Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Unterschiedes bilden die Ausdrücke "lettres" als gelehrte und "scien- Dieß ist im Allgemeinen der Entwicklungsgang. Und jetzt dürfte Nur muß man dabei festhalten, daß während Deutschland grundsätzlich Unterſchiedes bilden die Ausdrücke „lettres“ als gelehrte und „scien- Dieß iſt im Allgemeinen der Entwicklungsgang. Und jetzt dürfte Nur muß man dabei feſthalten, daß während Deutſchland grundſätzlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0320" n="292"/> Unterſchiedes bilden die Ausdrücke <hi rendition="#aq">„lettres“</hi> als gelehrte und <hi rendition="#aq">„scien-<lb/> ces“</hi> als wirthſchaftliche Bildung, ſo daß im Grunde dieſer Sinn des<lb/> letztern Wortes erſt ſeit 1852 in dieſer Weiſe beſtimmt worden iſt.<lb/> Damit war dann der deutſche Gedanke des Realſchulweſens bis zu<lb/> einem gewiſſen Grade verwirklicht, wenn auch in einer weſentlich andern<lb/> Form, ohne die breite Baſis, welche die letztere hat, und namentlich<lb/> ohne die derſelben eigenthümliche Selbſtverwaltung. Scheinbar war<lb/> jetzt Frankreich hier voraus, da es in der <hi rendition="#aq">section des sciences</hi> der<lb/><hi rendition="#aq">Lycées</hi> die Oberrealſchule, und in den <hi rendition="#aq">facultés des sciences</hi> die all-<lb/> gemeine wirthſchaftliche Fachbildungsanſtalt beſaß, nach der Deutſch-<lb/> land noch jetzt vergeblich ſtrebt. In Wirklichkeit freilich war die Sache<lb/> anders, da die <hi rendition="#aq">faculté des sciences</hi> denn doch nicht mehr gibt als<lb/> eine gute deutſche Oberrealſchule, während daneben die Specialfach-<lb/> ſchulen hier wie dort beſtehen bleiben. Der entſcheidende Unterſchied<lb/> freilich beſtand darin, daß dieſe <hi rendition="#aq">sections des sciences,</hi> eben weil ſie<lb/> nur Staatsanſtalten waren, auch nur in derſelben geringen Anzahl<lb/> vorkamen, wie die <hi rendition="#aq">Lycées</hi> ſelbſt, von denen ſie hier einen Theil aus-<lb/> machten, und daß ſomit die wirthſchaftliche Bildung hier immer eine<lb/> ausnahmsweiſe der beſitzenden Klaſſen blieb. Mit der immer energi-<lb/> ſcher hervortretenden Bedeutung des Arbeiterſtandes mußte daher nun<lb/> die wirthſchaftliche Bildungsfrage ſich auch dieſem zuwenden. Der alte<lb/> Gedanke der <hi rendition="#aq">éducation professionelle</hi> ward wieder aufgenommen und<lb/> die Frage entſtand, wie man neben dem Unterricht der <hi rendition="#aq">sciences</hi> nun<lb/> auch einen Arbeiterunterricht herſtellen könne. Man kann im Allge-<lb/> meinen ſagen, daß dieſe Frage ſeit dem Jahr 1860 beſtimmt formulirt<lb/> iſt. Es wird uns nicht verwundern, daß man dabei einerſeits ſich über<lb/> den Unterſchied von Sonntags- und Gewerbeſchulen nicht recht klar iſt,<lb/> und eben ſo wenig, daß man mehr darüber redet, als dafür handelt,<lb/> da die erſte Bedingung, das energiſche Auftreten der Selbſtverwaltung,<lb/> noch fehlt. Man hat es daher auch noch hier zu keiner Geſetzgebung<lb/> gebracht, wie die von 1852 über das franzöſiſche Syſtem des Real-<lb/> ſchulweſens; auch wird man es noch lange bei Einzelunternehmungen<lb/> und allgemeinen Phraſen bewenden laſſen, ſo lange die Gemeinden<lb/> nicht freier ſind; aber die Bahn iſt gebrochen, und aus den gegebenen<lb/> Elementen kann bei ernſterem Erfaſſen der Sache ſich doch mit der Zeit<lb/> ein Reſultat ergeben, das dem deutſchen Leben ſich nähert.</p><lb/> <p>Dieß iſt im Allgemeinen der Entwicklungsgang. Und jetzt dürfte<lb/> es von Werth ſein, die Vergleichung mit Deutſchland auf ein mög-<lb/> lichſt einfaches Schema zurückzuführen, das vielleicht beide am verſtänd-<lb/> lichſten macht.</p><lb/> <p>Nur muß man dabei feſthalten, daß während Deutſchland grundſätzlich<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [292/0320]
Unterſchiedes bilden die Ausdrücke „lettres“ als gelehrte und „scien-
ces“ als wirthſchaftliche Bildung, ſo daß im Grunde dieſer Sinn des
letztern Wortes erſt ſeit 1852 in dieſer Weiſe beſtimmt worden iſt.
