Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.Gedanke, die ganze Presse nur vom Standpunkt der Polizei zu Gedanke, die ganze Preſſe nur vom Standpunkt der Polizei zu <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="X"/> Gedanke, die ganze Preſſe nur vom Standpunkt der Polizei zu<lb/> behandeln, iſt an ſich dieſes großen Bildungsmittels unwürdig; es<lb/> wäre das faſt als wollte man die Univerſitäten nur noch vom<lb/> Standpunkt der Univerſitätspolizei betrachten. Es iſt ferner kein<lb/> Zweifel, daß gerade ſeit der letzten Zeit die Preſſe einen ſolchen<lb/> Umfang gewonnen, daß ſie mit der früheren kaum verglichen wer-<lb/> den kann. So lange der Kampf um die Grundlagen der Ver-<lb/> faſſung Europa erſchütterte, war es natürlich, daß die politiſche<lb/> Preſſe nicht bloß die tonangebende, ſondern auch die dem Umfange<lb/> nach bedeutendſte war. Daher ſtammt jene Einſeitigkeit, die man<lb/> noch vielfach findet, unter dem Ausdruck der „Preſſe“ ausſchließ-<lb/> lich die politiſche zu verſtehen, und daher auch jene Richtung,<lb/> welche das Preßrecht weſentlich nur als die höhere Polizei gegen<lb/> die politiſche Preſſe auffaßte. Das hat ſich geändert, und ändert<lb/> ſich mit jedem Tage mehr. Neben, ja zum Theil in der politi-<lb/> ſchen Preſſe ſelbſt iſt eine zweite entſtanden, die wir die Bildungs-<lb/> preſſe nennen können, und die in der That an Umfang und In-<lb/> halt in einer Weiſe gewonnen, die man noch vor zwanzig Jahren<lb/> kaum für möglich gehalten. Dieſelbe hat die dritte große Function<lb/> der geiſtigen Welt übernommen, welche wir die <hi rendition="#g">Selbſtbildung<lb/> des Volkes</hi>, die Selbſtverwaltung ſeines geiſtigen Lebens nennen<lb/> können. Wir werden im folgenden Theile auf Inhalt und Bedeutung<lb/> dieſer Function genauer eingehen; hier genügt wohl, darauf hin-<lb/> zuweiſen, daß die Maſſe von geiſtiger Arbeit und geiſtiger Con-<lb/> ſumtion, die hier geboten und empfangen wird, ſo groß und ſo<lb/> hochbedeutend iſt, daß das politiſche, einſt ausſchließlich herrſchende<lb/> Element jetzt nur noch eine, wenn auch ſtets entſcheidende Seite<lb/> in dieſer großen Bewegung der Geiſter bildet. Damit hat dann<lb/> die Preßpolizei eine ganz andere Stellung eingenommen. Man<lb/> hat ſich endlich überzeugt, daß es weder in der Aufgabe noch in<lb/> der Macht der Verwaltung liegt, in dieſes Leben der Preſſe mit<lb/> poſitiver Thätigkeit einzugreifen. Die Illuſion iſt geſchwunden, daß<lb/> man den Geiſt des Volkes beherrſchen kann, indem man einen<lb/> nutzloſen polizeilichen Kampf mit dem Geiſte der Preſſe fortſetzt.<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [X/0016]
Gedanke, die ganze Preſſe nur vom Standpunkt der Polizei zu
behandeln, iſt an ſich dieſes großen Bildungsmittels unwürdig; es
wäre das faſt als wollte man die Univerſitäten nur noch vom
Standpunkt der Univerſitätspolizei betrachten. Es iſt ferner kein
Zweifel, daß gerade ſeit der letzten Zeit die Preſſe einen ſolchen
Umfang gewonnen, daß ſie mit der früheren kaum verglichen wer-
den kann. So lange der Kampf um die Grundlagen der Ver-
faſſung Europa erſchütterte, war es natürlich, daß die politiſche
Preſſe nicht bloß die tonangebende, ſondern auch die dem Umfange
nach bedeutendſte war. Daher ſtammt jene Einſeitigkeit, die man
noch vielfach findet, unter dem Ausdruck der „Preſſe“ ausſchließ-
lich die politiſche zu verſtehen, und daher auch jene Richtung,
welche das Preßrecht weſentlich nur als die höhere Polizei gegen
die politiſche Preſſe auffaßte. Das hat ſich geändert, und ändert
ſich mit jedem Tage mehr. Neben, ja zum Theil in der politi-
ſchen Preſſe ſelbſt iſt eine zweite entſtanden, die wir die Bildungs-
preſſe nennen können, und die in der That an Umfang und In-
halt in einer Weiſe gewonnen, die man noch vor zwanzig Jahren
kaum für möglich gehalten. Dieſelbe hat die dritte große Function
der geiſtigen Welt übernommen, welche wir die Selbſtbildung
des Volkes, die Selbſtverwaltung ſeines geiſtigen Lebens nennen
können. Wir werden im folgenden Theile auf Inhalt und Bedeutung
dieſer Function genauer eingehen; hier genügt wohl, darauf hin-
zuweiſen, daß die Maſſe von geiſtiger Arbeit und geiſtiger Con-
ſumtion, die hier geboten und empfangen wird, ſo groß und ſo
hochbedeutend iſt, daß das politiſche, einſt ausſchließlich herrſchende
Element jetzt nur noch eine, wenn auch ſtets entſcheidende Seite
in dieſer großen Bewegung der Geiſter bildet. Damit hat dann
die Preßpolizei eine ganz andere Stellung eingenommen. Man
hat ſich endlich überzeugt, daß es weder in der Aufgabe noch in
der Macht der Verwaltung liegt, in dieſes Leben der Preſſe mit
poſitiver Thätigkeit einzugreifen. Die Illuſion iſt geſchwunden, daß
man den Geiſt des Volkes beherrſchen kann, indem man einen
nutzloſen polizeilichen Kampf mit dem Geiſte der Preſſe fortſetzt.
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