Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.die Errichtung von Schulen und Pensionaten aller Art, die einmal C) Es ergiebt sich aus der obigen Darstellung, daß der ganze Das Gefühl dieser großen Thatsache scheint nun auch der Regierung die Errichtung von Schulen und Penſionaten aller Art, die einmal C) Es ergiebt ſich aus der obigen Darſtellung, daß der ganze Das Gefühl dieſer großen Thatſache ſcheint nun auch der Regierung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0134" n="106"/> die Errichtung von Schulen und Penſionaten aller Art, die einmal<lb/> errichtet, dann wie jedes Gewerbe, ohne alle weitere Oberaufſicht<lb/> bleiben. Die zweite ward durch das Geſetz von 1833 begründet, nach<lb/> welchem <hi rendition="#g">jeder</hi> 18jährige Franzoſe, der ſein <hi rendition="#aq">brevet de capacité</hi> be-<lb/> ſitzt und ein <hi rendition="#aq">certificat de moralité</hi> von ſeinem Maire hat, eine ſolche<lb/> errichten kann (Art. 4—8). Allein das Weſentliche war damals die<lb/><hi rendition="#g">Ueberwachung</hi> dieſer Anſtalten durch das <hi rendition="#aq">Comité d’arrondissement</hi><lb/> (Art. 19) mit regelmäßigen Inſpektionen aller <hi rendition="#aq">Écoles primaires,</hi> alſo auch<lb/> der geiſtlichen und dem Rechte der Suſpenſion, nebſt jährlichem Bericht<lb/> an den <hi rendition="#aq">Préfet;</hi> alſo eine wirkliche und ernſthaft gemeinte Betheiligung<lb/> der Selbſtverwaltung auch an dem Gange der <hi rendition="#aq">École libre.</hi> Das Geſetz<lb/> von 1850 hat dagegen die letztere wieder <hi rendition="#g">gänzlich</hi> aufgehoben, und<lb/> an deren Stelle zwei Grundſätze geſtellt, welche in hohem Grade ernſte<lb/> Folgen haben. Zuerſt hat der Inſpecteur die <hi rendition="#g">Genehmigung</hi> zu<lb/> geben; dagegen hat der Inſpecteur <hi rendition="#g">gar keine</hi> Berechtigung in Be-<lb/> ziehung auf den Unterricht, ſondern nur in Beziehung auf die Geſund-<lb/> heit und Sittlichkeit (Art. 21). Es iſt klar, daß, da hiemit auch jeder<lb/> Bericht ausgeſchloſſen iſt, der Elementarunterricht der beſitzenden Klaſſen<lb/> in Frankreich ein rein zufälliger, unorganiſcher, gegen <hi rendition="#g">keine</hi> Art von<lb/> Einſeitigkeit und Verkehrtheit geſchützter, und im Ganzen der Literatur<lb/> und dem Volke ſelbſt gänzlich unbekannter werden mußte. Nirgends iſt<lb/> die Aufhebung des Geſetzes von 1833 verderblicher geweſen, als gerade<lb/> für dieſe freien Schulen. Sie ſind außerhalb der Selbſtverwaltung und<lb/> ſelbſt der ſtaatlichen Verwaltung.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">C</hi>) Es ergiebt ſich aus der obigen Darſtellung, daß der ganze<lb/> Charakter des franzöſiſchen Elementarunterrichtsweſens auf dem tiefen<lb/> Unterſchiede der <hi rendition="#aq">Écoles publics</hi> mit ihrer vollſtändigen Abhängigkeit<lb/> von der Regierung und den <hi rendition="#aq">Écoles libres</hi> mit ihrer völligen Freiheit<lb/> von derſelben beruht. Beide ſind gleichmäßig von der Selbſtverwaltung<lb/> der Gemeinde ausgeſchloſſen; beide haben keinen Lehrerſtand; beide<lb/> haben durch den Mangel an jeder gemeinſamen Vorbereitung auch keine<lb/> pädagogiſche Literatur; jedes Gebiet ſteht für ſich ſelbſt da, und in dieſer<lb/> Scheidung drücken ſie die tiefe <hi rendition="#g">Scheidung zwiſchen den beiden<lb/> Klaſſen</hi> der <hi rendition="#g">ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft</hi>, der beſitzenden<lb/> und der nichtbeſitzenden aus.