Damit war dann der deutſche Gedanke des Realſchulweſens bis zu
einem gewiſſen Grade verwirklicht, wenn auch in einer weſentlich andern
Form, ohne die breite Baſis, welche die letztere hat, und namentlich
ohne die derſelben eigenthümliche Selbſtverwaltung. Scheinbar war
jetzt Frankreich hier voraus, da es in der section des sciences der
Lycées die Oberrealſchule, und in den facultés des sciences die all-
gemeine wirthſchaftliche Fachbildungsanſtalt beſaß, nach der Deutſch-
land noch jetzt vergeblich ſtrebt. In Wirklichkeit freilich war die Sache
anders, da die faculté des sciences denn doch nicht mehr gibt als
eine gute deutſche Oberrealſchule, während daneben die Specialfach-
ſchulen hier wie dort beſtehen bleiben. Der entſcheidende Unterſchied
freilich beſtand darin, daß dieſe sections des sciences, eben weil ſie
nur Staatsanſtalten waren, auch nur in derſelben geringen Anzahl
vorkamen, wie die Lycées ſelbſt, von denen ſie hier einen Theil aus-
machten, und daß ſomit die wirthſchaftliche Bildung hier immer eine
ausnahmsweiſe der beſitzenden Klaſſen blieb. Mit der immer energi-
ſcher hervortretenden Bedeutung des Arbeiterſtandes mußte daher nun
die wirthſchaftliche Bildungsfrage ſich auch dieſem zuwenden. Der alte
Gedanke der éducation professionelle ward wieder aufgenommen und
die Frage entſtand, wie man neben dem Unterricht der sciences nun
auch einen Arbeiterunterricht herſtellen könne. Man kann im Allge-
meinen ſagen, daß dieſe Frage ſeit dem Jahr 1860 beſtimmt formulirt
iſt. Es wird uns nicht verwundern, daß man dabei einerſeits ſich über
den Unterſchied von Sonntags- und Gewerbeſchulen nicht recht klar iſt,
und eben ſo wenig, daß man mehr darüber redet, als dafür handelt,
da die erſte Bedingung, das energiſche Auftreten der Selbſtverwaltung,
noch fehlt. Man hat es daher auch noch hier zu keiner Geſetzgebung
gebracht, wie die von 1852 über das franzöſiſche Syſtem des Real-
ſchulweſens; auch wird man es noch lange bei Einzelunternehmungen
und allgemeinen Phraſen bewenden laſſen, ſo lange die Gemeinden
nicht freier ſind; aber die Bahn iſt gebrochen, und aus den gegebenen
Elementen kann bei ernſterem Erfaſſen der Sache ſich doch mit der Zeit
ein Reſultat ergeben, das dem deutſchen Leben ſich nähert.
Dieß iſt im Allgemeinen der Entwicklungsgang. Und jetzt dürfte
es von Werth ſein, die Vergleichung mit Deutſchland auf ein mög-
lichſt einfaches Schema zurückzuführen, das vielleicht beide am verſtänd-
lichſten macht.
Nur muß man dabei feſthalten, daß während Deutſchland grundſätzlich
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