Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.für ihn mit der höheren Berechtigung auch eine höhere Forderung auf. Er muß mit seiner Thätigkeit das Gesammtinteresse gegen die Durch alles dieß zusammen genommen empfängt nun der Staat für ihn mit der höheren Berechtigung auch eine höhere Forderung auf. Er muß mit ſeiner Thätigkeit das Geſammtintereſſe gegen die Durch alles dieß zuſammen genommen empfängt nun der Staat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0090" n="68"/> für ihn mit der höheren Berechtigung auch eine höhere Forderung auf.<lb/> Er muß etwas Beſtimmtes <hi rendition="#g">thun</hi>.</p><lb/> <p>Er muß mit ſeiner Thätigkeit das Geſammtintereſſe gegen die<lb/> Sonderintereſſen und Rechte der ſtändiſchen Bildungen vertreten. Er<lb/> muß allenthalben den Widerſtand der letztern brechen. Er muß jene<lb/> Geſammtintereſſen erſtlich verſtehen und ſie dann mit ſeiner Gewalt<lb/> durchführen. Er muß, wie jene Geſammtintereſſen, allenthalben gegen-<lb/> wärtig und thätig ſein; er muß den Rechtstitel dieſes Eingreifens in<lb/> die beſtehende ſtändiſche Macht in einer höheren, abſtrakten Idee ſuchen;<lb/> er muß endlich dieſe ſeine Thätigkeit mit einem großen, ebenfalls all-<lb/> gegenwärtigen Organ verſehen; er muß verlangen, daß dieſer Organis-<lb/> mus die Geſammtintereſſen erkennen und daß er fähig ſei, jenen höhern<lb/> Rechtstitel in ſich aufzunehmen und auf allen Punkten zu vertreten.<lb/> Alles das ſind die Bedingungen des wirklichen und nachhaltigen Sieges<lb/> des Königthums über die alte Ordnung der Dinge.</p><lb/> <p>Durch alles dieß zuſammen genommen empfängt nun der Staat<lb/> zuerſt ſeinen organiſchen Inhalt überhaupt. Die Idee des Staats bleibt<lb/> dadurch nicht bloß eine wiſſenſchaftliche Theorie; ſie iſt auch kein bloß<lb/> materielles Eingreifen in die beſtehenden Ordnungen; ſie iſt eben ſo<lb/> wenig bloß ein Wunſch und Streben der Herrſcher. Sie iſt eben alles<lb/> zugleich, wie jede wahre hiſtoriſche Thatſache. Die Könige dieſer Epoche<lb/> wiſſen gleichſam unmittelbar, was ſie ſind und ſein ſollen. Das Wort<lb/> „von Gottes Gnaden“ bezeichnet uns jene Anſchauung, welche der<lb/> Staat <hi rendition="#g">über</hi> alle Intereſſen und Gewalten der Einzelnen ſtellt. Der<lb/> große Organismus, der im Namen des neuen Königthums wirkt, iſt<lb/> die Obrigkeit. Das große geiſtige Element, das beide umgibt und be-<lb/> gleitet, iſt die junge Staatswiſſenſchaft. Sie ſelbſt hat zwei große Ge-<lb/> biete, die faſt unwiderſtehlich ineinander greifen. Königthum und Obrig-<lb/> keit bedurften für ihre ſchwere Aufgabe zweier Dinge. Erſtlich bedurften<lb/> ſie eines Rechtsbewußtſeins, und eines dieſem Rechtsbewußtſein ent-<lb/> ſprechenden, geltenden, fertigen, mit voller Autorität auftretenden<lb/><hi rendition="#g">Rechtsbuches</hi>. Für das letztere können die Rechtsbücher der ſtän-<lb/> diſchen Epoche nicht dienen. Sie ſind alle zuſammen theils örtlicher<lb/> Natur, theils haben ſie zu ihrer Vorausſetzung die ſtändiſche Geſell-<lb/> ſchaftsordnung mit ihren Rechtsunterſchieden und ihrer örtlichen Gel-<lb/> tung, welche eben die Anwendung allgemeiner und gleichartiger Grund-<lb/> ſätze rechtlich ausſchließt. Die neue Staatsidee muß daher ihren eigenen<lb/> Rechtscodex haben und zur Geltung bringen; und dieſes Rechtsbuch iſt<lb/> das <hi rendition="#aq">Corpus Juris,</hi> das eben darum zur allgemeinen Grundlage des<lb/> Studiums der „Obrigkeit,“ aller Beamteten des Königthums wird, wäh-<lb/> rend man daneben conſequent das alte ſtändiſche Recht vollkommen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0090]
für ihn mit der höheren Berechtigung auch eine höhere Forderung auf.
