Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.I. Lycees. Daß in diesem System die Lycees die Hauptsache I. Lycées. Daß in dieſem Syſtem die Lycées die Hauptſache <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <pb facs="#f0328" n="300"/> <p><hi rendition="#aq">I. <hi rendition="#i">Lycées</hi>.</hi> Daß in dieſem Syſtem die <hi rendition="#aq">Lycées</hi> die Hauptſache<lb/> bilden, iſt klar. Allein gerade ſie zeigen, wie höchſt unvollkommen das<lb/> ganze Vorbildungsweſen Frankreichs iſt, und zwar ganz abgeſehen von<lb/> dem Princip der Bifurcation. Denn in der That reichen ſie nicht ein-<lb/> mal der Zahl nach aus. Ins Leben gerufen durch das Geſetz vom<lb/> 11. <hi rendition="#aq">Flor. an X.</hi> ſollte wenigſtens <hi rendition="#g">Ein</hi> Lyceum für jedes Depar-<lb/> tement aufgeſtellt werden); — aber das iſt noch nicht einmal gegen-<lb/> wärtig erreicht! (1809 35 Lyceen, 1859 erſt 68, jetzt 75). Eben ſo<lb/> wenig haben die <hi rendition="#aq">Collèges communaux</hi> dieſen Mangel erſetzen können.<lb/> Das Geſetz von 1852 wiederholte den Beſchluß, wenigſtens Eins in<lb/> jedem Departement herzuſtellen; wie geſagt, blieb auch dieß ohne Er-<lb/> folg. Der Gang der Bildung <hi rendition="#g">in</hi> den Lyceen iſt übrigens für das<lb/> ganze geiſtige Leben Frankreichs von Intereſſe. Die Lehrordnung be-<lb/> ginnt nach dem Geſetz von 1802 noch mit der ſtrengen alten ſemina-<lb/> riſtiſchen Bildung (<hi rendition="#aq">Cours des langues anciennes</hi> und <hi rendition="#aq">rhétorique</hi>).<lb/> Allmälig ward dann das Bedürfniß nach praktiſcher Bildung um ſo<lb/> lebhafter, als die <hi rendition="#aq">Facultés</hi> mit ihrer ganz beſchränkten Fachbildung<lb/> der klaſſiſchen Vorbildung nur geringen Werth gaben. Dabei zugleich<lb/> rief die Vergleichung mit dem deutſchen Realſchulweſen das Streben<lb/> nach etwas Aehnlichem hervor. So entſtand das neue Geſetz von 1852<lb/> (Fortoul), welches das Bifurcationsſyſtem in der dritten Abtheilung<lb/> durchführt, indem es die wirthſchaftliche Bildung unter dem Namen<lb/> der <hi rendition="#aq">sciences</hi> von der wiſſenſchaftlichen oder <hi rendition="#aq">lettres</hi> im Unterricht ſchei-<lb/> det, während es ſie in der Anſtalt ſelbſt formell und materiell bei-<lb/> ſammen läßt. Da nun das Lyceum auf <hi rendition="#aq">Pensionnats</hi> gegründet iſt,<lb/> ſo iſt das Lyceum dadurch die <hi rendition="#g">Vorbildungsanſtalt der geſamm-<lb/> ten beſitzenden Klaſſe für alle Berufszweige geworden</hi>.<lb/> In dieſem Sinne nimmt es in der unterſten Klaſſe faſt ſchon den<lb/> Elementarunterricht auf, die <hi rendition="#aq">Instruction primaire</hi> das <hi rendition="#aq">Peuple</hi> erſetzend;<lb/> in der zweiten Klaſſe (<hi rendition="#aq">division de grammaire</hi>) die allgemeine, zugleich<lb/> klaſſiſche Vorbildung, und in der dritten (<hi rendition="#aq">division supérieure</hi>) dann<lb/> die beiden Richtungen. Der Mangel an Lyceen hat nun nicht bloß<lb/> die <hi rendition="#aq">Écoles des particuliers</hi> hervorgerufen, ſondern iſt auch die Urſache<lb/> der Entſtehung der theilweiſe vorkommenden ſogenannten <hi rendition="#aq">Écoles pri-<lb/> maires <hi rendition="#i">supérieures</hi>,</hi> welche im Grunde nur die erſte Lyceumsklaſſe mit<lb/> einem Theil der zweiten ſelbſtändig als die eigentliche höhere Bürger-<lb/> ſchule bildet. Durch die natürliche Concurrenz mit den Lyceen haben<lb/> ſie nicht gedeihen können; das Geſetz vom 15. März 1850 nimmt ihnen<lb/> den Charakter der öffentlichen Schulen, und geſtattet ſie nur (Bücheler<lb/> bei Schmid S. 487). Sie ſind nach <hi rendition="#g">Jourdain</hi> (bei Block: <hi rendition="#aq">In-<lb/> struction primaire art.