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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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daher stets nicht etwa ein Strafrecht, sondern das Disciplinarrecht
der Staatsdiener sein.

Wenn aber zweitens der Zwang in seinem Grade das Maß
desjenigen überschreitet, was zur Vollziehung nothwendig war, so ist
das Recht des Gezwungenen verletzt, und damit tritt statt des
Beschwerderechts das Klagrecht desselben, mit demselben das der straf-
rechtlichen, eventuell der bürgerlichen Haftung des Vollzugsorgans auf
Schadenersatz ein. Sowie dieser Grundsatz des Klagrechts einmal an-
erkannt und die Klage eingebracht ist, beginnt die Funktion des Ge-
richtes
, und die Klage hat den regelmäßigen Rechtsweg zu gehen.
Es muß dabei festgehalten werden, daß dieses Klagrecht nicht etwa
auf die Anwendung der Waffengewalt und dabei vorkommende Ver-
letzungen beschränkt ist, sondern auf jeden gegen die Person aus-
geübten Zwangsakt geht. Es ist dabei selbstverständlich, daß das Recht
der Nothwehr bei dem polizeilichen Zwange für den Gezwungenen
nicht gilt, da der Widerstand gegen die Funktion des Vollzugsorganes
eben keine Noth enthält. Ebenso unzweifelhaft ist es offenbar, daß
das Vollzugsorgan stets auf Nothwehr sich berufen und das ganze
strafrechtliche Recht der Nothwehr für sich in Anspruch nehmen kann;
mit der Nothwehr hört natürlich die Haftung auf. -- Ob nun das
Vollzugsorgan in jedem einzelnen Falle die Gränze des Zwanges über-
schritten hat oder nicht, das zu beurtheilen ist die Sache des Gerichts.
Es ist gar kein Grund vorhanden, das Urtheil oder Verfahren irgend
eines andern Organes zu fordern. Das Gericht hat aber dabei ganz
nach den für jede andere körperliche Verletzung geltenden Regeln zu ver-
fahren, und zwar natürlich zuerst den Beweis herzustellen, daß das
nothwendige Maß überschritten sei, dann die Strafe für die verschuldete
Ueberschreitung festzusetzen.

Alle diese höchst einfachen Grundsätze finden nun für ihre Anwendung
überhaupt eigentlich nur die allgemeine Schwierigkeit in dem Bedenken gegen
die Zulassung des administrativen Klagrechts überhaupt. Wo dieß nur
erst einmal anerkannt ist, wird sich die Einfachheit und die entschiedene
Berechtigung der obigen Forderungen von selbst ergeben. Und es ist kein
Zweifel, daß kein verfassungsmäßiges Polizeirecht vollständig, und kein
staatsbürgerlicher Rechtszustand gesichert ist, so lange jene Grundsätze nicht
allgemein als unbezweifelt geltendes öffentliches Recht, als die letzte Voll-
endung des verfassungsmäßigen Verwaltungsrechts verwirklicht werden.

Der spezielle Theil des Polizeirechts, namentlich das Sicherheits-
polizeirecht, hat dann zu zeigen, mit welchen Modifikationen dieselben in
den einzelnen Gebieten der Polizei zur Anwendung zu gelangen haben.


daher ſtets nicht etwa ein Strafrecht, ſondern das Disciplinarrecht
der Staatsdiener ſein.

Wenn aber zweitens der Zwang in ſeinem Grade das Maß
desjenigen überſchreitet, was zur Vollziehung nothwendig war, ſo iſt
das Recht des Gezwungenen verletzt, und damit tritt ſtatt des
Beſchwerderechts das Klagrecht deſſelben, mit demſelben das der ſtraf-
rechtlichen, eventuell der bürgerlichen Haftung des Vollzugsorgans auf
Schadenerſatz ein. Sowie dieſer Grundſatz des Klagrechts einmal an-
erkannt und die Klage eingebracht iſt, beginnt die Funktion des Ge-
richtes
, und die Klage hat den regelmäßigen Rechtsweg zu gehen.
Es muß dabei feſtgehalten werden, daß dieſes Klagrecht nicht etwa
auf die Anwendung der Waffengewalt und dabei vorkommende Ver-
letzungen beſchränkt iſt, ſondern auf jeden gegen die Perſon aus-
geübten Zwangsakt geht. Es iſt dabei ſelbſtverſtändlich, daß das Recht
der Nothwehr bei dem polizeilichen Zwange für den Gezwungenen
nicht gilt, da der Widerſtand gegen die Funktion des Vollzugsorganes
eben keine Noth enthält. Ebenſo unzweifelhaft iſt es offenbar, daß
das Vollzugsorgan ſtets auf Nothwehr ſich berufen und das ganze
ſtrafrechtliche Recht der Nothwehr für ſich in Anſpruch nehmen kann;
mit der Nothwehr hört natürlich die Haftung auf. — Ob nun das
Vollzugsorgan in jedem einzelnen Falle die Gränze des Zwanges über-
ſchritten hat oder nicht, das zu beurtheilen iſt die Sache des Gerichts.
Es iſt gar kein Grund vorhanden, das Urtheil oder Verfahren irgend
eines andern Organes zu fordern. Das Gericht hat aber dabei ganz
nach den für jede andere körperliche Verletzung geltenden Regeln zu ver-
fahren, und zwar natürlich zuerſt den Beweis herzuſtellen, daß das
nothwendige Maß überſchritten ſei, dann die Strafe für die verſchuldete
Ueberſchreitung feſtzuſetzen.

