Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

(Art. 292); eben so die, welche ihre Wohnung dazu hergeben. Wesentlich
ist, daß die in solchen Zusammenkünften geschehenen Aufforderungen
zum öffentlichen Widerstande an den Vorständen des Vereins bestraft
werden (Art. 293). Ein Recht der Sicherheitspolizei ist nun indirekt in
dem Satze enthalten, daß die Behörde das Recht haben soll, dem Ver-
eine bei seiner Erlaubniß jede ihr angemessen erscheinende Bedingung
aufzuerlegen. Das Gesetz vom 10. April 1834 ging einen wesentlichen
Schritt weiter, und führte auch die Strafbarkeit der Theilnehmer ein;
das Gesetz vom 28. Juli 1848 erlaubte wieder unbedingt die politischen
Gesellschaften, verbot aber die geheimen Clubbs; das Gesetz vom 19. Juni
1849 gab der Regierung das Recht, jede Gesellschaft aufzulösen, und
das Decret vom 23. März stellte das alte Recht wieder her, mit größerer
Vollmacht für die Präfectur. So liegt jetzt wie früher das sicherheits-
polizeiliche Element eben in den polizeilich vorgeschriebenen Bedingungen
und in dem rein polizeilichen Recht der Auflösung. Laferriere, Droit
admin. I. Ch. I. Block, Dict. v. Clubs
und Societes secretes. -- Das
Recht Belgiens ist auch hier viel freier wie das französische. Es steht
auf der Basis der vollen Freiheit des Vereinsrechts; die Constitution vom
7. Februar 1831 (Art. 19, 20) erlaubt ohne alle Beschränkung jede
Art von Vereinen; nur da, wo sie durch den für die Zusammenkunft
gewählten Ort den Charakter von Volksversammlungen annehmen, tritt
ein anderes Recht ein. (Vergl. J. Britz, La Constitution Belge 1865,
S. 44, 45). In Holland bestand bisher die französische Gesetzgebung
des Code Penal (Strafregt art. 291--294). Erst das neue Grund-
gesetz (in Art. 10) hat das Recht zu Vereinen ganz allgemein anerkannt;
das eigentliche Vereinsgesetz ist jedoch erst vom 22. April 1853, und
dieß ist keineswegs so gar einfach. Zwar ist keine Erlaubniß gefordert,
(as) wohl aber sind alle Vereine, "welche mit der öffentlichen Ordnung
im Widerspruch stehen" (stridig met de openbare orde) verboten;
dazu gehören alle Vereine, die zum Zweck haben, 1) den Widerstand
gegen die Uebertretung von einem Recht, 2) Unsittlichkeit, 3) die Stö-
rung in der Ausübung von Rechten, welche sie sein mögen (Art. 3).
Damit werden die Art. 291, 292 und 294 des Strafrechts aufgehoben.
Der Art. 293 aber blieb; derselbe bestimmt, daß (wörtlich nach Art. 293
des Code Penal) die Aufreizungen an den leitenden Organen mit Bußen
von 100 bis 300 fl. bestraft werden sollen. Dieß Rechtssystem ist mit-
hin in der That nur ein scheinbar freies Vereinsrecht. (Vergleiche de
Bosch-Kemper
§§. 80, 81.) Das holländische Vereinsrecht hat
übrigens schon eine vollständige juristische Literatur, dessen sich das
deutsche nicht rühmen kann. (Siehe de Bosch-Kemper §. 36.)
