Anerkennung zugleich gesetzt erscheint. Während daher die Verwaltungs- lehre zeigt, was der Staat in der innern Verwaltung vermöge seines Wesens zu thun hat, zeigt das Verwaltungsrecht, was seine Organe vermöge des Staatswillens zu thun verpflichtet sind. Es hat daher einen ganz guten Sinn, wenn man sagt, daß die Verwaltung erst als Verwaltungsrecht dem Staate wie seinen eigenen Organen und An- gehörigen objektiv wird, und daß, während die Verwaltung an sich im Begriffe und der sittlichen Idee des Staats liegt, die wirkliche Verwaltung erst im Verwaltungsrecht enthalten ist.
Das Verhältniß der Verwaltungslehre zum Verwaltungsrecht ist daher wohl an sich sehr einfach. Die erstere zeigt, was im Gebiete der innern Verwaltung sein soll, die zweite, was ist. Allein damit ist dasjenige Moment gegeben, was uns auch hier zwingt, auf das Wesen der Sache näher einzugehen; dieß ist die das ganze menschliche Dasein durchziehende Differenz zwischen dem was sein soll und was ist, die Verschiedenheit des Geforderten von dem Geltenden, und damit endlich auch die tiefe Verschiedenheit der Aufgabe zwischen der Darstellung des reinen, positiven Verwaltungsrechts oder der Verwaltungsge- setzkunde, und der Verbindung der Verwaltungslehre mit der Auf- fassung und den Thatsachen des geltenden Rechts oder der Wissenschaft des Verwaltungsrechts.
Während nämlich die Verwaltungsgesetzkunde oder das rein positive Verwaltungsrecht sich seiner Aufgabe nach um die Verwaltung an sich, und mithin um die Differenz zwischen ihr und der wirklichen Verwaltung nicht zu kümmern hat, muß die Verwaltungslehre, indem sie das posi- tive, wirkliche Verwaltungsrecht in sich aufnimmt, die Gründe, die innern und äußern Kräfte zum Verständniß bringen, welche dem posi- tiven Verwaltungsrecht seine concrete Gestalt gegeben und damit eben jene Differenz zwischen ihm und den Forderungen der Verwaltunglehre erzeugt haben. Die Verwaltungsgesetzkunde, gleichviel ob sie in bloßer Sammlungsform auftritt wie bei Kopetz, Fischer, Bergius, Stubenrauch, Funke u. a. oder ob sie sich zu einem systematischen Ganzen unter dem Namen des im Gegensatz zum Verfassungsrecht stehenden Verwaltungs- recht erhebt wie bei Mohl, Pötzl, Rönne, kann daher ohne die Ver- waltungslehre bestehen und hat für das praktische Leben ihren hohen Werth. Umgekehrt fällt dagegen die reine Verwaltungslehre ohne Be- ziehung auf das positive Recht stets in die mehr oder weniger subjektive Anschauung hinein, und wird ein bloßes Wohlmeinen wie bei Jacobi und Mohl. Eine reine Verwaltungslehre, welche nicht die Kraft hat, das positive, geltende Recht in sich organisch aufzunehmen und zu ver- arbeiten, hat nur einen zweifelhaften Werth. Erst dadurch, daß sie
Anerkennung zugleich geſetzt erſcheint. Während daher die Verwaltungs- lehre zeigt, was der Staat in der innern Verwaltung vermöge ſeines Weſens zu thun hat, zeigt das Verwaltungsrecht, was ſeine Organe vermöge des Staatswillens zu thun verpflichtet ſind. Es hat daher einen ganz guten Sinn, wenn man ſagt, daß die Verwaltung erſt als Verwaltungsrecht dem Staate wie ſeinen eigenen Organen und An- gehörigen objektiv wird, und daß, während die Verwaltung an ſich im Begriffe und der ſittlichen Idee des Staats liegt, die wirkliche Verwaltung erſt im Verwaltungsrecht enthalten iſt.
Das Verhältniß der Verwaltungslehre zum Verwaltungsrecht iſt daher wohl an ſich ſehr einfach. Die erſtere zeigt, was im Gebiete der innern Verwaltung ſein ſoll, die zweite, was iſt. Allein damit iſt dasjenige Moment gegeben, was uns auch hier zwingt, auf das Weſen der Sache näher einzugehen; dieß iſt die das ganze menſchliche Daſein durchziehende Differenz zwiſchen dem was ſein ſoll und was iſt, die Verſchiedenheit des Geforderten von dem Geltenden, und damit endlich auch die tiefe Verſchiedenheit der Aufgabe zwiſchen der Darſtellung des reinen, poſitiven Verwaltungsrechts oder der Verwaltungsge- ſetzkunde, und der Verbindung der Verwaltungslehre mit der Auf- faſſung und den Thatſachen des geltenden Rechts oder der Wiſſenſchaft des Verwaltungsrechts.
