auch die Grundlage des positiven Universitätsrechts gibt. Die an sich freie wissenschaftliche Funktion der Universitäten ist nämlich gegeben in dem großen historischen Princip der Selbstverwaltung des Lehrwesens. Das Verhältniß zum Staat und seinem Berufsbildungswesen dagegen erscheint in den gesetzlichen Studienordnungen. Die Oberaufsicht des Staats über die Universitäten ist wiederum nicht speciell durch das Wesen der letztern, sondern durch den Begriff des Selbstverwaltungs- körpers überhaupt gesetzt, eben so wie die Pflicht des Staats die Uni- versitäten zu erhalten, nicht aus ihm allein, sondern aus dem Begriff des Bildungswesens überhaupt folgt. Der Kern der Universitätsfrage liegt daher für dieselben speciell in jenem, den Universitäten als orga- nischem Gliede des ganzen Bildungswesens eigenthümlichen Gegensatz. Ihn zu finden ist aber nicht Sache der Methodologie, welche durch das reine Wesen der Wissenschaft, sondern Sache der Verwaltungslehre, welche durch die Bedürfnisse und den Entwicklungsgang des öffentlichen Lebens bestimmt wird.
Von diesem Standpunkt aus scheidet sich nun die Geschichte des Universitätswesens in gewisse große Perioden, bei deren Darstellung und Charakterisirung wir natürlich die ganze bisherige Auffassung voraus- setzen dürfen. Vielleicht daß das beste Kriterium des Werthes der letzteren gerade darin liegt, die sonst fast endlose Entwicklungsgeschichte der deutschen Universitäten auf ihren einfachsten Grund leichtverständlich zurückzuführen.
Die erste große Epoche des öffentlich rechtlichen Universitätswesens beruht darauf, daß die Universität noch gar nichts anders ist, als ein durchaus selbständiger, ständischer Körper für die ständische Berufs- bildung. Sie macht in dieser ersten Periode noch gar nicht den An- spruch darauf, daß ihre Bildung die rechtliche Bedingung für die öffent- liche Ausübung des Berufes sein solle. Sie läßt den Geistlichen, den Richter, den Arzt, den Lehrer und Gelehrten sich bilden wie er will; sie nimmt jeden auf; sie fragt nicht, ob das was sie ihm in ihrer Lehre bietet, für ihn praktisch zu gebrauchen ist oder nicht; sie schließt nieman- den aus von irgend einem Theile ihrer Lehre; sie prüft niemanden als wer sich selbst prüfen lassen will; sie schreibt sich selber vor worüber sie zu prüfen hat; ihre Grade sind nicht das Recht einen Beruf auszu- üben, sondern nur das Recht zu sagen, daß man eine Fachbildung durchgemacht hat. Sie ist daher auch in ihrer Verwaltung souverain. Sie hat ihr eigenes Haupt, ihr eigenes Vermögen, ihre eigene Gerichts- barkeit; kurz sie ist im vollsten Sinne des Wortes ein ständischer Kör- per. Die Verwaltung des Staats hat mit ihr noch gar nichts zu thun; wollte sie aber auch in sie hineingreifen, sie vermöchte es nicht, denn in
auch die Grundlage des poſitiven Univerſitätsrechts gibt. Die an ſich freie wiſſenſchaftliche Funktion der Univerſitäten iſt nämlich gegeben in dem großen hiſtoriſchen Princip der Selbſtverwaltung des Lehrweſens. Das Verhältniß zum Staat und ſeinem Berufsbildungsweſen dagegen erſcheint in den geſetzlichen Studienordnungen. Die Oberaufſicht des Staats über die Univerſitäten iſt wiederum nicht ſpeciell durch das Weſen der letztern, ſondern durch den Begriff des Selbſtverwaltungs- körpers überhaupt geſetzt, eben ſo wie die Pflicht des Staats die Uni- verſitäten zu erhalten, nicht aus ihm allein, ſondern aus dem Begriff des Bildungsweſens überhaupt folgt. Der Kern der Univerſitätsfrage liegt daher für dieſelben ſpeciell in jenem, den Univerſitäten als orga- niſchem Gliede des ganzen Bildungsweſens eigenthümlichen Gegenſatz. Ihn zu finden iſt aber nicht Sache der Methodologie, welche durch das reine Weſen der Wiſſenſchaft, ſondern Sache der Verwaltungslehre, welche durch die Bedürfniſſe und den Entwicklungsgang des öffentlichen Lebens beſtimmt wird.
Von dieſem Standpunkt aus ſcheidet ſich nun die Geſchichte des Univerſitätsweſens in gewiſſe große Perioden, bei deren Darſtellung und Charakteriſirung wir natürlich die ganze bisherige Auffaſſung voraus- ſetzen dürfen. Vielleicht daß das beſte Kriterium des Werthes der letzteren gerade darin liegt, die ſonſt faſt endloſe Entwicklungsgeſchichte der deutſchen Univerſitäten auf ihren einfachſten Grund leichtverſtändlich zurückzuführen.
