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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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wieder bei dem Justizminister anfragen sollen. Das Unpraktische in
diesem Verhältniß ward mit der Organisation der Gendarmerie besei-
tigt, durch welche die letztere jeder Behörde auf ihre Requisition Hülfe
zu leisten hat. Das Recht des Militärs zum Waffengebrauch ist
dann schließlich durch die Verordnung vom 20. März 1837 genau be-
stimmt, die einzelnen Fälle genau aufgeführt und dabei §. 8 der all-
gemeine Grundsatz ausgesprochen, "daß es von seinen Waffen nur so
weit Gebrauch machen darf, als es zur Erreichung des gegebenen
Zweckes erforderlich ist." Die Beurtheilung dieser Frage ist jedoch
den Militärorganen selbst überlassen. Genauer bei Rönne, preußisches
Staatsrecht I. §. 52. Diese Bestimmungen sind ganz geeignet, als
Muster für das Recht des militärischen Waffengebrauches zu dienen;
nur Eins fehlt, nämlich die Entscheidung der Frage, nach welchen
Grundsätzen die Haftung und Verantwortlichkeit des Militärs bei
Ueberschreitung der obigen Gesetze stattfinden soll. In dieser Bezie-
hung ist die österreichische Gesetzgebung klarer. Die einzige Be-
stimmung ist das Rescript vom 8. October 1844. Nach diesem
Rescript soll die "wirkliche Anwendung der Waffengewalt" bei
"Assistenz-Commanden" als "erste Hauptregel nur da eintreten, wo der
politische Commissär (?), der für die Anwendung in erster Linie (?)
verantwortlich ist, sein Einschreiten selbst als unfruchtbar erklärt."
Der zweite Fall ist da, wo das Militär selbst angegriffen wird. (S. das
Nähere bei Ign. Maucher, das österreichische Strafgesetz sammt Gesetz
und Verordnung. Wien 1847.) Dasselbe enthält noch spezielle Vor-
schriften über die Anwendung der Waffe, läßt aber jene "Verantwort-
lichkeit" im Uebrigen doch unerörtert. Die französische Gesetzgebung
hat einen etwas andern Standpunkt. Hier ist jeder bei Strafe ge-
zwungen, den öffentlichen Organen im Falle öffentlicher Gefahr physische
Hülfe zu leisten. Code Penal, Art. 475. c. 12. Die Requisition
des Militärs ist dagegen in den einzelnen Bestimmungen des
Code d'Instr. Crim. als Theil des Strafrechts aufgefaßt. Die "force
publique est tenue de marcher sur la requisition contenue dans le
mandat d'amener." Code d'Instr. Crim.
99. vgl. 108. 376.) Eine Ver-
antwortlichkeit der bewaffneten Gewalt dürfte schwer nachzuweisen sein.
Ueber den Tumult s. bei der Sicherheitspolizei. Hollands militäri-
sches Assistenzrecht ist theils im Gemeindegesetz (Art. 184. 185), theils im
Strafproceß (Art. 102) principiell, und durch eine eigene Instruktion aus-
führlich geordnet. De Bosch-Kemper, Staatsregt §. 342. Der Bür-
germeister als Haupt der örtlichen Polizei kann auch die Bürgerwehr
(schuttery) berufen (ib. §. 196).

wieder bei dem Juſtizminiſter anfragen ſollen. Das Unpraktiſche in
dieſem Verhältniß ward mit der Organiſation der Gendarmerie beſei-
tigt, durch welche die letztere jeder Behörde auf ihre Requiſition Hülfe
zu leiſten hat. Das Recht des Militärs zum Waffengebrauch iſt
dann ſchließlich durch die Verordnung vom 20. März 1837 genau be-
ſtimmt, die einzelnen Fälle genau aufgeführt und dabei §. 8 der all-
gemeine Grundſatz ausgeſprochen, „daß es von ſeinen Waffen nur ſo
weit Gebrauch machen darf, als es zur Erreichung des gegebenen
Zweckes erforderlich iſt.“ Die Beurtheilung dieſer Frage iſt jedoch
den Militärorganen ſelbſt überlaſſen. Genauer bei Rönne, preußiſches
Staatsrecht I. §. 52. Dieſe Beſtimmungen ſind ganz geeignet, als
Muſter für das Recht des militäriſchen Waffengebrauches zu dienen;
nur Eins fehlt, nämlich die Entſcheidung der Frage, nach welchen
Grundſätzen die Haftung und Verantwortlichkeit des Militärs bei
Ueberſchreitung der obigen Geſetze ſtattfinden ſoll. In dieſer Bezie-
hung iſt die öſterreichiſche Geſetzgebung klarer. Die einzige Be-
ſtimmung iſt das Reſcript vom 8. October 1844. Nach dieſem
Reſcript ſoll die „wirkliche Anwendung der Waffengewalt“ bei
„Aſſiſtenz-Commanden“ als „erſte Hauptregel nur da eintreten, wo der
politiſche Commiſſär (?), der für die Anwendung in erſter Linie (?)
verantwortlich iſt, ſein Einſchreiten ſelbſt als unfruchtbar erklärt.“
Der zweite Fall iſt da, wo das Militär ſelbſt angegriffen wird. (S. das
Nähere bei Ign. Maucher, das öſterreichiſche Strafgeſetz ſammt Geſetz
und Verordnung. Wien 1847.) Daſſelbe enthält noch ſpezielle Vor-
ſchriften über die Anwendung der Waffe, läßt aber jene „Verantwort-
lichkeit“ im Uebrigen doch unerörtert. Die franzöſiſche Geſetzgebung
hat einen etwas andern Standpunkt. Hier iſt jeder bei Strafe ge-
zwungen, den öffentlichen Organen im Falle öffentlicher Gefahr phyſiſche
Hülfe zu leiſten. Code Pénal, Art. 475. c. 12. Die Requiſition
des Militärs iſt dagegen in den einzelnen Beſtimmungen des
Code d’Instr. Crim. als Theil des Strafrechts aufgefaßt. Die „force
publique est tenue de marcher sur la réquisition contenue dans le
mandat d’amener.“ Code d’Instr. Crim.
99. vgl. 108. 376.) Eine Ver-
antwortlichkeit der bewaffneten Gewalt dürfte ſchwer nachzuweiſen ſein.
Ueber den Tumult ſ. bei der Sicherheitspolizei. Hollands militäri-
ſches Aſſiſtenzrecht iſt theils im Gemeindegeſetz (Art. 184. 185), theils im
Strafproceß (Art. 102) principiell, und durch eine eigene Inſtruktion aus-
führlich geordnet. De Bosch-Kemper, Staatsregt §. 342. Der Bür-
germeiſter als Haupt der örtlichen Polizei kann auch die Bürgerwehr
(schuttery) berufen (ib. §. 196).

