Anstalten und Anordnungen, welche den Schutz des persönlichen Lebens bezwecken. Bei den menschlichen Kräften dagegen kann der Schutz der Polizei nur darin bestehen, daß sie dem Willen der Menschen den Willen der Verwaltung als Verbot der gefährdenden Handlung, der wirklichen gefährlichen That aber als unmittelbare, die Gränze wieder herstellende Zwangsgewalt entgegentritt. Dieser Zwang kann als Androhung von Strafe sich auf den Willen (die eigentliche Kraft, welche Gefahr droht) oder als materielle Gewalt auftreten. In beiden letztern Fällen erscheint diese, gegen den Willen und die Thätigkeit der Persönlichkeit gerichtete Polizei als ein Eingriff in die freie Selbstbestim- mung des Individuums, und muß daher zu diesem Ende als eine be- stimmte Vorschrift des öffentlichen Rechts, als ein Gesetz oder eine Verordnung und Verfügung der Polizei auftreten. So entsteht das Polizeirecht, das nun wiederum in selbständiger Codification oder in einzelnen Vorschriften erscheinen kann, und das daher als ein Theil des Rechts der vollziehenden Gewalt für die gegen den Einzelnen ge- richtete Vollziehung der Polizeivorschriften auftritt (Vollziehende Gewalt 198 ff.). -- Dabei ist nun freilich wesentlich festzuhalten, daß diese Polizei es ihrem Begriffe nach niemals mit einer bereits geschehenen That zu thun hat, sondern nur mit der Kraft, welche die That thut, oder wie man sagt, mit der Gefahr einer That. So wie die That ge- schehen ist, tritt vielmehr derjenige Theil der Verwaltung ein, den wir die Rechtspflege nennen. Selbst da, wo die That als Uebertretung der Polizeivorschrift erscheint und die Vollziehung der in der Vorschrift angedrohten Strafe zur Folge hat, ist die Vollziehung dieser Polizei- strafe kein Akt der Polizei, sondern ein Akt der Rechtspflege, na- türlich auch da, wo das vollziehende Organ der Polizei über diese Polizeiübertretung zu urtheilen und ihr Urtheil zu vollziehen hat, wie es aus naheliegenden Gründen der Zweckmäßigkeit oft geschieht. Die Natur der polizeilichen Thätigkeit wird dieses judicielle Verfahren des Polizeiorganes nicht ändern, sondern nur die administrative Function mit der judiciellen verbinden. Der Fehler, den man dabei ge- wöhnlich begeht, besteht dann darin, daß man den in Urtheil und Voll- ziehung liegenden gerichtlichen Akt des Polizeiorganes als im Wesen der Polizei statt in den praktischen Bedürfnissen der Verwaltung liegend auffaßt und dadurch den klaren Begriff der Polizei verwirrt. Es ergibt sich daraus, daß es gar keine sogen. Präventiv-Justiz gibt, noch geben kann. Alles, was man damit bezeichnet, ist theils Polizei-, theils Rechtspflege, nur meistens von demselben Organe vollzogen, niemals aber Ein Begriff oder Eine Function, die zwei wesentlich verschiedene Dinge zugleich wären. Dieß nun soll genauer
Anſtalten und Anordnungen, welche den Schutz des perſönlichen Lebens bezwecken. Bei den menſchlichen Kräften dagegen kann der Schutz der Polizei nur darin beſtehen, daß ſie dem Willen der Menſchen den Willen der Verwaltung als Verbot der gefährdenden Handlung, der wirklichen gefährlichen That aber als unmittelbare, die Gränze wieder herſtellende Zwangsgewalt entgegentritt. Dieſer Zwang kann als Androhung von Strafe ſich auf den Willen (die eigentliche Kraft, welche Gefahr droht) oder als materielle Gewalt auftreten. In beiden letztern Fällen erſcheint dieſe, gegen den Willen und die Thätigkeit der Perſönlichkeit gerichtete Polizei als ein Eingriff in die freie Selbſtbeſtim- mung des Individuums, und muß daher zu dieſem Ende als eine be- ſtimmte Vorſchrift des öffentlichen Rechts, als ein Geſetz oder eine Verordnung und Verfügung der Polizei auftreten. So entſteht das Polizeirecht, das nun wiederum in ſelbſtändiger Codification oder in einzelnen Vorſchriften erſcheinen kann, und das daher als ein Theil des Rechts der vollziehenden Gewalt für die gegen den Einzelnen ge- richtete Vollziehung der Polizeivorſchriften auftritt (Vollziehende Gewalt 198 ff.). — Dabei iſt nun freilich weſentlich feſtzuhalten, daß dieſe Polizei es ihrem Begriffe nach niemals mit einer bereits geſchehenen That zu thun hat, ſondern nur mit der Kraft, welche die That thut, oder wie man ſagt, mit der Gefahr einer That. So wie die That ge- ſchehen iſt, tritt