Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Allein diese Idee des Berufes bleibt, so lange sie nur noch dem Man wird daher recht wohl sagen können, daß jeder Mensch im An diesen Begriff des Berufes schließt sich nun der der Berufs- II. Die Berufsbildung. Die Begriffe von Vorbildung Allein dieſe Idee des Berufes bleibt, ſo lange ſie nur noch dem Man wird daher recht wohl ſagen können, daß jeder Menſch im An dieſen Begriff des Berufes ſchließt ſich nun der der Berufs- II. Die Berufsbildung. Die Begriffe von Vorbildung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0178" n="150"/> <p>Allein dieſe Idee des Berufes bleibt, ſo lange ſie nur noch dem<lb/> ethiſchen Bewußtſein des Einzelnen gehört, unbeſtimmt, zufällig und<lb/> willkürlich. Sie fordert daher, wie alle großen Elemente des Geſammt-<lb/> lebens, eine feſte, äußerliche Geſtaltung. Dieſe nun liegt an ſich ſchon<lb/> im Weſen des Berufes und zwar in der Gleichartigkeit der Lebens-<lb/> aufgaben ſelbſt, die der Einzelne zwar verſchieden für ſich auffaſſen und<lb/> vollziehen, aber ſelbſt nicht ändern kann. Dieſe Gleichartigkeit erzeugt<lb/> dann äußerlich die Gleichförmigkeit der Berufsthätigkeit; die Gemein-<lb/> ſchaft in den Bedingungen und Erfolgen der letzteren ruft die Gemein-<lb/> ſchaft unter den Berufsgenoſſen hervor; in dieſer Gemeinſchaft tritt die<lb/> Lebensaufgabe aller Einzelnen als eine große öffentliche Thatſache und<lb/> alsbald als ein ſelbſtändiger, ſelbſtthätiger Faktor hervor, die Geſammt-<lb/> heit der Menſchen erkennt ſie als ſolche an; die öffentliche Anerkennung<lb/> tritt zu der individuellen hinzu, und ſo wird aus dem Begriffe des<lb/> Berufs an ſich der <hi rendition="#g">wirkliche, öffentliche</hi>, im <hi rendition="#g">eigentlichen</hi> Sinne<lb/> ſogenannte <hi rendition="#g">Beruf</hi>.</p><lb/> <p>Man wird daher recht wohl ſagen können, daß jeder Menſch im<lb/> ethiſchen Sinne des Wortes ſeinen Beruf habe. Allein ein öffentlicher<lb/> Beruf entſteht erſt da, wo die Gemeinſchaft des Menſchen einen ſolchen<lb/><hi rendition="#g">anerkennt</hi>.</p><lb/> <p>An dieſen Begriff des Berufes ſchließt ſich nun der der <hi rendition="#g">Berufs-<lb/> bildung</hi> und zwar zunächſt im Allgemeinen, bis er ſich zu dem ihm<lb/> eignenden Syſtem entwickelt.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Die Berufsbildung. Die Begriffe von Vorbildung<lb/> und Fachbildung</hi>. — Die Lebensaufgabe des Berufes iſt ein geiſtiges<lb/> Ganze; aber ſie hat in dieſer ihrer Einheit zwei Elemente. Das erſte<lb/> dieſer Elemente, das nächſte und verſtändlichſte, beſteht aus der Ge-<lb/> ſammtheit derjenigen Kenntniſſe und Fähigkeiten, welche ſpeciell der<lb/> beſtimmte Beruf fordert. Das zweite dagegen iſt anderer, höherer Natur.