Die erſte große Epoche des öffentlich rechtlichen Univerſitätsweſens beruht darauf, daß die Univerſität noch gar nichts anders iſt, als ein durchaus ſelbſtändiger, ſtändiſcher Körper für die ſtändiſche Berufs- bildung. Sie macht in dieſer erſten Periode noch gar nicht den An- ſpruch darauf, daß ihre Bildung die rechtliche Bedingung für die öffent- liche Ausübung des Berufes ſein ſolle. Sie läßt den Geiſtlichen, den Richter, den Arzt, den Lehrer und Gelehrten ſich bilden wie er will; ſie nimmt jeden auf; ſie fragt nicht, ob das was ſie ihm in ihrer Lehre bietet, für ihn praktiſch zu gebrauchen iſt oder nicht; ſie ſchließt nieman- den aus von irgend einem Theile ihrer Lehre; ſie prüft niemanden als wer ſich ſelbſt prüfen laſſen will; ſie ſchreibt ſich ſelber vor worüber ſie zu prüfen hat; ihre Grade ſind nicht das Recht einen Beruf auszu- üben, ſondern nur das Recht zu ſagen, daß man eine Fachbildung durchgemacht hat. Sie iſt daher auch in ihrer Verwaltung ſouverain. Sie hat ihr eigenes Haupt, ihr eigenes Vermögen, ihre eigene Gerichts- barkeit; kurz ſie iſt im vollſten Sinne des Wortes ein ſtändiſcher Kör- per. Die Verwaltung des Staats hat mit ihr noch gar nichts zu thun; wollte ſie aber auch in ſie hineingreifen, ſie vermöchte es nicht, denn in
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auch die Grundlage des poſitiven Univerſitätsrechts gibt. Die an ſich
freie wiſſenſchaftliche Funktion der Univerſitäten iſt nämlich gegeben in
dem großen hiſtoriſchen Princip der Selbſtverwaltung des Lehrweſens.
Das Verhältniß zum Staat und ſeinem Berufsbildungsweſen dagegen
erſcheint in den geſetzlichen Studienordnungen. Die Oberaufſicht des
Staats über die Univerſitäten iſt wiederum nicht ſpeciell durch das
Weſen der letztern, ſondern durch den Begriff des Selbſtverwaltungs-
körpers überhaupt geſetzt, eben ſo wie die Pflicht des Staats die Uni-
verſitäten zu erhalten, nicht aus ihm allein, ſondern aus dem Begriff
des Bildungsweſens überhaupt folgt. Der Kern der Univerſitätsfrage
liegt daher für dieſelben ſpeciell in jenem, den Univerſitäten als orga-
niſchem Gliede des ganzen Bildungsweſens eigenthümlichen Gegenſatz.
Ihn zu finden iſt aber nicht Sache der Methodologie, welche durch
das reine Weſen der Wiſſenſchaft, ſondern Sache der Verwaltungslehre,
welche durch die Bedürfniſſe und den Entwicklungsgang des öffentlichen
Lebens beſtimmt wird.
Von dieſem Standpunkt aus ſcheidet ſich nun die Geſchichte des
Univerſitätsweſens in gewiſſe große Perioden, bei deren Darſtellung und
Charakteriſirung wir natürlich die ganze bisherige Auffaſſung voraus-
ſetzen dürfen. Vielleicht daß das beſte Kriterium des Werthes der
letzteren gerade darin liegt, die ſonſt faſt endloſe Entwicklungsgeſchichte
der deutſchen Univerſitäten auf ihren einfachſten Grund leichtverſtändlich
zurückzuführen.
Die erſte große Epoche des öffentlich rechtlichen Univerſitätsweſens
beruht darauf, daß die Univerſität noch gar nichts anders iſt, als ein
durchaus ſelbſtändiger, ſtändiſcher Körper für die ſtändiſche Berufs-
bildung. Sie macht in dieſer erſten Periode noch gar nicht den An-
ſpruch darauf, daß ihre Bildung die rechtliche Bedingung für die öffent-
liche Ausübung des Berufes ſein ſolle. Sie läßt den Geiſtlichen, den
Richter, den Arzt, den Lehrer und Gelehrten ſich bilden wie er will;
ſie nimmt jeden auf; ſie fragt nicht, ob das was ſie ihm in ihrer Lehre
bietet, für ihn praktiſch zu gebrauchen iſt oder nicht; ſie ſchließt nieman-
den aus von irgend einem Theile ihrer Lehre; ſie prüft niemanden als
wer ſich ſelbſt prüfen laſſen will; ſie ſchreibt ſich ſelber vor worüber ſie
zu prüfen hat; ihre Grade ſind nicht das Recht einen Beruf auszu-
üben, ſondern nur das Recht zu ſagen, daß man eine Fachbildung
durchgemacht hat. Sie iſt daher auch in ihrer Verwaltung ſouverain.
Sie hat ihr eigenes Haupt, ihr eigenes Vermögen, ihre eigene Gerichts-
barkeit; kurz ſie iſt im vollſten Sinne des Wortes ein ſtändiſcher Kör-
per. Die Verwaltung des Staats hat mit ihr noch gar nichts zu thun;
wollte ſie aber auch in ſie hineingreifen, ſie vermöchte es nicht, denn in
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/248>, abgerufen am 16.02.2025.
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