Was speziell Deutschland betrifft, so muß man hier sowohl die

(Art. 292); eben ſo die, welche ihre Wohnung dazu hergeben. Weſentlich
iſt, daß die in ſolchen Zuſammenkünften geſchehenen Aufforderungen
zum öffentlichen Widerſtande an den Vorſtänden des Vereins beſtraft
werden (Art. 293). Ein Recht der Sicherheitspolizei iſt nun indirekt in
dem Satze enthalten, daß die Behörde das Recht haben ſoll, dem Ver-
eine bei ſeiner Erlaubniß jede ihr angemeſſen erſcheinende Bedingung
aufzuerlegen. Das Geſetz vom 10. April 1834 ging einen weſentlichen
Schritt weiter, und führte auch die Strafbarkeit der Theilnehmer ein;
das Geſetz vom 28. Juli 1848 erlaubte wieder unbedingt die politiſchen
Geſellſchaften, verbot aber die geheimen Clubbs; das Geſetz vom 19. Juni
1849 gab der Regierung das Recht, jede Geſellſchaft aufzulöſen, und
das Decret vom 23. März ſtellte das alte Recht wieder her, mit größerer
Vollmacht für die Präfectur. So liegt jetzt wie früher das ſicherheits-
polizeiliche Element eben in den polizeilich vorgeſchriebenen Bedingungen
und in dem rein polizeilichen Recht der Auflöſung. Laferrière, Droit
admin. I. Ch. I. Block, Dict. v. Clubs
und Sociétés secrètes. — Das
Recht Belgiens iſt auch hier viel freier wie das franzöſiſche. Es ſteht
auf der Baſis der vollen Freiheit des Vereinsrechts; die Conſtitution vom
7. Februar 1831 (Art. 19, 20) erlaubt ohne alle Beſchränkung jede
Art von Vereinen; nur da, wo ſie durch den für die Zuſammenkunft
gewählten Ort den Charakter von Volksverſammlungen annehmen, tritt
ein anderes Recht ein. (Vergl. J. Britz, La Constitution Belge 1865,
S. 44, 45). In Holland beſtand bisher die franzöſiſche Geſetzgebung
des Code Pénal (Strafregt art. 291—294). Erſt das neue Grund-
geſetz (in Art. 10) hat das Recht zu Vereinen ganz allgemein anerkannt;
das eigentliche Vereinsgeſetz iſt jedoch erſt vom 22. April 1853, und
dieß iſt keineswegs ſo gar einfach. Zwar iſt keine Erlaubniß gefordert,
(as) wohl aber ſind alle Vereine, „welche mit der öffentlichen Ordnung
im Widerſpruch ſtehen“ (stridig met de openbare orde) verboten;
dazu gehören alle Vereine, die zum Zweck haben, 1) den Widerſtand
gegen die Uebertretung von einem Recht, 2) Unſittlichkeit, 3) die Stö-
rung in der Ausübung von Rechten, welche ſie ſein mögen (Art. 3).
Damit werden die Art. 291, 292 und 294 des Strafrechts aufgehoben.
Der Art. 293 aber blieb; derſelbe beſtimmt, daß (wörtlich nach Art. 293
des Code Pénal) die Aufreizungen an den leitenden Organen mit Bußen
von 100 bis 300 fl. beſtraft werden ſollen. Dieß Rechtsſyſtem iſt mit-
hin in der That nur ein ſcheinbar freies Vereinsrecht. (Vergleiche de
Bosch-Kemper
§§. 80, 81.) Das holländiſche Vereinsrecht hat
übrigens ſchon eine vollſtändige juriſtiſche Literatur, deſſen ſich das
deutſche nicht rühmen kann. (Siehe de Bosch-Kemper §. 36.)