<lb/> Wie der einzelne Beruf ſelbſt ein Theil des Geſammtlebens der Menſchen<lb/> iſt, ſo muß derſelbe auch durchdrungen und belebt ſein von dieſem Be-<lb/> wußtſein, daß er organiſch, ethiſch und praktiſch zu dieſer großen Ge-<lb/> meinſchaft der menſchlichen Arbeit gehöre. Und wie daher einerſeits<lb/> der einzelne Beruf von der Tiefe und Höhe der geſammten menſchlichen<lb/> Arbeit abhängt, ſo wird auch der Einzelne in ſeinem Berufe von dem<lb/> Bewußtſein der Größe und Gewalt dieſer Thätigkeit getragen und ge-<lb/> hoben. Jeder Beruf fordert daher für ſeine höchſte Entwicklung neben<lb/> ſeinen ſpeciellen Kenntniſſen und Fähigkeiten eine Weltanſchauung, deren<lb/> Werth oft unmeßbar, aber immer unverkennbar bleibt. Sie muß ſich<lb/> mit ſeiner ſpeciellen Aufgabe auf das Innigſte verſchmelzen und damit<lb/> die unendliche Entwicklung derſelben möglich machen; ſie muß dem<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0178]
Allein dieſe Idee des Berufes bleibt, ſo lange ſie nur noch dem
ethiſchen Bewußtſein des Einzelnen gehört, unbeſtimmt, zufällig und
willkürlich. Sie fordert daher, wie alle großen Elemente des Geſammt-
lebens, eine feſte, äußerliche Geſtaltung. Dieſe nun liegt an ſich ſchon
im Weſen des Berufes und zwar in der Gleichartigkeit der Lebens-
aufgaben ſelbſt, die der Einzelne zwar verſchieden für ſich auffaſſen und
vollziehen, aber ſelbſt nicht ändern kann. Dieſe Gleichartigkeit erzeugt
dann äußerlich die Gleichförmigkeit der Berufsthätigkeit; die Gemein-
ſchaft in den Bedingungen und Erfolgen der letzteren ruft die Gemein-
ſchaft unter den Berufsgenoſſen hervor; in dieſer Gemeinſchaft tritt die
Lebensaufgabe aller Einzelnen als eine große öffentliche Thatſache und
alsbald als ein ſelbſtändiger, ſelbſtthätiger Faktor hervor, die Geſammt-
heit der Menſchen erkennt ſie als ſolche an; die öffentliche Anerkennung
tritt zu der individuellen hinzu, und ſo wird aus dem Begriffe des
Berufs an ſich der wirkliche, öffentliche, im eigentlichen Sinne
ſogenannte Beruf.
Man wird daher recht wohl ſagen können, daß jeder Menſch im
ethiſchen Sinne des Wortes ſeinen Beruf habe. Allein ein öffentlicher
Beruf entſteht erſt da, wo die Gemeinſchaft des Menſchen einen ſolchen
anerkennt.
An dieſen Begriff des Berufes ſchließt ſich nun der der Berufs-
bildung und zwar zunächſt im Allgemeinen, bis er ſich zu dem ihm
eignenden Syſtem entwickelt.
II. Die Berufsbildung. Die Begriffe von Vorbildung
und Fachbildung. — Die Lebensaufgabe des Berufes iſt ein geiſtiges
Ganze; aber ſie hat in dieſer ihrer Einheit zwei Elemente. Das erſte
dieſer Elemente, das nächſte und verſtändlichſte, beſteht aus der Ge-
ſammtheit derjenigen Kenntniſſe und Fähigkeiten, welche ſpeciell der
beſtimmte Beruf fordert. Das zweite dagegen iſt anderer, höherer Natur.
Wie der einzelne Beruf ſelbſt ein Theil des Geſammtlebens der Menſchen
iſt, ſo muß derſelbe auch durchdrungen und belebt ſein von dieſem Be-
wußtſein, daß er organiſch, ethiſch und praktiſch zu dieſer großen Ge-
meinſchaft der menſchlichen Arbeit gehöre. Und wie daher einerſeits
der einzelne Beruf von der Tiefe und Höhe der geſammten menſchlichen
Arbeit abhängt, ſo wird auch der Einzelne in ſeinem Berufe von dem
Bewußtſein der Größe und Gewalt dieſer Thätigkeit getragen und ge-
hoben. Jeder Beruf fordert daher für ſeine höchſte Entwicklung neben
ſeinen ſpeciellen Kenntniſſen und Fähigkeiten eine Weltanſchauung, deren
Werth oft unmeßbar, aber immer unverkennbar bleibt. Sie muß ſich
mit ſeiner ſpeciellen Aufgabe auf das Innigſte verſchmelzen und damit
die unendliche Entwicklung derſelben möglich machen; ſie muß dem
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