Während nämlich die Verwaltungsgeſetzkunde oder das rein poſitive Verwaltungsrecht ſich ſeiner Aufgabe nach um die Verwaltung an ſich, und mithin um die Differenz zwiſchen ihr und der wirklichen Verwaltung nicht zu kümmern hat, muß die Verwaltungslehre, indem ſie das poſi- tive, wirkliche Verwaltungsrecht in ſich aufnimmt, die Gründe, die innern und äußern Kräfte zum Verſtändniß bringen, welche dem poſi- tiven Verwaltungsrecht ſeine concrete Geſtalt gegeben und damit eben jene Differenz zwiſchen ihm und den Forderungen der Verwaltunglehre erzeugt haben. Die Verwaltungsgeſetzkunde, gleichviel ob ſie in bloßer Sammlungsform auftritt wie bei Kopetz, Fiſcher, Bergius, Stubenrauch, Funke u. a. oder ob ſie ſich zu einem ſyſtematiſchen Ganzen unter dem Namen des im Gegenſatz zum Verfaſſungsrecht ſtehenden Verwaltungs- recht erhebt wie bei Mohl, Pötzl, Rönne, kann daher ohne die Ver- waltungslehre beſtehen und hat für das praktiſche Leben ihren hohen Werth. Umgekehrt fällt dagegen die reine Verwaltungslehre ohne Be- ziehung auf das poſitive Recht ſtets in die mehr oder weniger ſubjektive Anſchauung hinein, und wird ein bloßes Wohlmeinen wie bei Jacobi und Mohl. Eine reine Verwaltungslehre, welche nicht die Kraft hat, das poſitive, geltende Recht in ſich organiſch aufzunehmen und zu ver- arbeiten, hat nur einen zweifelhaften Werth. Erſt dadurch, daß ſie
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Anerkennung zugleich geſetzt erſcheint. Während daher die Verwaltungs-
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Weſens zu thun hat, zeigt das Verwaltungsrecht, was ſeine Organe
vermöge des Staatswillens zu thun verpflichtet ſind. Es hat daher
einen ganz guten Sinn, wenn man ſagt, daß die Verwaltung erſt als
Verwaltungsrecht dem Staate wie ſeinen eigenen Organen und An-
gehörigen objektiv wird, und daß, während die Verwaltung an ſich
im Begriffe und der ſittlichen Idee des Staats liegt, die wirkliche
Verwaltung erſt im Verwaltungsrecht enthalten iſt.
Das Verhältniß der Verwaltungslehre zum Verwaltungsrecht iſt
daher wohl an ſich ſehr einfach. Die erſtere zeigt, was im Gebiete der
innern Verwaltung ſein ſoll, die zweite, was iſt. Allein damit iſt
dasjenige Moment gegeben, was uns auch hier zwingt, auf das Weſen
der Sache näher einzugehen; dieß iſt die das ganze menſchliche Daſein
durchziehende Differenz zwiſchen dem was ſein ſoll und was iſt, die
Verſchiedenheit des Geforderten von dem Geltenden, und damit endlich
auch die tiefe Verſchiedenheit der Aufgabe zwiſchen der Darſtellung
des reinen, poſitiven Verwaltungsrechts oder der Verwaltungsge-
ſetzkunde, und der Verbindung der Verwaltungslehre mit der Auf-
faſſung und den Thatſachen des geltenden Rechts oder der Wiſſenſchaft
des Verwaltungsrechts.
Während nämlich die Verwaltungsgeſetzkunde oder das rein poſitive
Verwaltungsrecht ſich ſeiner Aufgabe nach um die Verwaltung an ſich,
und mithin um die Differenz zwiſchen ihr und der wirklichen Verwaltung
nicht zu kümmern hat, muß die Verwaltungslehre, indem ſie das poſi-
tive, wirkliche Verwaltungsrecht in ſich aufnimmt, die Gründe, die
innern und äußern Kräfte zum Verſtändniß bringen, welche dem poſi-
tiven Verwaltungsrecht ſeine concrete Geſtalt gegeben und damit eben
jene Differenz zwiſchen ihm und den Forderungen der Verwaltunglehre
erzeugt haben. Die Verwaltungsgeſetzkunde, gleichviel ob ſie in bloßer
Sammlungsform auftritt wie bei Kopetz, Fiſcher, Bergius, Stubenrauch,
Funke u. a. oder ob ſie ſich zu einem ſyſtematiſchen Ganzen unter dem
Namen des im Gegenſatz zum Verfaſſungsrecht ſtehenden Verwaltungs-
recht erhebt wie bei Mohl, Pötzl, Rönne, kann daher ohne die Ver-
waltungslehre beſtehen und hat für das praktiſche Leben ihren hohen
Werth. Umgekehrt fällt dagegen die reine Verwaltungslehre ohne Be-
ziehung auf das poſitive Recht ſtets in die mehr oder weniger ſubjektive
Anſchauung hinein, und wird ein bloßes Wohlmeinen wie bei Jacobi
und Mohl. Eine reine Verwaltungslehre, welche nicht die Kraft hat,
das poſitive, geltende Recht in ſich organiſch aufzunehmen und zu ver-
arbeiten, hat nur einen zweifelhaften Werth. Erſt dadurch, daß ſie
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/97>, abgerufen am 22.12.2024.
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