Beweismittel eines Verbrechens verhindern kann. Allein in diesem Falle soll sie ihrerseits ihren Akt gerichtlich bei eintretender Klage des Verhafteten vertreten, und das Gericht wird dann entscheiden, ob die Verhaftung eine gegründete Ursache hatte, widrigenfalls das Polizei- organ zum Schadenersatz verurtheilt werden soll. Dieß ist darum richtig, weil jedes Polizeiorgan am besten über Verdachtsgründe urtheilen kann, und daher in der Lage ist, sich nöthigenfalls vom Gericht vorher einen Haftbefehl auszuwirken. 3) Die Verhaftung bei Uebertretung von Polizeiverfügungen gehört eigentlich dem ersten Fall, unterscheidet sich aber dadurch, daß die Freilassung sofort geschieht, sobald die polizei- liche Buße gezahlt ist.
In Beziehung auf öffentliche Ruhestörung hat die polizeiliche Verhaftung einen andern Charakter. Hier ist sie nicht der Beginn des gerichtlichen Verfahrens durch die Polizei, sondern vielmehr das Ende des polizeilichen Verfahrens, eine Maßregel, welche mit ihrer Ursache zu Ende sein muß. Sie wird aus diesem Grunde oft statt einer Ver- haftung oder Verwahrung eine bloße Wegführung von dem Orte sein. Natürlich wird eine wirkliche Verhaftung daraus, wenn in der öffent- lichen Ruhestörung eine strafbare Uebertretung enthalten ist.
II. Das Verfahren nach der Verhaftung und das Recht desselben ist nun gegeben durch den Zweck, aus dem die Verhaftung selbst her- vorging. Bei Verhaftung wegen eines Verbrechens war der Zweck die gerichtliche Verfolgung des letztern, daher muß sie sofort zu der letztern übergehen, oder aufgegeben werden. Deßhalb allgemeiner Grundsatz, daß bei jeder Verhaftung der Verhaftete vor seinen ordentlichen Richter gestellt werden muß. Der Termin für diese Stellung vor Gericht soll dabei stets als das Maximum der Dauer der rein polizeilichen Ver- haftung angesehen, und der Polizei die Pflicht auferlegt werden, wenn möglich den Verhafteten sogleich vor den Richter zu führen. Das Recht der polizeilichen Verhaftung ist hier gleich dem der gerichtlichen; der Unterschied liegt nur darin, daß bei der letztern der Richter, der den Befehl gab, bei der erstern aber das Polizeiorgan selbst für die Einleitung des Verhörs in der festgesetzten Frist verantwortlich ist, und dafür bestraft werden kann. Ein weiterer Unterschied existirt nicht; und dieser Unterschied ist wiederum nur da ein wesentlicher, wo, wie in England, das Recht der Privatklage dem Einzelnen zusteht. Ohne Zweifel aber geht auch das polizeiliche Verhaftungsrecht so weit, jeden Fluchtversuch und jede Collusion auch vor dem gerichtlichen Verhöre zu hindern; aber auch in diesem Falle hat die Polizei die Verhaftung dem Gerichte sofort anzuzeigen und von demselben bestätigen zu lassen, damit aus der polizeilichen eine gerichtliche Verhaftung werde. War
Beweismittel eines Verbrechens verhindern kann. Allein in dieſem Falle ſoll ſie ihrerſeits ihren Akt gerichtlich bei eintretender Klage des Verhafteten vertreten, und das Gericht wird dann entſcheiden, ob die Verhaftung eine gegründete Urſache hatte, widrigenfalls das Polizei- organ zum Schadenerſatz verurtheilt werden ſoll. Dieß iſt darum richtig, weil jedes Polizeiorgan am beſten über Verdachtsgründe urtheilen kann, und daher in der Lage iſt, ſich nöthigenfalls vom Gericht vorher einen Haftbefehl auszuwirken. 3) Die Verhaftung bei Uebertretung von Polizeiverfügungen gehört eigentlich dem erſten Fall, unterſcheidet ſich aber dadurch, daß die Freilaſſung ſofort geſchieht, ſobald die polizei- liche Buße gezahlt iſt.
In Beziehung auf öffentliche Ruheſtörung hat die polizeiliche Verhaftung einen andern Charakter. Hier iſt ſie nicht der Beginn des gerichtlichen Verfahrens durch die Polizei, ſondern vielmehr das Ende des polizeilichen Verfahrens, eine Maßregel, welche mit ihrer Urſache zu Ende ſein muß. Sie wird aus dieſem Grunde oft ſtatt einer Ver- haftung oder Verwahrung eine bloße Wegführung von dem Orte ſein. Natürlich wird eine wirkliche Verhaftung daraus, wenn in der öffent- lichen Ruheſtörung eine ſtrafbare Uebertretung enthalten iſt.