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[66/0088] wieder bei dem Juſtizminiſter anfragen ſollen. Das Unpraktiſche in dieſem Verhältniß ward mit der Organiſation der Gendarmerie beſei- tigt, durch welche die letztere jeder Behörde auf ihre Requiſition Hülfe zu leiſten hat. Das Recht des Militärs zum Waffengebrauch iſt dann ſchließlich durch die Verordnung vom 20. März 1837 genau be- ſtimmt, die einzelnen Fälle genau aufgeführt und dabei §. 8 der all- gemeine Grundſatz ausgeſprochen, „daß es von ſeinen Waffen nur ſo weit Gebrauch machen darf, als es zur Erreichung des gegebenen Zweckes erforderlich iſt.“ Die Beurtheilung dieſer Frage iſt jedoch den Militärorganen ſelbſt überlaſſen. Genauer bei Rönne, preußiſches Staatsrecht I. §. 52. Dieſe Beſtimmungen ſind ganz geeignet, als Muſter für das Recht des militäriſchen Waffengebrauches zu dienen; nur Eins fehlt, nämlich die Entſcheidung der Frage, nach welchen Grundſätzen die Haftung und Verantwortlichkeit des Militärs bei Ueberſchreitung der obigen Geſetze ſtattfinden ſoll. In dieſer Bezie- hung iſt die öſterreichiſche Geſetzgebung klarer. Die einzige Be- ſtimmung iſt das Reſcript vom 8. October 1844. Nach dieſem Reſcript ſoll die „wirkliche Anwendung der Waffengewalt“ bei „Aſſiſtenz-Commanden“ als „erſte Hauptregel nur da eintreten, wo der politiſche Commiſſär (?), der für die Anwendung in erſter Linie (?) verantwortlich iſt, ſein Einſchreiten ſelbſt als unfruchtbar erklärt.“ Der zweite Fall iſt da, wo das Militär ſelbſt angegriffen wird. (S. das Nähere bei Ign. Maucher, das öſterreichiſche Strafgeſetz ſammt Geſetz und Verordnung. Wien 1847.) Daſſelbe enthält noch ſpezielle Vor- ſchriften über die Anwendung der Waffe, läßt aber jene „Verantwort- lichkeit“ im Uebrigen doch unerörtert. Die franzöſiſche Geſetzgebung hat einen etwas andern Standpunkt. Hier iſt jeder bei Strafe ge- zwungen, den öffentlichen Organen im Falle öffentlicher Gefahr phyſiſche Hülfe zu leiſten. Code Pénal, Art. 475. c. 12. Die Requiſition des Militärs iſt dagegen in den einzelnen Beſtimmungen des Code d’Instr. Crim. als Theil des Strafrechts aufgefaßt. Die „force publique est tenue de marcher sur la réquisition contenue dans le mandat d’amener.“ Code d’Instr. Crim. 99. vgl. 108. 376.) Eine Ver- antwortlichkeit der bewaffneten Gewalt dürfte ſchwer nachzuweiſen ſein. Ueber den Tumult ſ. bei der Sicherheitspolizei. Hollands militäri- ſches Aſſiſtenzrecht iſt theils im Gemeindegeſetz (Art. 184. 185), theils im Strafproceß (Art. 102) principiell, und durch eine eigene Inſtruktion aus- führlich geordnet. De Bosch-Kemper, Staatsregt §. 342. Der Bür- germeiſter als Haupt der örtlichen Polizei kann auch die Bürgerwehr (schuttery) berufen (ib. §. 196).

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/88>, abgerufen am 21.11.2024.