Was ſpeziell Deutſchland betrifft, ſo muß man hier ſowohl die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0134" n="112"/>
(Art. 292); eben &#x017F;o die, welche ihre Wohnung dazu hergeben. We&#x017F;entlich<lb/>
i&#x017F;t, daß die <hi rendition="#g">in</hi> &#x017F;olchen Zu&#x017F;ammenkünften ge&#x017F;chehenen Aufforderungen<lb/>
zum öffentlichen Wider&#x017F;tande an den Vor&#x017F;tänden des Vereins be&#x017F;traft<lb/>
werden (Art. 293). Ein Recht der Sicherheitspolizei i&#x017F;t nun indirekt in<lb/>
dem Satze enthalten, daß die Behörde das Recht haben &#x017F;oll, dem Ver-<lb/>
eine bei &#x017F;einer Erlaubniß <hi rendition="#g">jede</hi> ihr angeme&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;cheinende Bedingung<lb/>
aufzuerlegen. Das Ge&#x017F;etz vom 10. April 1834 ging einen we&#x017F;entlichen<lb/>
Schritt weiter, und führte auch die Strafbarkeit der Theilnehmer ein;<lb/>
das Ge&#x017F;etz vom 28. Juli 1848 erlaubte wieder unbedingt die politi&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, verbot aber die geheimen Clubbs; das Ge&#x017F;etz vom 19. Juni<lb/>
1849 gab der Regierung das Recht, jede Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft aufzulö&#x017F;en, und<lb/>
das Decret vom 23. März &#x017F;tellte das alte Recht wieder her, mit größerer<lb/>
Vollmacht für die Präfectur. So liegt jetzt wie früher das &#x017F;icherheits-<lb/>
polizeiliche Element eben in den polizeilich vorge&#x017F;chriebenen Bedingungen<lb/>
und in dem rein polizeilichen Recht der Auflö&#x017F;ung. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Laferrière</hi>, Droit<lb/>
admin. I. Ch. I. <hi rendition="#g">Block</hi>, Dict. v. Clubs</hi> und <hi rendition="#aq">Sociétés secrètes.</hi> &#x2014; Das<lb/>
Recht <hi rendition="#g">Belgiens</hi> i&#x017F;t auch hier viel freier wie das franzö&#x017F;i&#x017F;che. Es &#x017F;teht<lb/>
auf der Ba&#x017F;is der vollen Freiheit des Vereinsrechts; die Con&#x017F;titution vom<lb/>
7. Februar 1831 (Art. 19, 20) erlaubt ohne alle Be&#x017F;chränkung jede<lb/>
Art von Vereinen; nur da, wo &#x017F;ie durch den für die Zu&#x017F;ammenkunft<lb/>
gewählten Ort den Charakter von Volksver&#x017F;ammlungen annehmen, tritt<lb/>
ein anderes Recht ein. (Vergl. <hi rendition="#aq">J. <hi rendition="#g">Britz</hi>, La Constitution Belge</hi> 1865,<lb/>
S. 44, 45). In <hi rendition="#g">Holland</hi> be&#x017F;tand bisher die franzö&#x017F;i&#x017F;che Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
des <hi rendition="#aq">Code Pénal (Strafregt art.</hi> 291&#x2014;294). Er&#x017F;t das neue Grund-<lb/>
ge&#x017F;etz (in Art. 10) hat das Recht zu Vereinen ganz allgemein anerkannt;<lb/>
das eigentliche <hi rendition="#g">Vereinsge&#x017F;etz</hi> i&#x017F;t jedoch er&#x017F;t vom 22. April 1853, und<lb/>
dieß i&#x017F;t keineswegs &#x017F;o gar einfach. Zwar i&#x017F;t <hi rendition="#g">keine</hi> Erlaubniß gefordert,<lb/>
(<hi rendition="#aq">as</hi>) wohl aber &#x017F;ind alle Vereine, &#x201E;welche mit der öffentlichen Ordnung<lb/>
im Wider&#x017F;pruch &#x017F;tehen&#x201C; (<hi rendition="#aq">stridig met de openbare orde</hi>) verboten;<lb/>
dazu gehören alle Vereine, die zum Zweck haben, 1) den Wider&#x017F;tand<lb/>
gegen die Uebertretung von einem Recht, 2) Un&#x017F;ittlichkeit, 3) die Stö-<lb/>
rung in der Ausübung von Rechten, <hi rendition="#g">welche &#x017F;ie &#x017F;ein mögen</hi> (Art. 3).<lb/>
Damit werden die Art. 291, 292 und 294 des Strafrechts aufgehoben.<lb/>
Der Art. 293 aber blieb; der&#x017F;elbe be&#x017F;timmt, daß (wörtlich nach Art. 293<lb/>
des <hi rendition="#aq">Code Pénal</hi>) die Aufreizungen an den leitenden Organen mit Bußen<lb/>
