der Geist des Volkes im Namen der Idee der Freiheit die Reformen fordert, mit dem Geiste und mit den Ideen selbst einen Kampf auf Leben und Tod beginnt. Das ist der Weg, auf dem die Sicherheits- polizei, obwohl im Grunde kein Verständiger ihre Nothwendigkeit und Berechtigung jemals bezweifeln wird, dennoch sich und die Regierung, welche sie vertritt, mit den gewaltigsten Faktoren des Volkslebens in unlösbaren Widerspruch bringt, und mit dem falschen Zwecke, für den sie arbeiten muß, selbst zugleich verurtheilt wird.
Auch dieser Widerspruch kann gelöst werden, und muß es, und diese Lösung ist es, aus welcher das Recht der höheren Sicherheits- polizei hervorgeht. Offenbar ist es nicht das Streben nach Aenderung des Bestehenden, welches an sich durch polizeiliche Thätigkeit zu unter- drücken ist, sondern nur das gewaltsame Eingreifen in die bestehende Ordnung, um vermöge desselben ein neues Recht zu schaffen. Ein solches gewaltsames Eingreifen, oder jede äußere, auf Aenderung der bestehenden Rechtsordnung gerichtete gewaltsame That enthält nun selbst wieder zwei Elemente, und daher auch zwei Arten des Rechts; und hier ist es, wo die gewöhnliche Auffassung uns nicht mehr ausreicht. Einerseits nämlich als wirkliche Verletzung der bestehenden gesetzlichen Ordnung ist sie ein Verbrechen, andererseits als Vorbereitung zu jener Verletzung durch an sich nicht verbotene Handlungen ist sie ein Gegen- stand der Polizei. Zum Verbrechen sind alle jene Handlungen zu zäh- len, welche den individuellen Willen an die Stelle des allgemeinen setzen; zur Vorbereitung diejenigen, welche die materiellen Bedingungen eines gewaltsamen Kampfes des Einzelnen mit der Ordnung der Ge- sammtheit darbieten. Das Recht des Verbrechens und Vergehens gegen die Sicherheit des öffentlichen Rechts findet daher seinen Platz im Strafrecht; allein das Recht der, solche Verbrechen materiell ermög- lichenden, an sich erlaubten Handlungen kann nicht im Strafrecht Platz finden, wo nicht die Begriffe von Versuch und Hülfe angewendet werden können. Das letztere Recht ist daher ein Theil des Polizeirechts, und erscheint somit als dasjenige, was wir speziell das Recht der höhe- ren Sicherheitspolizei zu nennen haben.
Der Unterschied beider Rechtsgebiete an sich ist nun wohl einleuch- tend, eben so wie ihr Objekt. Das Objekt des Strafrechts bei Bedro- hung der öffentlichen Rechtsordnung ist eine durch das Strafgesetz ver- botene Handlung, das Objekt der Sicherheitspolizei dagegen stets eine erlaubte. Die Aufgabe des ersteren ist es, den Thäter der gericht- lichen Bestrafung zu überliefern; die Aufgabe der zweiten dagegen, die Einzelnen an der Begehung von Handlungen zu hindern, welche be- straft werden müßten. Das Organ, welches funktionirt, ist allerdings
der Geiſt des Volkes im Namen der Idee der Freiheit die Reformen fordert, mit dem Geiſte und mit den Ideen ſelbſt einen Kampf auf Leben und Tod beginnt. Das iſt der Weg, auf dem die Sicherheits- polizei, obwohl im Grunde kein Verſtändiger ihre Nothwendigkeit und Berechtigung jemals bezweifeln wird, dennoch ſich und die Regierung, welche ſie vertritt, mit den gewaltigſten Faktoren des Volkslebens in unlösbaren Widerſpruch bringt, und mit dem falſchen Zwecke, für den ſie arbeiten muß, ſelbſt zugleich verurtheilt wird.
Auch dieſer Widerſpruch kann gelöst werden, und muß es, und dieſe Löſung iſt es, aus welcher das Recht der höheren Sicherheits- polizei hervorgeht. Offenbar iſt es nicht das Streben nach Aenderung des Beſtehenden, welches an ſich durch polizeiliche Thätigkeit zu unter- drücken iſt, ſondern nur das gewaltſame Eingreifen in die beſtehende Ordnung, um vermöge deſſelben ein neues Recht zu ſchaffen. Ein ſolches gewaltſames Eingreifen, oder jede äußere, auf Aenderung der beſtehenden Rechtsordnung gerichtete gewaltſame That enthält nun ſelbſt wieder zwei Elemente, und daher auch zwei Arten des Rechts; und hier iſt es, wo die gewöhnliche Auffaſſung uns nicht mehr ausreicht. Einerſeits nämlich als wirkliche Verletzung der beſtehenden geſetzlichen Ordnung iſt ſie ein Verbrechen, andererſeits als Vorbereitung zu jener Verletzung durch an ſich nicht verbotene Handlungen iſt ſie ein Gegen- ſtand der Polizei. Zum Verbrechen ſind alle jene Handlungen zu zäh- len, welche den individuellen Willen an die Stelle des allgemeinen ſetzen; zur Vorbereitung diejenigen, welche die materiellen Bedingungen eines gewaltſamen Kampfes des Einzelnen mit der Ordnung der Ge- ſammtheit darbieten. Das Recht des Verbrechens und Vergehens gegen die Sicherheit des öffentlichen Rechts findet daher ſeinen Platz im Strafrecht; allein das Recht der, ſolche Verbrechen materiell ermög- lichenden, an ſich erlaubten Handlungen kann nicht im Strafrecht Platz finden, wo nicht die Begriffe von Verſuch und Hülfe angewendet werden können. Das letztere Recht iſt daher ein Theil des Polizeirechts, und erſcheint ſomit als dasjenige, was wir ſpeziell das Recht der höhe- ren Sicherheitspolizei zu nennen haben.
