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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Recht und der gleichen Aufgabe sein sollen. Erst mit dieser Aufnahme
des Volkslehrerstandes in den Lehrerstand, mit der Beseitigung seiner
niedrigen Stellung in Gemeinde und Gesellschaft beginnt die bessere
Zukunft desselben, und man kann erst jetzt sagen, daß das Maß der
Stellung, des öffentlichen Rechts und der Achtung der Volkslehrer
den Maßstab für die Volksbildung selber abgeben.

Einen solchen, über jeden örtlichen Dienst und jede Mißachtung in
gesellschaftlicher Beziehung erhobenen Lehrerstand, der sich mit den Be-
rufslehrern als Eins fühlt, hat nur Deutschland. Daher hat auch
nur das deutsche Volksschulwesen ein System des Lehrerrechts. Dieß
beruht auf folgenden Punkten.

I. Die Lehrerbildung enthält die Grundsätze, nach welchen die
fachgemäße Bildung für den Volksunterricht hergestellt wird. Diese
Herstellung wieder hat drei Elemente, jedes mit eigenem Recht und
eigener Ordnung.

Das erste ist das Lehrerbildungsinstitut selbst, das Lehrersemi-
nar
, und dessen Stellvertretungen.

Das zweite besteht in dem Umfang und Inhalt der auf dem
Seminar gebotenen Lehrerbildung.

Das dritte ist die Seminaristenprüfung und ihr Recht bei
Anstellungen.

Die Vergleichung der verschiedenen Rechte beruht für diesen Theil
darauf, ob und in wieweit die regelmäßige, öffentliche Seminaristen-
bildung und Prüfung als Vorzug oder als rechtliche Bedingung
der Anstellung angesehen wird.

II. Die Anstellung. Dieselbe hat ein berufsmäßiges und ein
formell rechtliches Element. Das erste liegt in dem oben bezeichneten
Verhältniß zur berufsmäßigen Bildung. Der Charakter des öffentlichen
Rechts der Anstellung beruht auf dem Antheil, den das Amt, die
Geistlichkeit und die Gemeinde an Anstellung und Entlassung
besitzen. Dieses öffentliche Recht aber wird seinerseits naturgemäß in
seiner Gestaltung eben von dem Grade der Bildung abhängen, den
man für den Lehrerberuf fordert; und das ist es anderseits wieder, was
die Verschiedenheit jenes Rechts und zuletzt auch die Bewegungen in
demselben erklärt.

III. Das Recht des Lehrwesens endlich bestimmt den Antheil,
den entweder die einzelnen Elementarlehrer oder der ganze Lehrkörper
auf Berathung und Beschluß über die didaktischen und disciplinaren
Verhältnisse der Lehrer selbst haben. -- Es ist klar, daß dieß Recht des
Lehrwesens stets wesentlich der Ausdruck und die Consequenz der orga-
nischen, zu einer öffentlich rechtlichen Aufgabe gewordenen Lehrerbildung

Recht und der gleichen Aufgabe ſein ſollen. Erſt mit dieſer Aufnahme
des Volkslehrerſtandes in den Lehrerſtand, mit der Beſeitigung ſeiner
niedrigen Stellung in Gemeinde und Geſellſchaft beginnt die beſſere
Zukunft deſſelben, und man kann erſt jetzt ſagen, daß das Maß der
Stellung, des öffentlichen Rechts und der Achtung der Volkslehrer
den Maßſtab für die Volksbildung ſelber abgeben.

Einen ſolchen, über jeden örtlichen Dienſt und jede Mißachtung in
geſellſchaftlicher Beziehung erhobenen Lehrerſtand, der ſich mit den Be-
rufslehrern als Eins fühlt, hat nur Deutſchland. Daher hat auch
nur das deutſche Volksſchulweſen ein Syſtem des Lehrerrechts. Dieß
beruht auf folgenden Punkten.

I. Die Lehrerbildung enthält die Grundſätze, nach welchen die
fachgemäße Bildung für den Volksunterricht hergeſtellt wird. Dieſe
Herſtellung wieder hat drei Elemente, jedes mit eigenem Recht und
eigener Ordnung.

Das erſte iſt das Lehrerbildungsinſtitut ſelbſt, das Lehrerſemi-
nar
, und deſſen Stellvertretungen.

Das zweite beſteht in dem Umfang und Inhalt der auf dem
Seminar gebotenen Lehrerbildung.

Das dritte iſt die Seminariſtenprüfung und ihr Recht bei
Anſtellungen.