von 100 bis 300 fl. be&#x017F;traft werden &#x017F;ollen. Dieß Rechts&#x017F;y&#x017F;tem i&#x017F;t mit-<lb/>
hin in der That nur ein &#x017F;cheinbar freies Vereinsrecht. (Vergleiche <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">de<lb/>
Bosch-Kemper</hi></hi> §§. 80, 81.) Das holländi&#x017F;che Vereinsrecht hat<lb/>
übrigens &#x017F;chon eine voll&#x017F;tändige juri&#x017F;ti&#x017F;che Literatur, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich das<lb/>
deut&#x017F;che nicht rühmen kann. (Siehe <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">de Bosch-Kemper</hi></hi> §. 36.)<lb/>
Was &#x017F;peziell <hi rendition="#g">Deut&#x017F;chland</hi> betrifft, &#x017F;o muß man hier &#x017F;owohl die<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0134] (Art. 292); eben ſo die, welche ihre Wohnung dazu hergeben. Weſentlich iſt, daß die in ſolchen Zuſammenkünften geſchehenen Aufforderungen zum öffentlichen Widerſtande an den Vorſtänden des Vereins beſtraft werden (Art. 293). Ein Recht der Sicherheitspolizei iſt nun indirekt in dem Satze enthalten, daß die Behörde das Recht haben ſoll, dem Ver- eine bei ſeiner Erlaubniß jede ihr angemeſſen erſcheinende Bedingung aufzuerlegen. Das Geſetz vom 10. April 1834 ging einen weſentlichen Schritt weiter, und führte auch die Strafbarkeit der Theilnehmer ein; das Geſetz vom 28. Juli 1848 erlaubte wieder unbedingt die politiſchen Geſellſchaften, verbot aber die geheimen Clubbs; das Geſetz vom 19. Juni 1849 gab der Regierung das Recht, jede Geſellſchaft aufzulöſen, und das Decret vom 23. März ſtellte das alte Recht wieder her, mit größerer Vollmacht für die Präfectur. So liegt jetzt wie früher das ſicherheits- polizeiliche Element eben in den polizeilich vorgeſchriebenen Bedingungen und in dem rein polizeilichen Recht der Auflöſung. Laferrière, Droit admin. I. Ch. I. Block, Dict. v. Clubs und Sociétés secrètes. — Das Recht Belgiens iſt auch hier viel freier wie das franzöſiſche. Es ſteht auf der Baſis der vollen Freiheit des Vereinsrechts; die Conſtitution vom 7. Februar 1831 (Art. 19, 20) erlaubt ohne alle Beſchränkung jede Art von Vereinen; nur da, wo ſie durch den für die Zuſammenkunft gewählten Ort den Charakter von Volksverſammlungen annehmen, tritt ein anderes Recht ein. (Vergl. J. Britz, La Constitution Belge 1865, S. 44, 45). In Holland beſtand bisher die franzöſiſche Geſetzgebung des Code Pénal (Strafregt art. 291—294). Erſt das neue Grund- geſetz (in Art. 10) hat das Recht zu Vereinen ganz allgemein anerkannt; das eigentliche Vereinsgeſetz iſt jedoch erſt vom 22. April 1853, und dieß iſt keineswegs ſo gar einfach. Zwar iſt keine Erlaubniß gefordert, (as) wohl aber ſind alle Vereine, „welche mit der öffentlichen Ordnung im Widerſpruch ſtehen“ (stridig met de openbare orde) verboten; dazu gehören alle Vereine, die zum Zweck haben, 1) den Widerſtand gegen die Uebertretung von einem Recht, 2) Unſittlichkeit, 3) die Stö- rung in der Ausübung von Rechten, welche ſie ſein mögen (Art. 3). Damit werden die Art. 291, 292 und 294 des Strafrechts aufgehoben. Der Art. 293 aber blieb; derſelbe beſtimmt, daß (wörtlich nach Art. 293 des Code Pénal) die Aufreizungen an den leitenden Organen mit Bußen von 100 bis 300 fl. beſtraft werden ſollen. Dieß Rechtsſyſtem iſt mit- hin in der That nur ein ſcheinbar freies Vereinsrecht. (Vergleiche de Bosch-Kemper §§. 80, 81.) Das holländiſche Vereinsrecht hat übrigens ſchon eine vollſtändige juriſtiſche Literatur, deſſen ſich das deutſche nicht rühmen kann. (Siehe de Bosch-Kemper §. 36.) Was ſpeziell Deutſchland betrifft, ſo muß man hier ſowohl die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/134
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/134>, abgerufen am 05.05.2024.