Der Unterſchied beider Rechtsgebiete an ſich iſt nun wohl einleuch- tend, eben ſo wie ihr Objekt. Das Objekt des Strafrechts bei Bedro- hung der öffentlichen Rechtsordnung iſt eine durch das Strafgeſetz ver- botene Handlung, das Objekt der Sicherheitspolizei dagegen ſtets eine erlaubte. Die Aufgabe des erſteren iſt es, den Thäter der gericht- lichen Beſtrafung zu überliefern; die Aufgabe der zweiten dagegen, die Einzelnen an der Begehung von Handlungen zu hindern, welche be- ſtraft werden müßten. Das Organ, welches funktionirt, iſt allerdings
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der Geiſt des Volkes im Namen der Idee der Freiheit die Reformen
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polizei, obwohl im Grunde kein Verſtändiger ihre Nothwendigkeit und
Berechtigung jemals bezweifeln wird, dennoch ſich und die Regierung,
welche ſie vertritt, mit den gewaltigſten Faktoren des Volkslebens in
unlösbaren Widerſpruch bringt, und mit dem falſchen Zwecke, für den
ſie arbeiten muß, ſelbſt zugleich verurtheilt wird.
Auch dieſer Widerſpruch kann gelöst werden, und muß es, und
dieſe Löſung iſt es, aus welcher das Recht der höheren Sicherheits-
polizei hervorgeht. Offenbar iſt es nicht das Streben nach Aenderung
des Beſtehenden, welches an ſich durch polizeiliche Thätigkeit zu unter-
drücken iſt, ſondern nur das gewaltſame Eingreifen in die beſtehende
Ordnung, um vermöge deſſelben ein neues Recht zu ſchaffen. Ein
ſolches gewaltſames Eingreifen, oder jede äußere, auf Aenderung der
beſtehenden Rechtsordnung gerichtete gewaltſame That enthält nun ſelbſt
wieder zwei Elemente, und daher auch zwei Arten des Rechts; und
hier iſt es, wo die gewöhnliche Auffaſſung uns nicht mehr ausreicht.
Einerſeits nämlich als wirkliche Verletzung der beſtehenden geſetzlichen
Ordnung iſt ſie ein Verbrechen, andererſeits als Vorbereitung zu jener
Verletzung durch an ſich nicht verbotene Handlungen iſt ſie ein Gegen-
ſtand der Polizei. Zum Verbrechen ſind alle jene Handlungen zu zäh-
len, welche den individuellen Willen an die Stelle des allgemeinen
ſetzen; zur Vorbereitung diejenigen, welche die materiellen Bedingungen
eines gewaltſamen Kampfes des Einzelnen mit der Ordnung der Ge-
ſammtheit darbieten. Das Recht des Verbrechens und Vergehens gegen
die Sicherheit des öffentlichen Rechts findet daher ſeinen Platz im
Strafrecht; allein das Recht der, ſolche Verbrechen materiell ermög-
lichenden, an ſich erlaubten Handlungen kann nicht im Strafrecht Platz
finden, wo nicht die Begriffe von Verſuch und Hülfe angewendet werden
können. Das letztere Recht iſt daher ein Theil des Polizeirechts, und
erſcheint ſomit als dasjenige, was wir ſpeziell das Recht der höhe-
ren Sicherheitspolizei zu nennen haben.
Der Unterſchied beider Rechtsgebiete an ſich iſt nun wohl einleuch-
tend, eben ſo wie ihr Objekt. Das Objekt des Strafrechts bei Bedro-
hung der öffentlichen Rechtsordnung iſt eine durch das Strafgeſetz ver-
botene Handlung, das Objekt der Sicherheitspolizei dagegen ſtets eine
erlaubte. Die Aufgabe des erſteren iſt es, den Thäter der gericht-
lichen Beſtrafung zu überliefern; die Aufgabe der zweiten dagegen, die
Einzelnen an der Begehung von Handlungen zu hindern, welche be-
ſtraft werden müßten. Das Organ, welches funktionirt, iſt allerdings
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/116>, abgerufen am 27.07.2024.
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