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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Natur der angewendeten Mittel eintreten, und die noch geltende
Strenge der ständisch-polizeilichen Standpunkte darnach gemildert werden.


Frank hat zuerst die Quacksalberei von einem freieren, historischen
Standpunkt behandelt. Bd. VII. 221 ff. Römisches Recht l. 132 d.
R. J. (culpae reus est) l. 7 l. de prof. et med. (nemo nisi exami-
natus medicinam exerceat).
Seit Auftreten der gebildeten Aerzte ge-
winnt das ständische Recht die Ausschließlichkeit beider und bleibt von
da an mit großer Strenge auf dem ganzen Continent. Nur England,
das keine strenge Universitätsbildung hat, behält den römischen Grund-
satz der freien Praxis mit privater Verantwortlichkeit bei. In Deutsch-
land
dagegen wird das Bestehen der Prüfung Grundsatz. Reichs-
kammergerichtsordnung I. 18; die C. C. Carolina 134 macht dann
ein Vergehen aus der Kurpfuscherei. Dieß wird allgemein auf dem
Continent. -- Frankreich. Allgemeines Verbot der Heilung ohne den
Erwerb eines Universitätsgrades (Verordnung vom 18. März 1707).
-- Oesterreich. Gesetzliche Verbote seit 1671 (s. auch Sonnenfels
III. 180; Kopetz II. §§. 779--782). -- Preußen. Verordnung
vom 9. Oktober 1713 gegen Afterärzte: dann aufgenommen im Allge-
meinen Landrecht II. Art. 706--709. -- Kurbraunschweig. Ver-
ordnung vom 11. Nov. 1718. -- Baden. Verordnung vom 14. Juni
1725; zum Theil mit schwerer Strafe gegen Diejenigen, welche die
Quacksalber gebrauchen. Diese Bestimmungen sind öfter wiederholt
(s. Berg, Polizeirecht II. 3. 2. 3). -- Mit dem neunzehnten Jahrhun-
dert gewinnt das Rechtsgebiet nun eine feste Gestalt. Die Ausbreitung
der fachmännischen Bildung wird allgemein, die Apotheken entstehen auf
allen Punkten, und so wird es den Gesetzgebungen möglich, aus den
allgemeinen Verboten zu ganz bestimmten Vorschriften überzugehen. Der
Charakter derselben ist sich ziemlich gleich. Die Ausübung der Heilkunst
wird an die Bedingung der fachgemäßen Bildung und der Bestätigung
derselben durch eine gesetzliche Prüfung geknüpft und der Verkauf von
Arzneimitteln auf die, unter administrativer Aufsicht stehenden Apotheken
beschränkt. Daher denn kommt es, daß die Strenge des Rechts der
Kurpfuscherei und Quacksalberei von dem Vorhandensein und der
Organisation der medicinischen Fachbildung
abhängig wird,
so daß in den Ländern, wo dieselbe nicht oder schlecht vorhanden ist,
der Begriff und das Recht der ersteren ganz wegfällt, wie in England
bis zur neuesten Zeit, die Quacksalberei dagegen unter die Polizei der
gesundheitsgefährlichen Substanzen (als Gifte) fällt, vorausgesetzt, daß
nicht auch diese fehlt, wie in England. Das Bild des englischen,

Natur der angewendeten Mittel eintreten, und die noch geltende
Strenge der ſtändiſch-polizeilichen Standpunkte darnach gemildert werden.


