Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Wahlrecht, aber ohne Lehrerberuf, eine Universität der Gelehrten Hier zuerst entstand die weitere große Frage, wie sich dann die Dieses System hat nun bis zum zweiten Napoleon ausschließlich Unterdessen arbeitete Deutschland in seiner neuen Entwicklung Wahlrecht, aber ohne Lehrerberuf, eine Univerſität der Gelehrten Hier zuerſt entſtand die weitere große Frage, wie ſich dann die Dieſes Syſtem hat nun bis zum zweiten Napoleon ausſchließlich Unterdeſſen arbeitete Deutſchland in ſeiner neuen Entwicklung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0318" n="290"/> Wahlrecht, aber <hi rendition="#g">ohne</hi> Lehrerberuf, eine Univerſität der Gelehrten<lb/> Frankreichs, aber nicht der Studirenden. Und damit denn im fran-<lb/> zöſiſchen Leben noch einem mächtigen germaniſchen Elemente auch in<lb/> der Lehre ſein Ausdruck werde, ließ er das für ſeine franzöſiſche <hi rendition="#aq">Uni-<lb/> versité</hi> ganz anomale <hi rendition="#aq">Collège de France</hi> beſtehen, die einzige Anſtalt,<lb/> in der noch eine freie geiſtige, dem deutſchen Leben ähnliche Be-<lb/> wegung ſtattfinden möge. Alles übrige war in <hi rendition="#aq">Lycées</hi> und <hi rendition="#aq">Facultés</hi><lb/> nach den geographiſchen <hi rendition="#aq">Académies</hi> mit dem <hi rendition="#aq">Recteur</hi> und dem <hi rendition="#aq">Préfet</hi> an<lb/> der Spitze ſtreng bureaukratiſch geordnet, wie wir es früher bereits<lb/> dargeſtellt haben. Das war <hi rendition="#g">und iſt</hi> die Napoleoniſche <hi rendition="#aq">Université.</hi></p><lb/> <p>Hier zuerſt entſtand die weitere große Frage, wie ſich dann die<lb/><hi rendition="#g">wirthſchaftliche</hi> Berufsbildung daneben geſtalten werde. Dabei nun<lb/> darf man nicht vergeſſen, daß es damals auch noch keine ſelbſtändige<lb/> deutſche wirthſchaftliche Berufsbildung gab. Napoleon hatte daher in<lb/> den ſocialen Zuſtänden keinen Anlaß, ſich ihrer anzunehmen, und in<lb/> Deutſchland kein Vorbild, dem er ſich hätte anſchließen können. Er<lb/> ließ ſie daher einfach <hi rendition="#g">ganz aus ſeinem Syſteme weg</hi>. Es ſchien<lb/> vollkommen zu genügen, wenn die ſtärkere Betonung der ſogenannten<lb/> exakten Wiſſenſchaften in den <hi rendition="#aq">Lycées</hi> die allgemeinſte wirthſchaftliche<lb/> Vorbildung darbot. Von Sonntagsſchulen konnte bei dem Zuſtande<lb/> des Elementarunterrichts ohnehin keine Rede ſein, und Gewerbeſchulen<lb/> hätten nur durch Autonomie der Gemeindebehörden errichtet werden<lb/> können; es blieb daher nur übrig für gewiſſe unabweisbare techniſche<lb/> Bedürfniſſe des <hi rendition="#g">Staatsd</hi>ienſtes eine Specialbildung herzuſtellen. Das<lb/> geſchah namentlich in der <hi rendition="#aq">École des ponts et chaussées,</hi> und dann in<lb/> einem dem franzöſiſchen Leben eigenthümlichen Anſchluß an die mili-<lb/> täriſche Fachbildung in der <hi rendition="#aq">École polytechnique</hi> und den <hi rendition="#aq">Écoles militaires.</hi><lb/> Alles übrige ward dem Individuum überlaſſen, und da es dem In-<lb/> dividuum überlaſſen war, ſo geſchah eben gar nichts. Das geſammte<lb/> franzöſiſche Berufsbildungsſyſtem Napoleons ward eine bureaukratiſch<lb/> geordnete <hi rendition="#g">gelehrte</hi> Berufsbildung.