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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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noch im Gebiete des rechtlichen Unterrichtswesens. Der Grund liegt
offenbar in der völligen Unsicherheit der einzelnen Kategorien und Aus-
drücke, die man anwendet, und die eine jede Zusammenstellung zu einem
bloßen Materiale macht, in welchem zwar das Princip, nicht aber der
das Einzelne beherrschende Gedanke klar ist. Dagegen muß in hohem
Grade der Ernst und die tiefgehende Tüchtigkeit anerkannt werden, mit
der die pädagogische Literatur die Sache in ihren einzelnen, vorwiegend
pädagogischen Seiten erfaßt und durchgearbeitet hat. Der tiefe, gründ-
liche und sinnige, für jeden höheren Anklang in edelster Weise empfäng-
liche Geist des deutschen Lehrstandes, dieses Stolzes unseres Volkes, hat
sich hier in glänzender Weise bewährt, und gerade die Verwaltungs-
lehre ist berufen und verpflichtet, dieß auszusprechen. Daß die päda-
gogische Literatur hier nicht zu einem Gesammtresultat gekommen ist,
ist nicht ihre, sondern ist Schuld der Verwaltungslehre. Auch hier
müssen wir der trefflichen Arbeiten in Schmids Encyclopädie rühmend
erwähnen, die bei jedem Artikel über Schul- und Gymnasialwesen das
Bestehende -- leider zuweilen unvollständig, noch öfter ungleichmäßig --
mit aufgenommen haben. Die territorialen Verwaltungsrechte haben
sich nur mit dem formellen Recht beschäftigt. In der Statistik da-
gegen hat Brachelli in seinen Staaten Europas das Verdienst, die
Statistik auch dieser Anstalten zu einem integrirenden Theile der
Staatenkunde gemacht zu haben. Er gibt (Staaten Europas S. 535 ff.)
eine sehr gute Grundlage, auf der weiter gebaut werden wird.

Was nun die einzelnen Staaten betrifft, so mögen hier folgende
Daten genügen, die erst dann rechte Gestalt gewinnen werden, wenn
man über die Grundbegriffe einig sein wird.

Preußen hat das wirthschaftliche Vorbildungswesen zuerst als ein
öffentliches organisirt, wenn gleich auch hier der Unterschied zwischen
der Gewerbe- und der Realschule noch nicht ganz klar geworden ist.
Das System desselben ist folgendes. Das Gewerbeschulwesen da-
tirt bereits seit 1817, wo die ersten Provinzialgewerbeschulen errichtet
wurden, noch unbestimmt und ohne scharfe Gränze, da das Realschul-
wesen noch nicht existirt. Das letztere wird dann durch das Gesetz
vom 8. März 1832 als ein selbständiger Organismus neben den ge-
lehrten und Gewerbeschulen hingestellt mit sechs Klassen, zwei Ordnungen,
(höhere und niedere) Prüfungen und eigenem Lehrerwesen. Von da an
wird es nun nothwendig, das Gewerbeschulwesen dem Realschulwesen
gegenüber klarer zu definiren und zu ordnen. Nachdem die vierziger
Jahre dieß erstere allgemein, und damit das Bedürfniß nach einer solchen
gesetzlichen Ordnung dringend gemacht hat, tritt nun mit den fünfziger
Jahren die betreffende Gesetzgebung ins Leben. Das (Provinzial-)

Stein, die Verwaltungslehre. V. 17

noch im Gebiete des rechtlichen Unterrichtsweſens. Der Grund liegt
offenbar in der völligen Unſicherheit der einzelnen Kategorien und Aus-
drücke, die man anwendet, und die eine jede Zuſammenſtellung zu einem
bloßen Materiale macht, in welchem zwar das Princip, nicht aber der
das Einzelne beherrſchende Gedanke klar iſt. Dagegen muß in hohem
Grade der Ernſt und die tiefgehende Tüchtigkeit anerkannt werden, mit
der die pädagogiſche Literatur die Sache in ihren einzelnen, vorwiegend
pädagogiſchen Seiten erfaßt und durchgearbeitet hat. Der tiefe, gründ-
liche und ſinnige, für jeden höheren Anklang in edelſter Weiſe empfäng-
liche Geiſt des deutſchen Lehrſtandes, dieſes Stolzes unſeres Volkes, hat
ſich hier in glänzender Weiſe bewährt, und gerade die Verwaltungs-
lehre iſt berufen und verpflichtet, dieß auszuſprechen. Daß die päda-
gogiſche Literatur hier nicht zu einem Geſammtreſultat gekommen iſt,
iſt nicht ihre, ſondern iſt Schuld der Verwaltungslehre. Auch hier
müſſen wir der trefflichen Arbeiten in Schmids Encyclopädie rühmend
erwähnen, die bei jedem Artikel über Schul- und Gymnaſialweſen das
Beſtehende — leider zuweilen unvollſtändig, noch öfter ungleichmäßig —
mit aufgenommen haben. Die territorialen Verwaltungsrechte haben
ſich nur mit dem formellen Recht beſchäftigt. In der Statiſtik da-
gegen hat Brachelli in ſeinen Staaten Europas das Verdienſt, die
Statiſtik auch dieſer Anſtalten zu einem integrirenden Theile der
Staatenkunde gemacht zu haben. Er gibt (Staaten Europas S. 535 ff.)
eine ſehr gute Grundlage, auf der weiter gebaut werden wird.