Frank hat zuerſt die Quackſalberei von einem freieren, hiſtoriſchen
Standpunkt behandelt. Bd. VII. 221 ff. Römiſches Recht l. 132 d.
R. J. (culpae reus est) l. 7 l. de prof. et med. (nemo nisi exami-
natus medicinam exerceat).
Seit Auftreten der gebildeten Aerzte ge-
winnt das ſtändiſche Recht die Ausſchließlichkeit beider und bleibt von
da an mit großer Strenge auf dem ganzen Continent. Nur England,
das keine ſtrenge Univerſitätsbildung hat, behält den römiſchen Grund-
ſatz der freien Praxis mit privater Verantwortlichkeit bei. In Deutſch-
land
dagegen wird das Beſtehen der Prüfung Grundſatz. Reichs-
kammergerichtsordnung I. 18; die C. C. Carolina 134 macht dann
ein Vergehen aus der Kurpfuſcherei. Dieß wird allgemein auf dem
Continent. — Frankreich. Allgemeines Verbot der Heilung ohne den
Erwerb eines Univerſitätsgrades (Verordnung vom 18. März 1707).
Oeſterreich. Geſetzliche Verbote ſeit 1671 (ſ. auch Sonnenfels
III. 180; Kopetz II. §§. 779—782). — Preußen. Verordnung
vom 9. Oktober 1713 gegen Afterärzte: dann aufgenommen im Allge-
meinen Landrecht II. Art. 706—709. — Kurbraunſchweig. Ver-
ordnung vom 11. Nov. 1718. — Baden. Verordnung vom 14. Juni
1725; zum Theil mit ſchwerer Strafe gegen Diejenigen, welche die
Quackſalber gebrauchen. Dieſe Beſtimmungen ſind öfter wiederholt
(ſ. Berg, Polizeirecht II. 3. 2. 3). — Mit dem neunzehnten Jahrhun-
dert gewinnt das Rechtsgebiet nun eine feſte Geſtalt. Die Ausbreitung
der fachmänniſchen Bildung wird allgemein, die Apotheken entſtehen auf
allen Punkten, und ſo wird es den Geſetzgebungen möglich, aus den
allgemeinen Verboten zu ganz beſtimmten Vorſchriften überzugehen. Der
Charakter derſelben iſt ſich ziemlich gleich. Die Ausübung der Heilkunſt
wird an die Bedingung der fachgemäßen Bildung und der Beſtätigung
derſelben durch eine geſetzliche Prüfung geknüpft und der Verkauf von
Arzneimitteln auf die, unter adminiſtrativer Aufſicht ſtehenden Apotheken
beſchränkt. Daher denn kommt es, daß die Strenge des Rechts der
Kurpfuſcherei und Quackſalberei von dem Vorhandenſein und der
Organiſation der mediciniſchen Fachbildung
abhängig wird,
ſo daß in den Ländern, wo dieſelbe nicht oder ſchlecht vorhanden iſt,
der Begriff und das Recht der erſteren ganz wegfällt, wie in England
bis zur neueſten Zeit, die Quackſalberei dagegen unter die Polizei der
geſundheitsgefährlichen Subſtanzen (als Gifte) fällt, vorausgeſetzt, daß
nicht auch dieſe fehlt, wie in England. Das Bild des engliſchen,

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[61/0077] Natur der angewendeten Mittel eintreten, und die noch geltende Strenge der ſtändiſch-polizeilichen Standpunkte darnach gemildert werden. Frank hat zuerſt die Quackſalberei von einem freieren, hiſtoriſchen Standpunkt behandelt. Bd. VII. 221 ff. Römiſches Recht l. 132 d. R. J. (culpae reus est) l. 7 l. de prof. et med. (nemo nisi exami- natus medicinam exerceat). Seit Auftreten der gebildeten Aerzte ge- winnt das ſtändiſche Recht die Ausſchließlichkeit beider und bleibt von da an mit großer Strenge auf dem ganzen Continent. Nur England, das keine ſtrenge Univerſitätsbildung hat, behält den römiſchen Grund- ſatz der freien Praxis mit privater Verantwortlichkeit bei. In Deutſch- land dagegen wird das Beſtehen der Prüfung Grundſatz. Reichs- kammergerichtsordnung I. 18; die C. C. Carolina 134 macht dann ein Vergehen aus der Kurpfuſcherei. Dieß wird allgemein auf dem Continent. — Frankreich. Allgemeines Verbot der Heilung ohne den Erwerb eines Univerſitätsgrades (Verordnung vom 18. März 1707). — Oeſterreich. Geſetzliche Verbote ſeit 1671 (ſ. auch Sonnenfels III. 180; Kopetz II. §§. 779—782). — Preußen. Verordnung vom 9. Oktober 1713 gegen Afterärzte: dann aufgenommen im Allge- meinen Landrecht II. Art. 706—709. — Kurbraunſchweig. Ver- ordnung vom 11. Nov. 1718. — Baden. Verordnung vom 14. Juni 1725; zum Theil mit ſchwerer Strafe gegen Diejenigen, welche die Quackſalber gebrauchen. Dieſe Beſtimmungen ſind öfter wiederholt (ſ. Berg, Polizeirecht II. 3. 2. 3). — Mit dem neunzehnten Jahrhun- dert gewinnt das Rechtsgebiet nun eine feſte Geſtalt. Die Ausbreitung der fachmänniſchen Bildung wird allgemein, die Apotheken entſtehen auf allen Punkten, und ſo wird es den Geſetzgebungen möglich, aus den allgemeinen Verboten zu ganz beſtimmten Vorſchriften überzugehen. Der Charakter derſelben iſt ſich ziemlich gleich. Die Ausübung der Heilkunſt wird an die Bedingung der fachgemäßen Bildung und der Beſtätigung derſelben durch eine geſetzliche Prüfung geknüpft und der Verkauf von Arzneimitteln auf die, unter adminiſtrativer Aufſicht ſtehenden Apotheken beſchränkt. Daher denn kommt es, daß die Strenge des Rechts der Kurpfuſcherei und Quackſalberei von dem Vorhandenſein und der Organiſation der mediciniſchen Fachbildung abhängig wird, ſo daß in den Ländern, wo dieſelbe nicht oder ſchlecht vorhanden iſt, der Begriff und das Recht der erſteren ganz wegfällt, wie in England bis zur neueſten Zeit, die Quackſalberei dagegen unter die Polizei der geſundheitsgefährlichen Subſtanzen (als Gifte) fällt, vorausgeſetzt, daß nicht auch dieſe fehlt, wie in England. Das Bild des engliſchen,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/77>, abgerufen am 04.05.2024.