</p><lb/> <p>Das Gefühl dieſer großen Thatſache ſcheint nun auch der Regierung<lb/> ſchon ſeit Jahrzehnten klar geworden zu ſein. Guizots Geſetz von 1833<lb/> war, durch die Betheiligung der Gemeinde an der Volksſchule, nicht<lb/> bloß eine abſtrakte Einführung der Selbſtverwaltung in das Volksſchul-<lb/> weſen nach dem Muſter der deutſchen Volksſchule, ſondern vielmehr der<lb/> erſte große Verſuch, den Klaſſengegenſatz der Geſellſchaft eben durch<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0134]
die Errichtung von Schulen und Penſionaten aller Art, die einmal
errichtet, dann wie jedes Gewerbe, ohne alle weitere Oberaufſicht
bleiben. Die zweite ward durch das Geſetz von 1833 begründet, nach
welchem jeder 18jährige Franzoſe, der ſein brevet de capacité be-
ſitzt und ein certificat de moralité von ſeinem Maire hat, eine ſolche
errichten kann (Art. 4—8). Allein das Weſentliche war damals die
Ueberwachung dieſer Anſtalten durch das Comité d’arrondissement
(Art. 19) mit regelmäßigen Inſpektionen aller Écoles primaires, alſo auch
der geiſtlichen und dem Rechte der Suſpenſion, nebſt jährlichem Bericht
an den Préfet; alſo eine wirkliche und ernſthaft gemeinte Betheiligung
der Selbſtverwaltung auch an dem Gange der École libre. Das Geſetz
von 1850 hat dagegen die letztere wieder gänzlich aufgehoben, und
an deren Stelle zwei Grundſätze geſtellt, welche in hohem Grade ernſte
Folgen haben. Zuerſt hat der Inſpecteur die Genehmigung zu
geben; dagegen hat der Inſpecteur gar keine Berechtigung in Be-
ziehung auf den Unterricht, ſondern nur in Beziehung auf die Geſund-
heit und Sittlichkeit (Art. 21). Es iſt klar, daß, da hiemit auch jeder
Bericht ausgeſchloſſen iſt, der Elementarunterricht der beſitzenden Klaſſen
in Frankreich ein rein zufälliger, unorganiſcher, gegen keine Art von
Einſeitigkeit und Verkehrtheit geſchützter, und im Ganzen der Literatur
und dem Volke ſelbſt gänzlich unbekannter werden mußte. Nirgends iſt
die Aufhebung des Geſetzes von 1833 verderblicher geweſen, als gerade
für dieſe freien Schulen. Sie ſind außerhalb der Selbſtverwaltung und
ſelbſt der ſtaatlichen Verwaltung.
C) Es ergiebt ſich aus der obigen Darſtellung, daß der ganze
Charakter des franzöſiſchen Elementarunterrichtsweſens auf dem tiefen
Unterſchiede der Écoles publics mit ihrer vollſtändigen Abhängigkeit
von der Regierung und den Écoles libres mit ihrer völligen Freiheit
von derſelben beruht. Beide ſind gleichmäßig von der Selbſtverwaltung
der Gemeinde ausgeſchloſſen; beide haben keinen Lehrerſtand; beide
haben durch den Mangel an jeder gemeinſamen Vorbereitung auch keine
pädagogiſche Literatur; jedes Gebiet ſteht für ſich ſelbſt da, und in dieſer
Scheidung drücken ſie die tiefe Scheidung zwiſchen den beiden
Klaſſen der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, der beſitzenden
und der nichtbeſitzenden aus.
Das Gefühl dieſer großen Thatſache ſcheint nun auch der Regierung
ſchon ſeit Jahrzehnten klar geworden zu ſein. Guizots Geſetz von 1833
war, durch die Betheiligung der Gemeinde an der Volksſchule, nicht
bloß eine abſtrakte Einführung der Selbſtverwaltung in das Volksſchul-
weſen nach dem Muſter der deutſchen Volksſchule, ſondern vielmehr der
erſte große Verſuch, den Klaſſengegenſatz der Geſellſchaft eben durch
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