II. Das Verfahren nach der Verhaftung und das Recht deſſelben iſt nun gegeben durch den Zweck, aus dem die Verhaftung ſelbſt her- vorging. Bei Verhaftung wegen eines Verbrechens war der Zweck die gerichtliche Verfolgung des letztern, daher muß ſie ſofort zu der letztern übergehen, oder aufgegeben werden. Deßhalb allgemeiner Grundſatz, daß bei jeder Verhaftung der Verhaftete vor ſeinen ordentlichen Richter geſtellt werden muß. Der Termin für dieſe Stellung vor Gericht ſoll dabei ſtets als das Maximum der Dauer der rein polizeilichen Ver- haftung angeſehen, und der Polizei die Pflicht auferlegt werden, wenn möglich den Verhafteten ſogleich vor den Richter zu führen. Das Recht der polizeilichen Verhaftung iſt hier gleich dem der gerichtlichen; der Unterſchied liegt nur darin, daß bei der letztern der Richter, der den Befehl gab, bei der erſtern aber das Polizeiorgan ſelbſt für die Einleitung des Verhörs in der feſtgeſetzten Friſt verantwortlich iſt, und dafür beſtraft werden kann. Ein weiterer Unterſchied exiſtirt nicht; und dieſer Unterſchied iſt wiederum nur da ein weſentlicher, wo, wie in England, das Recht der Privatklage dem Einzelnen zuſteht. Ohne Zweifel aber geht auch das polizeiliche Verhaftungsrecht ſo weit, jeden Fluchtverſuch und jede Colluſion auch vor dem gerichtlichen Verhöre zu hindern; aber auch in dieſem Falle hat die Polizei die Verhaftung dem Gerichte ſofort anzuzeigen und von demſelben beſtätigen zu laſſen, damit aus der polizeilichen eine gerichtliche Verhaftung werde. War
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Beweismittel eines Verbrechens verhindern kann. Allein in dieſem
Falle ſoll ſie ihrerſeits ihren Akt gerichtlich bei eintretender Klage des
Verhafteten vertreten, und das Gericht wird dann entſcheiden, ob die
Verhaftung eine gegründete Urſache hatte, widrigenfalls das Polizei-
organ zum Schadenerſatz verurtheilt werden ſoll. Dieß iſt darum richtig,
weil jedes Polizeiorgan am beſten über Verdachtsgründe urtheilen kann,
und daher in der Lage iſt, ſich nöthigenfalls vom Gericht vorher einen
Haftbefehl auszuwirken. 3) Die Verhaftung bei Uebertretung von
Polizeiverfügungen gehört eigentlich dem erſten Fall, unterſcheidet ſich
aber dadurch, daß die Freilaſſung ſofort geſchieht, ſobald die polizei-
liche Buße gezahlt iſt.
In Beziehung auf öffentliche Ruheſtörung hat die polizeiliche
Verhaftung einen andern Charakter. Hier iſt ſie nicht der Beginn des
gerichtlichen Verfahrens durch die Polizei, ſondern vielmehr das Ende
des polizeilichen Verfahrens, eine Maßregel, welche mit ihrer Urſache
zu Ende ſein muß. Sie wird aus dieſem Grunde oft ſtatt einer Ver-
haftung oder Verwahrung eine bloße Wegführung von dem Orte ſein.
Natürlich wird eine wirkliche Verhaftung daraus, wenn in der öffent-
lichen Ruheſtörung eine ſtrafbare Uebertretung enthalten iſt.
II. Das Verfahren nach der Verhaftung und das Recht deſſelben
iſt nun gegeben durch den Zweck, aus dem die Verhaftung ſelbſt her-
vorging. Bei Verhaftung wegen eines Verbrechens war der Zweck die
gerichtliche Verfolgung des letztern, daher muß ſie ſofort zu der letztern
übergehen, oder aufgegeben werden. Deßhalb allgemeiner Grundſatz,
daß bei jeder Verhaftung der Verhaftete vor ſeinen ordentlichen Richter
geſtellt werden muß. Der Termin für dieſe Stellung vor Gericht ſoll
dabei ſtets als das Maximum der Dauer der rein polizeilichen Ver-
haftung angeſehen, und der Polizei die Pflicht auferlegt werden, wenn
möglich den Verhafteten ſogleich vor den Richter zu führen. Das
Recht der polizeilichen Verhaftung iſt hier gleich dem der gerichtlichen;
der Unterſchied liegt nur darin, daß bei der letztern der Richter, der
den Befehl gab, bei der erſtern aber das Polizeiorgan ſelbſt für die
Einleitung des Verhörs in der feſtgeſetzten Friſt verantwortlich iſt, und
dafür beſtraft werden kann. Ein weiterer Unterſchied exiſtirt nicht; und
dieſer Unterſchied iſt wiederum nur da ein weſentlicher, wo, wie in
England, das Recht der Privatklage dem Einzelnen zuſteht. Ohne
Zweifel aber geht auch das polizeiliche Verhaftungsrecht ſo weit, jeden
Fluchtverſuch und jede Colluſion auch vor dem gerichtlichen Verhöre zu
hindern; aber auch in dieſem Falle hat die Polizei die Verhaftung dem
Gerichte ſofort anzuzeigen und von demſelben beſtätigen zu laſſen,
damit aus der polizeilichen eine gerichtliche Verhaftung werde. War
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/164>, abgerufen am 27.07.2024.
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