den öffentlichen Vorbildungsanstalten. Allein vermöge ihres Objekts haben sie dennoch einen andern Charakter. Sie können nicht für jeden Ort hergestellt werden; die Verwaltung kann nicht fordern, daß wie bei den Staatsschulen, jede größere Gemeinde solche Anstalten errichte. Sie müssen daher im engeren Sinne des Wortes Staats- oder Reichs- anstalten sein; der Staat muß ihre Kosten tragen, und muß daher auch ihre Verwaltung leiten. Allein anderseits sind sie doch zugleich wissenschaftliche Lehranstalten. Sie sollen daher an der großen Er- rungenschaft Theil nehmen, welche die Universitäten aus der ständischen Epoche uns erhalten haben, der Selbstverwaltung ihrer geistigen, wissenschaftlichen Funktion durch die eigenen Lehrkörper. In der That treten sie erst damit in den Rang der höchsten Fachbildungs- anstalten ein, und der Hauptbeweis des richtigen Verständnisses ihrer Aufgabe von Seiten der Regierungen Deutschlands besteht eben in der Uebertragung dieses großen Princips des Universitätslebens auf jene wirthschaftlichen Fachbildungsanstalten.
2) Die Fragen des Lehrsystems derselben sind nicht minder be- deutsam. Wir haben drei Hauptpunkte für dieselben zu beweisen.
Der erste Punkt betrifft das Verhältniß vom Systeme der Vor- bildungsanstalten und zwar einmal welche Art, und dann welche Klasse derselben als genügende Vorbereitung angesehen werden soll. Die Antwort ist nach der Natur der Sache einfach. Das ganze Sy- stem der Fortbildungsschulen ist nicht fähig, als Vorbildung für die Fachbildung zu gelten; nur die Realschulen und die Realgymnasien können das Recht zum Eintritt in die letztere geben. Dabei darf man als unzweifelhaft annehmen, daß die Absolvirung der höchsten Klassen der letzteren für die drei letzteren Arten der Fachbildungsschulen ge- fordert werden muß, während die ersten Arten sich mit der Absol- virung der untern Klassen (Unterrealschule als höhere Bürgerschule) begnügen können. Das Eintreten muß im einzelnen Falle bestimmt werden. Auf diese Weise schließt sich hier das System der Fachbildung äußerlich formell ab, und gerade in diesem Sinne sind die Realschulen Vorbildungsanstalten, während sie für alle diejenigen, die nicht in solche Fachbildungsanstalten eintraten, den Abschluß der Bildung dar- bieten. Das bedarf keiner weitern Darlegung.
Der zweite Punkt betrifft den Lehrplan. Der Lehrplan ist auch hier, wie bei der gelehrten Bildung, nicht mehr Angelegenheit des subjektiven Ermessens, denn das zu Lernende enthält die theore- tischen Bedingungen einer öffentlichen Funktion, und die Verwaltung hat daher mit der Pflicht zugleich das Recht, maßgebenden Einfluß auf die Gegenstände und den Gang der Lehre zu nehmen -- ein Recht,
den öffentlichen Vorbildungsanſtalten. Allein vermöge ihres Objekts haben ſie dennoch einen andern Charakter. Sie können nicht für jeden Ort hergeſtellt werden; die Verwaltung kann nicht fordern, daß wie bei den Staatsſchulen, jede größere Gemeinde ſolche Anſtalten errichte. Sie müſſen daher im engeren Sinne des Wortes Staats- oder Reichs- anſtalten ſein; der Staat muß ihre Koſten tragen, und muß daher auch ihre Verwaltung leiten. Allein anderſeits ſind ſie doch zugleich wiſſenſchaftliche Lehranſtalten. Sie ſollen daher an der großen Er- rungenſchaft Theil nehmen, welche die Univerſitäten aus der ſtändiſchen Epoche uns erhalten haben, der Selbſtverwaltung ihrer geiſtigen, wiſſenſchaftlichen Funktion durch die eigenen Lehrkörper. In der That treten ſie erſt damit in den Rang der höchſten Fachbildungs- anſtalten ein, und der Hauptbeweis des richtigen Verſtändniſſes ihrer Aufgabe von Seiten der Regierungen Deutſchlands beſteht eben in der Uebertragung dieſes großen Princips des Univerſitätslebens auf jene wirthſchaftlichen Fachbildungsanſtalten.
2) Die Fragen des Lehrſyſtems derſelben ſind nicht minder be- deutſam. Wir haben drei Hauptpunkte für dieſelben zu beweiſen.