</hi> 139) als <hi rendition="#aq">Écoles spéciales, professionelles,<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [300/0328]
I. Lycées. Daß in dieſem Syſtem die Lycées die Hauptſache
bilden, iſt klar. Allein gerade ſie zeigen, wie höchſt unvollkommen das
ganze Vorbildungsweſen Frankreichs iſt, und zwar ganz abgeſehen von
dem Princip der Bifurcation. Denn in der That reichen ſie nicht ein-
mal der Zahl nach aus. Ins Leben gerufen durch das Geſetz vom
11. Flor. an X. ſollte wenigſtens Ein Lyceum für jedes Depar-
tement aufgeſtellt werden); — aber das iſt noch nicht einmal gegen-
wärtig erreicht! (1809 35 Lyceen, 1859 erſt 68, jetzt 75). Eben ſo
wenig haben die Collèges communaux dieſen Mangel erſetzen können.
Das Geſetz von 1852 wiederholte den Beſchluß, wenigſtens Eins in
jedem Departement herzuſtellen; wie geſagt, blieb auch dieß ohne Er-
folg. Der Gang der Bildung in den Lyceen iſt übrigens für das
ganze geiſtige Leben Frankreichs von Intereſſe. Die Lehrordnung be-
ginnt nach dem Geſetz von 1802 noch mit der ſtrengen alten ſemina-
riſtiſchen Bildung (Cours des langues anciennes und rhétorique).
Allmälig ward dann das Bedürfniß nach praktiſcher Bildung um ſo
lebhafter, als die Facultés mit ihrer ganz beſchränkten Fachbildung
der klaſſiſchen Vorbildung nur geringen Werth gaben. Dabei zugleich
rief die Vergleichung mit dem deutſchen Realſchulweſen das Streben
nach etwas Aehnlichem hervor. So entſtand das neue Geſetz von 1852
(Fortoul), welches das Bifurcationsſyſtem in der dritten Abtheilung
durchführt, indem es die wirthſchaftliche Bildung unter dem Namen
der sciences von der wiſſenſchaftlichen oder lettres im Unterricht ſchei-
det, während es ſie in der Anſtalt ſelbſt formell und materiell bei-
ſammen läßt. Da nun das Lyceum auf Pensionnats gegründet iſt,
ſo iſt das Lyceum dadurch die Vorbildungsanſtalt der geſamm-
ten beſitzenden Klaſſe für alle Berufszweige geworden.
In dieſem Sinne nimmt es in der unterſten Klaſſe faſt ſchon den
Elementarunterricht auf, die Instruction primaire das Peuple erſetzend;
in der zweiten Klaſſe (division de grammaire) die allgemeine, zugleich
klaſſiſche Vorbildung, und in der dritten (division supérieure) dann
die beiden Richtungen. Der Mangel an Lyceen hat nun nicht bloß
die Écoles des particuliers hervorgerufen, ſondern iſt auch die Urſache
der Entſtehung der theilweiſe vorkommenden ſogenannten Écoles pri-
maires supérieures, welche im Grunde nur die erſte Lyceumsklaſſe mit
einem Theil der zweiten ſelbſtändig als die eigentliche höhere Bürger-
ſchule bildet. Durch die natürliche Concurrenz mit den Lyceen haben
ſie nicht gedeihen können; das Geſetz vom 15. März 1850 nimmt ihnen
den Charakter der öffentlichen Schulen, und geſtattet ſie nur (Bücheler
bei Schmid S. 487). Sie ſind nach Jourdain (bei Block: In-
struction primaire art. 139) als Écoles spéciales, professionelles,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |