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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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vom 28 Germ. an VI. art. 158--169.) Mit Recht bemerkt Bertrand,
daß der Grundgedanke der Beschränkung der rein polizeilichen Haft auf
die Fälle der handhaften That im Code d'Instr. Crim. art. 106 erst
durch die Jurisprudenz auch auf die Fälle des dringenden Verdachts
und des Fluchtversuches hat ausgedehnt werden müssen, und daß trotz-
dem die Polizei in allen ihren Organen niemals wegen eines Ver-
gehens (contravention) ohne gerichtliche Aufforderung (requisition)
verhaften dürfe. S. 8. (Vgl. Laferriere, Droit adm. I. I. ch. IV.
Vgl. auch Batbie, Droit publ. et adm. II. ch. III), der übrigens
diesen Theil nicht sehr eingehend behandelt. Hier ist es klar, daß nur
noch das Eine fehlt -- die Haftung auf Privatklage des Betheiligten,
daß dieselbe aber auch so weit überflüssig geworden ist, als sie dieß
überhaupt werden kann.

Auf dieser Grundlage hat sich nur das deutsche Recht der poli-
zeilichen Verhaftung entwickelt. Es ist nicht richtig, hier im Allgemeinen
zu reden. Man muß vielmehr zwei Perioden unterscheiden, die erste
geht bis zum Jahr 1848; wir stehen in der zweiten, die künftige dritte
wird mit der Durchführung der Schwurgerichte und des Privatklagrechts
beginnen.

In der ersten Periode gelangen die Gesetzgebungen und selbst
die Literatur nicht weiter, als bis zu Anerkennung des allgemeinen
Princips, daß für die Verhaftung überhaupt eine gesetzliche Berech-
tigung sein müsse. Von einer Unterscheidung der polizeilichen und ge-
richtlichen Verhaftung ist noch keine Rede, und die Verhaftung selbst
wird noch mit dem Recht auf ein competentes Gericht und dem Recht
auf ein gerichtliches Urtheil als Bedingung jeder Bestrafung zusammen-
geworfen. Dafür aber werden diese allgemeinen Grundsätze in die
Verfassungsurkunden aufgenommen, und bestehen zum Theil noch immer
fort; so Bayern (Verfassungsurkunde von 1818. IV. 18). Würt-
temberg
(Verfassungsurkunde von 1819. §. 26). Baden (Verfas-
sungsurkunde von 1818. 15). Aehnlich in außerdeutschen: Schwedische
Verfassungsurkunde §. 14. Polnische Verfassungsurkunde §. 18. Nor-
wegische
Verfassungsurkunde §. 99. Holländische Grondwet. §. 168.
Neuester Zeit dänische Verfassungsurkunde. §. 85 ff. Rumänische
von 1866. §. 24. Serbische von 1863. Die übrigen kleinen deutschen
Staaten nehmen dann jene Bestimmungen seit den zwanziger Jahren
gleichfalls auf: Großherzogthum Hessen (Verfassungsurkunde von 1820.
§. 3). Königreich Sachsen (Verfassungsurkunde von 1831. §. 31). Kur-
fürstenthum Hessen von 1831. §. 115. Sachsen-Altenburg von 1831.
§. 50. Vergl. was Zöpfl sagt, der die Perioden nicht auseinander hält.
(Deutsches Staatsrecht. II. §. 290. 292, dann 448.) Daß dieß nicht

vom 28 Germ. an VI. art. 158—169.) Mit Recht bemerkt Bertrand,
daß der Grundgedanke der Beſchränkung der rein polizeilichen Haft auf
die Fälle der handhaften That im Code d’Instr. Crim. art. 106 erſt
durch die Jurisprudenz auch auf die Fälle des dringenden Verdachts
und des Fluchtverſuches hat ausgedehnt werden müſſen, und daß trotz-
dem die Polizei in allen ihren Organen niemals wegen eines Ver-
gehens (contravention) ohne gerichtliche Aufforderung (réquisition)
verhaften dürfe. S. 8. (Vgl. Laferrière, Droit adm. I. I. ch. IV.
Vgl. auch Batbie, Droit publ. et adm. II. ch. III), der übrigens
dieſen Theil nicht ſehr eingehend behandelt. Hier iſt es klar, daß nur
noch das Eine fehlt — die Haftung auf Privatklage des Betheiligten,
daß dieſelbe aber auch ſo weit überflüſſig geworden iſt, als ſie dieß
überhaupt werden kann.

Auf dieſer Grundlage hat ſich nur das deutſche Recht der poli-
zeilichen Verhaftung entwickelt. Es iſt nicht richtig, hier im Allgemeinen
zu reden. Man muß vielmehr zwei Perioden unterſcheiden, die erſte
geht bis zum Jahr 1848; wir ſtehen in der zweiten, die künftige dritte
wird mit der Durchführung der Schwurgerichte und des Privatklagrechts
beginnen.

In der erſten Periode gelangen die Geſetzgebungen und ſelbſt
die Literatur nicht weiter, als bis zu Anerkennung des allgemeinen
Princips, daß für die Verhaftung überhaupt eine geſetzliche Berech-
tigung ſein müſſe. Von einer Unterſcheidung der polizeilichen und ge-
richtlichen Verhaftung iſt noch keine Rede, und die Verhaftung ſelbſt
wird noch mit dem Recht auf ein competentes Gericht und dem Recht
auf ein gerichtliches Urtheil als Bedingung jeder Beſtrafung zuſammen-
geworfen. Dafür aber werden dieſe allgemeinen Grundſätze in die
Verfaſſungsurkunden aufgenommen, und beſtehen zum Theil noch immer
fort; ſo Bayern (Verfaſſungsurkunde von 1818. IV. 18). Würt-
temberg
(Verfaſſungsurkunde von 1819. §. 26). Baden (Verfaſ-
ſungsurkunde von 1818. 15). Aehnlich in außerdeutſchen: Schwediſche
Verfaſſungsurkunde §. 14. Polniſche Verfaſſungsurkunde §. 18. Nor-
wegiſche
Verfaſſungsurkunde §. 99. Holländiſche Grondwet. §. 168.
Neueſter Zeit däniſche Verfaſſungsurkunde. §. 85 ff. Rumäniſche
von 1866. §. 24. Serbiſche von 1863. Die übrigen kleinen deutſchen
Staaten nehmen dann jene Beſtimmungen ſeit den zwanziger Jahren
gleichfalls auf: Großherzogthum Heſſen (Verfaſſungsurkunde von 1820.
§. 3). Königreich Sachſen (Verfaſſungsurkunde von 1831. §. 31). Kur-
fürſtenthum Heſſen von 1831. §. 115. Sachſen-Altenburg von 1831.
§. 50. Vergl. was Zöpfl ſagt, der die Perioden nicht auseinander hält.
(Deutſches Staatsrecht. II. §. 290. 292, dann 448.) Daß dieß nicht

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[147/0169] vom 28 Germ. an VI. art. 158—169.) Mit Recht bemerkt Bertrand, daß der Grundgedanke der Beſchränkung der rein polizeilichen Haft auf die Fälle der handhaften That im Code d’Instr. Crim. art. 106 erſt durch die Jurisprudenz auch auf die Fälle des dringenden Verdachts und des Fluchtverſuches hat ausgedehnt werden müſſen, und daß trotz- dem die Polizei in allen ihren Organen niemals wegen eines Ver- gehens (contravention) ohne gerichtliche Aufforderung (réquisition) verhaften dürfe. S. 8. (Vgl. Laferrière, Droit adm. I. I. ch. IV. Vgl. auch Batbie, Droit publ. et adm. II. ch. III), der übrigens dieſen Theil nicht ſehr eingehend behandelt. Hier iſt es klar, daß nur noch das Eine fehlt — die Haftung auf Privatklage des Betheiligten, daß dieſelbe aber auch ſo weit überflüſſig geworden iſt, als ſie dieß überhaupt werden kann. Auf dieſer Grundlage hat ſich nur das deutſche Recht der poli- zeilichen Verhaftung entwickelt. Es iſt nicht richtig, hier im Allgemeinen zu reden. Man muß vielmehr zwei Perioden unterſcheiden, die erſte geht bis zum Jahr 1848; wir ſtehen in der zweiten, die künftige dritte wird mit der Durchführung der Schwurgerichte und des Privatklagrechts beginnen. In der erſten Periode gelangen die Geſetzgebungen und ſelbſt die Literatur nicht weiter, als bis zu Anerkennung des allgemeinen Princips, daß für die Verhaftung überhaupt eine geſetzliche Berech- tigung ſein müſſe. Von einer Unterſcheidung der polizeilichen und ge- richtlichen Verhaftung iſt noch keine Rede, und die Verhaftung ſelbſt wird noch mit dem Recht auf ein competentes Gericht und dem Recht auf ein gerichtliches Urtheil als Bedingung jeder Beſtrafung zuſammen- geworfen. Dafür aber werden dieſe allgemeinen Grundſätze in die Verfaſſungsurkunden aufgenommen, und beſtehen zum Theil noch immer fort; ſo Bayern (Verfaſſungsurkunde von 1818. IV. 18). Würt- temberg (Verfaſſungsurkunde von 1819. §. 26). Baden (Verfaſ- ſungsurkunde von 1818. 15). Aehnlich in außerdeutſchen: Schwediſche Verfaſſungsurkunde §. 14. Polniſche Verfaſſungsurkunde §. 18. Nor- wegiſche Verfaſſungsurkunde §. 99. Holländiſche Grondwet. §. 168. Neueſter Zeit däniſche Verfaſſungsurkunde. §. 85 ff. Rumäniſche von 1866. §. 24. Serbiſche von 1863. Die übrigen kleinen deutſchen Staaten nehmen dann jene Beſtimmungen ſeit den zwanziger Jahren gleichfalls auf: Großherzogthum Heſſen (Verfaſſungsurkunde von 1820. §. 3). Königreich Sachſen (Verfaſſungsurkunde von 1831. §. 31). Kur- fürſtenthum Heſſen von 1831. §. 115. Sachſen-Altenburg von 1831. §. 50. Vergl. was Zöpfl ſagt, der die Perioden nicht auseinander hält. (Deutſches Staatsrecht. II. §. 290. 292, dann 448.) Daß dieß nicht

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/169>, abgerufen am 24.11.2024.