Alle dieſe höchſt einfachen Grundſätze finden nun für ihre Anwendung
überhaupt eigentlich nur die allgemeine Schwierigkeit in dem Bedenken gegen
die Zulaſſung des adminiſtrativen Klagrechts überhaupt. Wo dieß nur
erſt einmal anerkannt iſt, wird ſich die Einfachheit und die entſchiedene
Berechtigung der obigen Forderungen von ſelbſt ergeben. Und es iſt kein
Zweifel, daß kein verfaſſungsmäßiges Polizeirecht vollſtändig, und kein
ſtaatsbürgerlicher Rechtszuſtand geſichert iſt, ſo lange jene Grundſätze nicht
allgemein als unbezweifelt geltendes öffentliches Recht, als die letzte Voll-
endung des verfaſſungsmäßigen Verwaltungsrechts verwirklicht werden.

Der ſpezielle Theil des Polizeirechts, namentlich das Sicherheits-
polizeirecht, hat dann zu zeigen, mit welchen Modifikationen dieſelben in
den einzelnen Gebieten der Polizei zur Anwendung zu gelangen haben.


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[82/0104] daher ſtets nicht etwa ein Strafrecht, ſondern das Disciplinarrecht der Staatsdiener ſein. Wenn aber zweitens der Zwang in ſeinem Grade das Maß desjenigen überſchreitet, was zur Vollziehung nothwendig war, ſo iſt das Recht des Gezwungenen verletzt, und damit tritt ſtatt des Beſchwerderechts das Klagrecht deſſelben, mit demſelben das der ſtraf- rechtlichen, eventuell der bürgerlichen Haftung des Vollzugsorgans auf Schadenerſatz ein. Sowie dieſer Grundſatz des Klagrechts einmal an- erkannt und die Klage eingebracht iſt, beginnt die Funktion des Ge- richtes, und die Klage hat den regelmäßigen Rechtsweg zu gehen. Es muß dabei feſtgehalten werden, daß dieſes Klagrecht nicht etwa auf die Anwendung der Waffengewalt und dabei vorkommende Ver- letzungen beſchränkt iſt, ſondern auf jeden gegen die Perſon aus- geübten Zwangsakt geht. Es iſt dabei ſelbſtverſtändlich, daß das Recht der Nothwehr bei dem polizeilichen Zwange für den Gezwungenen nicht gilt, da der Widerſtand gegen die Funktion des Vollzugsorganes eben keine Noth enthält. Ebenſo unzweifelhaft iſt es offenbar, daß das Vollzugsorgan ſtets auf Nothwehr ſich berufen und das ganze ſtrafrechtliche Recht der Nothwehr für ſich in Anſpruch nehmen kann; mit der Nothwehr hört natürlich die Haftung auf. — Ob nun das Vollzugsorgan in jedem einzelnen Falle die Gränze des Zwanges über- ſchritten hat oder nicht, das zu beurtheilen iſt die Sache des Gerichts. Es iſt gar kein Grund vorhanden, das Urtheil oder Verfahren irgend eines andern Organes zu fordern. Das Gericht hat aber dabei ganz nach den für jede andere körperliche Verletzung geltenden Regeln zu ver- fahren, und zwar natürlich zuerſt den Beweis herzuſtellen, daß das nothwendige Maß überſchritten ſei, dann die Strafe für die verſchuldete Ueberſchreitung feſtzuſetzen. Alle dieſe höchſt einfachen Grundſätze finden nun für ihre Anwendung überhaupt eigentlich nur die allgemeine Schwierigkeit in dem Bedenken gegen die Zulaſſung des adminiſtrativen Klagrechts überhaupt. Wo dieß nur erſt einmal anerkannt iſt, wird ſich die Einfachheit und die entſchiedene Berechtigung der obigen Forderungen von ſelbſt ergeben. Und es iſt kein Zweifel, daß kein verfaſſungsmäßiges Polizeirecht vollſtändig, und kein ſtaatsbürgerlicher Rechtszuſtand geſichert iſt, ſo lange jene Grundſätze nicht allgemein als unbezweifelt geltendes öffentliches Recht, als die letzte Voll- endung des verfaſſungsmäßigen Verwaltungsrechts verwirklicht werden. Der ſpezielle Theil des Polizeirechts, namentlich das Sicherheits- polizeirecht, hat dann zu zeigen, mit welchen Modifikationen dieſelben in den einzelnen Gebieten der Polizei zur Anwendung zu gelangen haben.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/104>, abgerufen am 29.11.2024.