Er muß etwas Beſtimmtes thun.
Er muß mit ſeiner Thätigkeit das Geſammtintereſſe gegen die
Sonderintereſſen und Rechte der ſtändiſchen Bildungen vertreten. Er
muß allenthalben den Widerſtand der letztern brechen. Er muß jene
Geſammtintereſſen erſtlich verſtehen und ſie dann mit ſeiner Gewalt
durchführen. Er muß, wie jene Geſammtintereſſen, allenthalben gegen-
wärtig und thätig ſein; er muß den Rechtstitel dieſes Eingreifens in
die beſtehende ſtändiſche Macht in einer höheren, abſtrakten Idee ſuchen;
er muß endlich dieſe ſeine Thätigkeit mit einem großen, ebenfalls all-
gegenwärtigen Organ verſehen; er muß verlangen, daß dieſer Organis-
mus die Geſammtintereſſen erkennen und daß er fähig ſei, jenen höhern
Rechtstitel in ſich aufzunehmen und auf allen Punkten zu vertreten.
Alles das ſind die Bedingungen des wirklichen und nachhaltigen Sieges
des Königthums über die alte Ordnung der Dinge.
Durch alles dieß zuſammen genommen empfängt nun der Staat
zuerſt ſeinen organiſchen Inhalt überhaupt. Die Idee des Staats bleibt
dadurch nicht bloß eine wiſſenſchaftliche Theorie; ſie iſt auch kein bloß
materielles Eingreifen in die beſtehenden Ordnungen; ſie iſt eben ſo
wenig bloß ein Wunſch und Streben der Herrſcher. Sie iſt eben alles
zugleich, wie jede wahre hiſtoriſche Thatſache. Die Könige dieſer Epoche
wiſſen gleichſam unmittelbar, was ſie ſind und ſein ſollen. Das Wort
„von Gottes Gnaden“ bezeichnet uns jene Anſchauung, welche der
Staat über alle Intereſſen und Gewalten der Einzelnen ſtellt. Der
große Organismus, der im Namen des neuen Königthums wirkt, iſt
die Obrigkeit. Das große geiſtige Element, das beide umgibt und be-
gleitet, iſt die junge Staatswiſſenſchaft. Sie ſelbſt hat zwei große Ge-
biete, die faſt unwiderſtehlich ineinander greifen. Königthum und Obrig-
keit bedurften für ihre ſchwere Aufgabe zweier Dinge. Erſtlich bedurften
ſie eines Rechtsbewußtſeins, und eines dieſem Rechtsbewußtſein ent-
ſprechenden, geltenden, fertigen, mit voller Autorität auftretenden
Rechtsbuches. Für das letztere können die Rechtsbücher der ſtän-
diſchen Epoche nicht dienen. Sie ſind alle zuſammen theils örtlicher
Natur, theils haben ſie zu ihrer Vorausſetzung die ſtändiſche Geſell-
ſchaftsordnung mit ihren Rechtsunterſchieden und ihrer örtlichen Gel-
tung, welche eben die Anwendung allgemeiner und gleichartiger Grund-
ſätze rechtlich ausſchließt. Die neue Staatsidee muß daher ihren eigenen
Rechtscodex haben und zur Geltung bringen; und dieſes Rechtsbuch iſt
das Corpus Juris, das eben darum zur allgemeinen Grundlage des
Studiums der „Obrigkeit,“ aller Beamteten des Königthums wird, wäh-
rend man daneben conſequent das alte ſtändiſche Recht vollkommen
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