vielmehr derjenige Theil der Verwaltung ein, den wir die Rechtspflege nennen. Selbſt da, wo die That als Uebertretung der Polizeivorſchrift erſcheint und die Vollziehung der in der Vorſchrift angedrohten Strafe zur Folge hat, iſt die Vollziehung dieſer Polizei- ſtrafe kein Akt der Polizei, ſondern ein Akt der Rechtspflege, na- türlich auch da, wo das vollziehende Organ der Polizei über dieſe Polizeiübertretung zu urtheilen und ihr Urtheil zu vollziehen hat, wie es aus naheliegenden Gründen der Zweckmäßigkeit oft geſchieht. Die Natur der polizeilichen Thätigkeit wird dieſes judicielle Verfahren des Polizeiorganes nicht ändern, ſondern nur die adminiſtrative Function mit der judiciellen verbinden. Der Fehler, den man dabei ge- wöhnlich begeht, beſteht dann darin, daß man den in Urtheil und Voll- ziehung liegenden gerichtlichen Akt des Polizeiorganes als im Weſen der Polizei ſtatt in den praktiſchen Bedürfniſſen der Verwaltung liegend auffaßt und dadurch den klaren Begriff der Polizei verwirrt. Es ergibt ſich daraus, daß es gar keine ſogen. Präventiv-Juſtiz gibt, noch geben kann. Alles, was man damit bezeichnet, iſt theils Polizei-, theils Rechtspflege, nur meiſtens von demſelben Organe vollzogen, niemals aber Ein Begriff oder Eine Function, die zwei weſentlich verſchiedene Dinge zugleich wären. Dieß nun ſoll genauer
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Anſtalten und Anordnungen, welche den Schutz des perſönlichen Lebens
bezwecken. Bei den menſchlichen Kräften dagegen kann der Schutz
der Polizei nur darin beſtehen, daß ſie dem Willen der Menſchen den
Willen der Verwaltung als Verbot der gefährdenden Handlung, der
wirklichen gefährlichen That aber als unmittelbare, die Gränze wieder
herſtellende Zwangsgewalt entgegentritt. Dieſer Zwang kann als
Androhung von Strafe ſich auf den Willen (die eigentliche Kraft,
welche Gefahr droht) oder als materielle Gewalt auftreten. In beiden
letztern Fällen erſcheint dieſe, gegen den Willen und die Thätigkeit der
Perſönlichkeit gerichtete Polizei als ein Eingriff in die freie Selbſtbeſtim-
mung des Individuums, und muß daher zu dieſem Ende als eine be-
ſtimmte Vorſchrift des öffentlichen Rechts, als ein Geſetz oder eine
Verordnung und Verfügung der Polizei auftreten. So entſteht das
Polizeirecht, das nun wiederum in ſelbſtändiger Codification oder
in einzelnen Vorſchriften erſcheinen kann, und das daher als ein Theil
des Rechts der vollziehenden Gewalt für die gegen den Einzelnen ge-
richtete Vollziehung der Polizeivorſchriften auftritt (Vollziehende Gewalt
198 ff.). — Dabei iſt nun freilich weſentlich feſtzuhalten, daß dieſe Polizei
es ihrem Begriffe nach niemals mit einer bereits geſchehenen That zu
thun hat, ſondern nur mit der Kraft, welche die That thut, oder
wie man ſagt, mit der Gefahr einer That. So wie die That ge-
ſchehen iſt, tritt vielmehr derjenige Theil der Verwaltung ein, den
wir die Rechtspflege nennen. Selbſt da, wo die That als Uebertretung
der Polizeivorſchrift erſcheint und die Vollziehung der in der Vorſchrift
angedrohten Strafe zur Folge hat, iſt die Vollziehung dieſer Polizei-
ſtrafe kein Akt der Polizei, ſondern ein Akt der Rechtspflege, na-
türlich auch da, wo das vollziehende Organ der Polizei über dieſe
Polizeiübertretung zu urtheilen und ihr Urtheil zu vollziehen hat, wie
es aus naheliegenden Gründen der Zweckmäßigkeit oft geſchieht. Die
Natur der polizeilichen Thätigkeit wird dieſes judicielle Verfahren des
Polizeiorganes nicht ändern, ſondern nur die adminiſtrative Function
mit der judiciellen verbinden. Der Fehler, den man dabei ge-
wöhnlich begeht, beſteht dann darin, daß man den in Urtheil und Voll-
ziehung liegenden gerichtlichen Akt des Polizeiorganes als im Weſen
der Polizei ſtatt in den praktiſchen Bedürfniſſen der Verwaltung
liegend auffaßt und dadurch den klaren Begriff der Polizei verwirrt.
Es ergibt ſich daraus, daß es gar keine ſogen. Präventiv-Juſtiz
gibt, noch geben kann. Alles, was man damit bezeichnet, iſt theils
Polizei-, theils Rechtspflege, nur meiſtens von demſelben Organe
vollzogen, niemals aber Ein Begriff oder Eine Function, die zwei
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/88>, abgerufen am 22.11.2024.
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