Der erſte Punkt betrifft das Verhältniß vom Syſteme der Vor- bildungsanſtalten und zwar einmal welche Art, und dann welche Klaſſe derſelben als genügende Vorbereitung angeſehen werden ſoll. Die Antwort iſt nach der Natur der Sache einfach. Das ganze Sy- ſtem der Fortbildungsſchulen iſt nicht fähig, als Vorbildung für die Fachbildung zu gelten; nur die Realſchulen und die Realgymnaſien können das Recht zum Eintritt in die letztere geben. Dabei darf man als unzweifelhaft annehmen, daß die Abſolvirung der höchſten Klaſſen der letzteren für die drei letzteren Arten der Fachbildungsſchulen ge- fordert werden muß, während die erſten Arten ſich mit der Abſol- virung der untern Klaſſen (Unterrealſchule als höhere Bürgerſchule) begnügen können. Das Eintreten muß im einzelnen Falle beſtimmt werden. Auf dieſe Weiſe ſchließt ſich hier das Syſtem der Fachbildung äußerlich formell ab, und gerade in dieſem Sinne ſind die Realſchulen Vorbildungsanſtalten, während ſie für alle diejenigen, die nicht in ſolche Fachbildungsanſtalten eintraten, den Abſchluß der Bildung dar- bieten. Das bedarf keiner weitern Darlegung.
Der zweite Punkt betrifft den Lehrplan. Der Lehrplan iſt auch hier, wie bei der gelehrten Bildung, nicht mehr Angelegenheit des ſubjektiven Ermeſſens, denn das zu Lernende enthält die theore- tiſchen Bedingungen einer öffentlichen Funktion, und die Verwaltung hat daher mit der Pflicht zugleich das Recht, maßgebenden Einfluß auf die Gegenſtände und den Gang der Lehre zu nehmen — ein Recht,
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bei den Staatsſchulen, jede größere Gemeinde ſolche Anſtalten errichte.
Sie müſſen daher im engeren Sinne des Wortes Staats- oder Reichs-
anſtalten ſein; der Staat muß ihre Koſten tragen, und muß daher
auch ihre Verwaltung leiten. Allein anderſeits ſind ſie doch zugleich
wiſſenſchaftliche Lehranſtalten. Sie ſollen daher an der großen Er-
rungenſchaft Theil nehmen, welche die Univerſitäten aus der ſtändiſchen
Epoche uns erhalten haben, der Selbſtverwaltung ihrer geiſtigen,
wiſſenſchaftlichen Funktion durch die eigenen Lehrkörper. In der
That treten ſie erſt damit in den Rang der höchſten Fachbildungs-
anſtalten ein, und der Hauptbeweis des richtigen Verſtändniſſes ihrer
Aufgabe von Seiten der Regierungen Deutſchlands beſteht eben in der
Uebertragung dieſes großen Princips des Univerſitätslebens auf jene
wirthſchaftlichen Fachbildungsanſtalten.
2) Die Fragen des Lehrſyſtems derſelben ſind nicht minder be-
deutſam. Wir haben drei Hauptpunkte für dieſelben zu beweiſen.
Der erſte Punkt betrifft das Verhältniß vom Syſteme der Vor-
bildungsanſtalten und zwar einmal welche Art, und dann welche
Klaſſe derſelben als genügende Vorbereitung angeſehen werden ſoll.
Die Antwort iſt nach der Natur der Sache einfach. Das ganze Sy-
ſtem der Fortbildungsſchulen iſt nicht fähig, als Vorbildung für die
Fachbildung zu gelten; nur die Realſchulen und die Realgymnaſien
können das Recht zum Eintritt in die letztere geben. Dabei darf man
als unzweifelhaft annehmen, daß die Abſolvirung der höchſten Klaſſen
der letzteren für die drei letzteren Arten der Fachbildungsſchulen ge-
fordert werden muß, während die erſten Arten ſich mit der Abſol-
virung der untern Klaſſen (Unterrealſchule als höhere Bürgerſchule)
begnügen können. Das Eintreten muß im einzelnen Falle beſtimmt
werden. Auf dieſe Weiſe ſchließt ſich hier das Syſtem der Fachbildung
äußerlich formell ab, und gerade in dieſem Sinne ſind die Realſchulen
Vorbildungsanſtalten, während ſie für alle diejenigen, die nicht in
ſolche Fachbildungsanſtalten eintraten, den Abſchluß der Bildung dar-
bieten. Das bedarf keiner weitern Darlegung.
Der zweite Punkt betrifft den Lehrplan. Der Lehrplan iſt
auch hier, wie bei der gelehrten Bildung, nicht mehr Angelegenheit
des ſubjektiven Ermeſſens, denn das zu Lernende enthält die theore-
tiſchen Bedingungen einer öffentlichen Funktion, und die Verwaltung
hat daher mit der Pflicht zugleich das Recht, maßgebenden Einfluß
auf die Gegenſtände und den Gang der Lehre zu nehmen — ein Recht,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/298>, abgerufen am 16.02.2025.
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