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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Ich habe geglaubt, diese Erklärung hier voraussenden zu
müssen. Die große Unbestimmtheit des Begriffes der Polizei, die
Aufgabe, dieselbe nur erst überhaupt auf ihr wahres Gebiet zu-
rückzuführen, das Streben, sie dem so viel höheren und größeren
der Verwaltung überhaupt und speziell des Innern unterzuordnen,
und die Schwierigkeit, den Begriff der Sicherheitspolizei, der bis-
her die ganze Polizei umfaßte, als einen ganz speziellen in der
innern Verwaltung aufzustellen, haben den systematischen Fehler
hervorgerufen. Die Lücke, die dadurch in der Lehre von der voll-
ziehenden Gewalt entstanden ist, ist keine unbedeutende, und der
Begriff und die Stellung der Sicherheitspolizei als spezielle Polizei
des persönlichen Lebens haben dadurch nicht an Klarheit gewonnen.
Indeß darf ich wiederholen, daß die einzelnen Ausführungen da-
durch kaum erheblich leiden werden. Sollten meine verehrten Leser
daher auf das System als solches Werth legen, so bitte ich nur,
das hier aufgestellte "Polizeirecht" einfach an die oben bezeichnete
Stelle der vollziehenden Gewalt zu setzen. Es scheint mir, als ob
alsdann dem Ganzen Genüge geschehen wäre.

Ich kann dabei nicht schließen, ohne einen zweiten Punkt,
gleichfalls systematischer Natur, hier zu berühren, bei dem es sich
jedoch mehr um die Auffassung selbst als um eine formelle Be-
stimmung handelt. Das ist das Preßrecht. Viele meiner Leser
werden erwarten, daß das Preßrecht und die Preßgesetzgebung
nebst Briefrecht, Hausrecht u. s. w. gleichfalls in die Sicherheits-
polizei hineingestellt sein werde. Ich muß diese Auffassung für
eine nicht richtige halten. Die Presse ist an und für sich durchaus
keine bloß erlaubte Handlung, wie das Briefschreiben, der Besitz
von Waffen u. s. w., sondern sie ist ein großes, gewaltiges Mittel
der geistigen Bildung eines Volkes, und nimmt namentlich in
unserer Zeit neben dem Unterrichtswesen eine vollkommen selb-
ständige, demselben an Bedeutung und Einfluß fast gleichkommende
Stellung ein. Wir können daher mit dem, was man die "Preß-
polizei" nennt und was in derselben vorkommt, weder das Wesen
der Presse, noch auch das Recht derselben erschöpfen. Der

Ich habe geglaubt, dieſe Erklärung hier vorausſenden zu
müſſen. Die große Unbeſtimmtheit des Begriffes der Polizei, die
Aufgabe, dieſelbe nur erſt überhaupt auf ihr wahres Gebiet zu-
rückzuführen, das Streben, ſie dem ſo viel höheren und größeren
der Verwaltung überhaupt und ſpeziell des Innern unterzuordnen,
und die Schwierigkeit, den Begriff der Sicherheitspolizei, der bis-
her die ganze Polizei umfaßte, als einen ganz ſpeziellen in der
innern Verwaltung aufzuſtellen, haben den ſyſtematiſchen Fehler
hervorgerufen. Die Lücke, die dadurch in der Lehre von der voll-
ziehenden Gewalt entſtanden iſt, iſt keine unbedeutende, und der
Begriff und die Stellung der Sicherheitspolizei als ſpezielle Polizei
des perſönlichen Lebens haben dadurch nicht an Klarheit gewonnen.
Indeß darf ich wiederholen, daß die einzelnen Ausführungen da-
durch kaum erheblich leiden werden. Sollten meine verehrten Leſer
daher auf das Syſtem als ſolches Werth legen, ſo bitte ich nur,
das hier aufgeſtellte „Polizeirecht“ einfach an die oben bezeichnete
Stelle der vollziehenden Gewalt zu ſetzen. Es ſcheint mir, als ob
alsdann dem Ganzen Genüge geſchehen wäre.

