, ohne ein Recht zu
beſitzen. Die Folge davon iſt, daß ihre Zahl ſich beſtändig vermindert;
1850 waren noch 306, jetzt ſind nur noch 255 vorhanden. Alle Ver-
ſuche, die verſtändigen Grundſätze des Geſetzes für das Elementar-
ſchulweſen von 1833 darauf zu übertragen, ſind geſcheitert. Dennoch
enthielten ſie die Möglichkeit, durch die Theilnahme der Selbſtverwal-
tung ein ſelbſtändiges Syſtem der wirthſchaftlichen Vorbildung im
Realſchulweſen ins Leben zu rufen. Das iſt nun abgeſchloſſen. Sie
ſind einfache und noch dazu unvollkommene Lyceen geworden; die cen-
trale Bureaukratie hat auch hier über das Bürgerthum den Sieg da-
von getragen. Die nächſte formelle Folge davon iſt nun eine große
Ungleichmäßigkeit ihrer Organiſation. Einige ſind faſt vollſtändige
Lyceen; einige haben, indem ſie auch etwas klaſſiſche Vorbildung ent-
halten, den Charakter von Realgymnaſien angeſtrebt; noch andere
ſind faſt ganz auf dem Standpunkt der Realſchulen. Prüfungen
bei ihnen wie bei den Lyceen; allein da die Université die ganze Ver-
waltung in ihre Hände genommen, ſo geht das an ſich ſehr gute In-
ſtitut zu Grunde (ſ. oben). Specialſchulen ſind das Collège Chaptal
(Paris); École Turgot (ebendaſ.). Die Darſtellung der Lehrordnung
bei Bücheler a. a. O. S. 482—87.
III. Écoles secondaires libres. Die Privatſchulen für die Vorbil-
dung waren unter Napoleon I. entweder Lehranſtalten oder Penſionate;
das Recht der öffentlichen Schulen beſtand in der Berechtigung
zur Maturitätsprüfung (baccalauréat) vorzubereiten (institution en
plein exercice). Das Geſetz vom 15. März 1850 hat dagegen alle
dieſe Schulen gleichgeſtellt, indem es für alle dieſelben Vorausſetzungen
fordert. Dieſe ſind im Weſentlichen die Forderung einer den Lyceen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/332>, abgerufen am 16.07.2024.
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