Die Vergleichung der verſchiedenen Rechte beruht für dieſen Theil
darauf, ob und in wieweit die regelmäßige, öffentliche Seminariſten-
bildung und Prüfung als Vorzug oder als rechtliche Bedingung
der Anſtellung angeſehen wird.

II. Die Anſtellung. Dieſelbe hat ein berufsmäßiges und ein
formell rechtliches Element. Das erſte liegt in dem oben bezeichneten
Verhältniß zur berufsmäßigen Bildung. Der Charakter des öffentlichen
Rechts der Anſtellung beruht auf dem Antheil, den das Amt, die
Geiſtlichkeit und die Gemeinde an Anſtellung und Entlaſſung
beſitzen. Dieſes öffentliche Recht aber wird ſeinerſeits naturgemäß in
ſeiner Geſtaltung eben von dem Grade der Bildung abhängen, den
man für den Lehrerberuf fordert; und das iſt es anderſeits wieder, was
die Verſchiedenheit jenes Rechts und zuletzt auch die Bewegungen in
demſelben erklärt.

III. Das Recht des Lehrweſens endlich beſtimmt den Antheil,
den entweder die einzelnen Elementarlehrer oder der ganze Lehrkörper
auf Berathung und Beſchluß über die didaktiſchen und disciplinaren
Verhältniſſe der Lehrer ſelbſt haben. — Es iſt klar, daß dieß Recht des
Lehrweſens ſtets weſentlich der Ausdruck und die Conſequenz der orga-
niſchen, zu einer öffentlich rechtlichen Aufgabe gewordenen Lehrerbildung

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[130/0158] Recht und der gleichen Aufgabe ſein ſollen. Erſt mit dieſer Aufnahme des Volkslehrerſtandes in den Lehrerſtand, mit der Beſeitigung ſeiner niedrigen Stellung in Gemeinde und Geſellſchaft beginnt die beſſere Zukunft deſſelben, und man kann erſt jetzt ſagen, daß das Maß der Stellung, des öffentlichen Rechts und der Achtung der Volkslehrer den Maßſtab für die Volksbildung ſelber abgeben. Einen ſolchen, über jeden örtlichen Dienſt und jede Mißachtung in geſellſchaftlicher Beziehung erhobenen Lehrerſtand, der ſich mit den Be- rufslehrern als Eins fühlt, hat nur Deutſchland. Daher hat auch nur das deutſche Volksſchulweſen ein Syſtem des Lehrerrechts. Dieß beruht auf folgenden Punkten. I. Die Lehrerbildung enthält die Grundſätze, nach welchen die fachgemäße Bildung für den Volksunterricht hergeſtellt wird. Dieſe Herſtellung wieder hat drei Elemente, jedes mit eigenem Recht und eigener Ordnung. Das erſte iſt das Lehrerbildungsinſtitut ſelbſt, das Lehrerſemi- nar, und deſſen Stellvertretungen. Das zweite beſteht in dem Umfang und Inhalt der auf dem Seminar gebotenen Lehrerbildung. Das dritte iſt die Seminariſtenprüfung und ihr Recht bei Anſtellungen. Die Vergleichung der verſchiedenen Rechte beruht für dieſen Theil darauf, ob und in wieweit die regelmäßige, öffentliche Seminariſten- bildung und Prüfung als Vorzug oder als rechtliche Bedingung der Anſtellung angeſehen wird. II. Die Anſtellung. Dieſelbe hat ein berufsmäßiges und ein formell rechtliches Element. Das erſte liegt in dem oben bezeichneten Verhältniß zur berufsmäßigen Bildung. Der Charakter des öffentlichen Rechts der Anſtellung beruht auf dem Antheil, den das Amt, die Geiſtlichkeit und die Gemeinde an Anſtellung und Entlaſſung beſitzen. Dieſes öffentliche Recht aber wird ſeinerſeits naturgemäß in ſeiner Geſtaltung eben von dem Grade der Bildung abhängen, den man für den Lehrerberuf fordert; und das iſt es anderſeits wieder, was die Verſchiedenheit jenes Rechts und zuletzt auch die Bewegungen in demſelben erklärt. III. Das Recht des Lehrweſens endlich beſtimmt den Antheil, den entweder die einzelnen Elementarlehrer oder der ganze Lehrkörper auf Berathung und Beſchluß über die didaktiſchen und disciplinaren Verhältniſſe der Lehrer ſelbſt haben. — Es iſt klar, daß dieß Recht des Lehrweſens ſtets weſentlich der Ausdruck und die Conſequenz der orga- niſchen, zu einer öffentlich rechtlichen Aufgabe gewordenen Lehrerbildung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/158>, abgerufen am 22.11.2024.