Was nun die einzelnen Staaten betrifft, ſo mögen hier folgende
Daten genügen, die erſt dann rechte Geſtalt gewinnen werden, wenn
man über die Grundbegriffe einig ſein wird.

Preußen hat das wirthſchaftliche Vorbildungsweſen zuerſt als ein
öffentliches organiſirt, wenn gleich auch hier der Unterſchied zwiſchen
der Gewerbe- und der Realſchule noch nicht ganz klar geworden iſt.
Das Syſtem deſſelben iſt folgendes. Das Gewerbeſchulweſen da-
tirt bereits ſeit 1817, wo die erſten Provinzialgewerbeſchulen errichtet
wurden, noch unbeſtimmt und ohne ſcharfe Gränze, da das Realſchul-
weſen noch nicht exiſtirt. Das letztere wird dann durch das Geſetz
vom 8. März 1832 als ein ſelbſtändiger Organismus neben den ge-
lehrten und Gewerbeſchulen hingeſtellt mit ſechs Klaſſen, zwei Ordnungen,
(höhere und niedere) Prüfungen und eigenem Lehrerweſen. Von da an
wird es nun nothwendig, das Gewerbeſchulweſen dem Realſchulweſen
gegenüber klarer zu definiren und zu ordnen. Nachdem die vierziger
Jahre dieß erſtere allgemein, und damit das Bedürfniß nach einer ſolchen
geſetzlichen Ordnung dringend gemacht hat, tritt nun mit den fünfziger
Jahren die betreffende Geſetzgebung ins Leben. Das (Provinzial-)

Stein, die Verwaltungslehre. V. 17
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[257/0285] noch im Gebiete des rechtlichen Unterrichtsweſens. Der Grund liegt offenbar in der völligen Unſicherheit der einzelnen Kategorien und Aus- drücke, die man anwendet, und die eine jede Zuſammenſtellung zu einem bloßen Materiale macht, in welchem zwar das Princip, nicht aber der das Einzelne beherrſchende Gedanke klar iſt. Dagegen muß in hohem Grade der Ernſt und die tiefgehende Tüchtigkeit anerkannt werden, mit der die pädagogiſche Literatur die Sache in ihren einzelnen, vorwiegend pädagogiſchen Seiten erfaßt und durchgearbeitet hat. Der tiefe, gründ- liche und ſinnige, für jeden höheren Anklang in edelſter Weiſe empfäng- liche Geiſt des deutſchen Lehrſtandes, dieſes Stolzes unſeres Volkes, hat ſich hier in glänzender Weiſe bewährt, und gerade die Verwaltungs- lehre iſt berufen und verpflichtet, dieß auszuſprechen. Daß die päda- gogiſche Literatur hier nicht zu einem Geſammtreſultat gekommen iſt, iſt nicht ihre, ſondern iſt Schuld der Verwaltungslehre. Auch hier müſſen wir der trefflichen Arbeiten in Schmids Encyclopädie rühmend erwähnen, die bei jedem Artikel über Schul- und Gymnaſialweſen das Beſtehende — leider zuweilen unvollſtändig, noch öfter ungleichmäßig — mit aufgenommen haben. Die territorialen Verwaltungsrechte haben ſich nur mit dem formellen Recht beſchäftigt. In der Statiſtik da- gegen hat Brachelli in ſeinen Staaten Europas das Verdienſt, die Statiſtik auch dieſer Anſtalten zu einem integrirenden Theile der Staatenkunde gemacht zu haben. Er gibt (Staaten Europas S. 535 ff.) eine ſehr gute Grundlage, auf der weiter gebaut werden wird. Was nun die einzelnen Staaten betrifft, ſo mögen hier folgende Daten genügen, die erſt dann rechte Geſtalt gewinnen werden, wenn man über die Grundbegriffe einig ſein wird. Preußen hat das wirthſchaftliche Vorbildungsweſen zuerſt als ein öffentliches organiſirt, wenn gleich auch hier der Unterſchied zwiſchen der Gewerbe- und der Realſchule noch nicht ganz klar geworden iſt. Das Syſtem deſſelben iſt folgendes. Das Gewerbeſchulweſen da- tirt bereits ſeit 1817, wo die erſten Provinzialgewerbeſchulen errichtet wurden, noch unbeſtimmt und ohne ſcharfe Gränze, da das Realſchul- weſen noch nicht exiſtirt. Das letztere wird dann durch das Geſetz vom 8. März 1832 als ein ſelbſtändiger Organismus neben den ge- lehrten und Gewerbeſchulen hingeſtellt mit ſechs Klaſſen, zwei Ordnungen, (höhere und niedere) Prüfungen und eigenem Lehrerweſen. Von da an wird es nun nothwendig, das Gewerbeſchulweſen dem Realſchulweſen gegenüber klarer zu definiren und zu ordnen. Nachdem die vierziger Jahre dieß erſtere allgemein, und damit das Bedürfniß nach einer ſolchen geſetzlichen Ordnung dringend gemacht hat, tritt nun mit den fünfziger Jahren die betreffende Geſetzgebung ins Leben. Das (Provinzial-) Stein, die Verwaltungslehre. V. 17

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/285>, abgerufen am 10.05.2024.