Ich kann dabei nicht ſchließen, ohne einen zweiten Punkt,
gleichfalls ſyſtematiſcher Natur, hier zu berühren, bei dem es ſich
jedoch mehr um die Auffaſſung ſelbſt als um eine formelle Be-
ſtimmung handelt. Das iſt das Preßrecht. Viele meiner Leſer
werden erwarten, daß das Preßrecht und die Preßgeſetzgebung
nebſt Briefrecht, Hausrecht u. ſ. w. gleichfalls in die Sicherheits-
polizei hineingeſtellt ſein werde. Ich muß dieſe Auffaſſung für
eine nicht richtige halten. Die Preſſe iſt an und für ſich durchaus
keine bloß erlaubte Handlung, wie das Briefſchreiben, der Beſitz
von Waffen u. ſ. w., ſondern ſie iſt ein großes, gewaltiges Mittel
der geiſtigen Bildung eines Volkes, und nimmt namentlich in
unſerer Zeit neben dem Unterrichtsweſen eine vollkommen ſelb-
ſtändige, demſelben an Bedeutung und Einfluß faſt gleichkommende
Stellung ein. Wir können daher mit dem, was man die „Preß-
polizei“ nennt und was in derſelben vorkommt, weder das Weſen
der Preſſe, noch auch das Recht derſelben erſchöpfen. Der

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[IX/0015] Ich habe geglaubt, dieſe Erklärung hier vorausſenden zu müſſen. Die große Unbeſtimmtheit des Begriffes der Polizei, die Aufgabe, dieſelbe nur erſt überhaupt auf ihr wahres Gebiet zu- rückzuführen, das Streben, ſie dem ſo viel höheren und größeren der Verwaltung überhaupt und ſpeziell des Innern unterzuordnen, und die Schwierigkeit, den Begriff der Sicherheitspolizei, der bis- her die ganze Polizei umfaßte, als einen ganz ſpeziellen in der innern Verwaltung aufzuſtellen, haben den ſyſtematiſchen Fehler hervorgerufen. Die Lücke, die dadurch in der Lehre von der voll- ziehenden Gewalt entſtanden iſt, iſt keine unbedeutende, und der Begriff und die Stellung der Sicherheitspolizei als ſpezielle Polizei des perſönlichen Lebens haben dadurch nicht an Klarheit gewonnen. Indeß darf ich wiederholen, daß die einzelnen Ausführungen da- durch kaum erheblich leiden werden. Sollten meine verehrten Leſer daher auf das Syſtem als ſolches Werth legen, ſo bitte ich nur, das hier aufgeſtellte „Polizeirecht“ einfach an die oben bezeichnete Stelle der vollziehenden Gewalt zu ſetzen. Es ſcheint mir, als ob alsdann dem Ganzen Genüge geſchehen wäre. Ich kann dabei nicht ſchließen, ohne einen zweiten Punkt, gleichfalls ſyſtematiſcher Natur, hier zu berühren, bei dem es ſich jedoch mehr um die Auffaſſung ſelbſt als um eine formelle Be- ſtimmung handelt. Das iſt das Preßrecht. Viele meiner Leſer werden erwarten, daß das Preßrecht und die Preßgeſetzgebung nebſt Briefrecht, Hausrecht u. ſ. w. gleichfalls in die Sicherheits- polizei hineingeſtellt ſein werde. Ich muß dieſe Auffaſſung für eine nicht richtige halten. Die Preſſe iſt an und für ſich durchaus keine bloß erlaubte Handlung, wie das Briefſchreiben, der Beſitz von Waffen u. ſ. w., ſondern ſie iſt ein großes, gewaltiges Mittel der geiſtigen Bildung eines Volkes, und nimmt namentlich in unſerer Zeit neben dem Unterrichtsweſen eine vollkommen ſelb- ſtändige, demſelben an Bedeutung und Einfluß faſt gleichkommende Stellung ein. Wir können daher mit dem, was man die „Preß- polizei“ nennt und was in derſelben vorkommt, weder das Weſen der Preſſe, noch auch das Recht derſelben erſchöpfen. Der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/15>, abgerufen am 27.04.2024.