</p><lb/> <p>Dieſes Syſtem hat nun bis zum zweiten Napoleon ausſchließlich<lb/> geherrſcht. Nur einmal iſt es in der Zwiſchenzeit unter dem Miniſte-<lb/> rium Guizot erſchüttert worden, aber nur für die Elementarbildung. Die<lb/> gelehrte Bildung blieb ſich gleich, und die wirthſchaftliche hatte <hi rendition="#g">keine</hi><lb/> andere Vertretung als die oben erwähnte der ſehr vereinzelten Fach-<lb/> ſchulen. Von einer allgemein wirthſchaftlichen Berufsbildung war gar<lb/> keine Rede.</p><lb/> <p>Unterdeſſen arbeitete Deutſchland in ſeiner neuen Entwicklung<lb/> ruhig und raſtlos vorwärts. Seine gelehrte Berufsbildung ſtand ohne-<lb/> hin auf feſter Baſis; das was es zu thun hatte, war vor allen Dingen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0318]
Wahlrecht, aber ohne Lehrerberuf, eine Univerſität der Gelehrten
Frankreichs, aber nicht der Studirenden. Und damit denn im fran-
zöſiſchen Leben noch einem mächtigen germaniſchen Elemente auch in
der Lehre ſein Ausdruck werde, ließ er das für ſeine franzöſiſche Uni-
versité ganz anomale Collège de France beſtehen, die einzige Anſtalt,
in der noch eine freie geiſtige, dem deutſchen Leben ähnliche Be-
wegung ſtattfinden möge. Alles übrige war in Lycées und Facultés
nach den geographiſchen Académies mit dem Recteur und dem Préfet an
der Spitze ſtreng bureaukratiſch geordnet, wie wir es früher bereits
dargeſtellt haben. Das war und iſt die Napoleoniſche Université.
Hier zuerſt entſtand die weitere große Frage, wie ſich dann die
wirthſchaftliche Berufsbildung daneben geſtalten werde. Dabei nun
darf man nicht vergeſſen, daß es damals auch noch keine ſelbſtändige
deutſche wirthſchaftliche Berufsbildung gab. Napoleon hatte daher in
den ſocialen Zuſtänden keinen Anlaß, ſich ihrer anzunehmen, und in
Deutſchland kein Vorbild, dem er ſich hätte anſchließen können. Er
ließ ſie daher einfach ganz aus ſeinem Syſteme weg. Es ſchien
vollkommen zu genügen, wenn die ſtärkere Betonung der ſogenannten
exakten Wiſſenſchaften in den Lycées die allgemeinſte wirthſchaftliche
Vorbildung darbot. Von Sonntagsſchulen konnte bei dem Zuſtande
des Elementarunterrichts ohnehin keine Rede ſein, und Gewerbeſchulen
hätten nur durch Autonomie der Gemeindebehörden errichtet werden
können; es blieb daher nur übrig für gewiſſe unabweisbare techniſche
Bedürfniſſe des Staatsdienſtes eine Specialbildung herzuſtellen. Das
geſchah namentlich in der École des ponts et chaussées, und dann in
einem dem franzöſiſchen Leben eigenthümlichen Anſchluß an die mili-
täriſche Fachbildung in der École polytechnique und den Écoles militaires.
Alles übrige ward dem Individuum überlaſſen, und da es dem In-
dividuum überlaſſen war, ſo geſchah eben gar nichts. Das geſammte
franzöſiſche Berufsbildungsſyſtem Napoleons ward eine bureaukratiſch
geordnete gelehrte Berufsbildung.
Dieſes Syſtem hat nun bis zum zweiten Napoleon ausſchließlich
geherrſcht. Nur einmal iſt es in der Zwiſchenzeit unter dem Miniſte-
rium Guizot erſchüttert worden, aber nur für die Elementarbildung. Die
gelehrte Bildung blieb ſich gleich, und die wirthſchaftliche hatte keine
andere Vertretung als die oben erwähnte der ſehr vereinzelten Fach-
ſchulen. Von einer allgemein wirthſchaftlichen Berufsbildung war gar
keine Rede.
Unterdeſſen arbeitete Deutſchland in ſeiner neuen Entwicklung
ruhig und raſtlos vorwärts. Seine gelehrte Berufsbildung ſtand ohne-
hin auf feſter Baſis; das was es zu thun hatte, war vor allen Dingen
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