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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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in welcher wir die geltenden Gesetze für die einzelnen speziellen Gebiete
der Verwaltung zusammenstellen oder auch behandeln, wie Postwesen,
Schulwesen, Presse u. s. w. Diese einzelnen Arbeiten gehen natürlich
seit dem Beginne der Staatswissenschaft ihren regelmäßigen Gang fort
und haben unendlich viel genützt. Im Allgemeinen aber haben diesel-
ben ihren Charakter geändert, und diese Aenderung hängt innig mit
dem ganzen Gange der juristischen Studien zusammen. Bis zum Ende
des vorigen Jahrhunderts behandeln alle diese Abhandlungen, wie sie
namentlich von Fischer, Berg, Bergius u. a. citirt und benützt werden,
ihre in die Verwaltung schlagenden Gebiete wesentlich juristisch und
selbst casuistisch. Sie wollen alle nicht so sehr das Wesen und Auf-
gabe des einzelnen Verwaltungszweiges, als die Berechtigung der ein-
zelnen öffentlichen Körper, Umfang und Inhalt ihrer Competenz dar-
legen, da gerade das Letztere bei dem frühern Zustande Deutschlands
zwischen all den kleinen und großen Souveränetäten und Körperschaften
beständig streitig war. Die Verwaltung war ihnen, da sie sich ohnehin
nur im engen Kreise spezieller Fragen bewegen und daher den höheren
Grund einer ethischen Aufgabe des Staats nicht gebrauchen können,
keine ideale Pflicht, sondern ein positives Recht. Sie sind eben deßhalb
gezwungen, sehr oft auf alte historische Verhältnisse, zwar nicht vom
Standpunkt der Rechtsgeschichte, sondern von dem des Rechtsstreites und
Beweises zurückzugehen; allein das nimmt ihnen nicht ihren historischen
Werth. Es wird die Zeit kommen, wo man sie wieder eifrig suchen
und benützen wird. Einen Versuch dieser Benützung im kleinen Maß-
stabe bietet unsere Arbeit. -- Mit unserm Jahrhundert verschwindet nun
das historische Element aus diesen Arbeiten, weil es seine praktische An-
wendbarkeit für den Beweis der geltenden Rechte verloren hat, und da-
mit nehmen alle Arbeiten über die einzelnen Gebiete der Verwaltung
einen wesentlich andern Inhalt und einen auch äußerlich ganz verschie-
denen Gang ihrer Darstellungen an. Es beginnt die gegenwärtige, für
die ganze Verwaltungslehre so hochwichtige Epoche, die wir die ratio-
nelle
Bearbeitung der Verwaltungsfragen nennen können. Auch das
nun ist nicht mit einemmale entstanden. Da nämlich in dieser Zeit zu-
nächst die neuentstehende, meist ganz positive Verwaltungsgesetzgebung
die einzelnen Fragen rechtlich entscheidet, so kommt es den Special-
arbeiten und Sammlungen vor allen Dingen darauf an, eben dieß
geltende Recht zusammenzustellen. Sie werden daher zuerst mehr oder
weniger Sammlungen zum Amtsgebrauch, und sind als solche höchst
wichtig, da oft sie allein uns das Material zugänglich machen. Mit
dem Auftreten der Theilnahme der Volksvertretung an den Gesetzgebungen
tritt dann aber wieder ein neues Element ein. Die Volksvertretung

in welcher wir die geltenden Geſetze für die einzelnen ſpeziellen Gebiete
der Verwaltung zuſammenſtellen oder auch behandeln, wie Poſtweſen,
Schulweſen, Preſſe u. ſ. w. Dieſe einzelnen Arbeiten gehen natürlich
ſeit dem Beginne der Staatswiſſenſchaft ihren regelmäßigen Gang fort
und haben unendlich viel genützt. Im Allgemeinen aber haben dieſel-
ben ihren Charakter geändert, und dieſe Aenderung hängt innig mit
dem ganzen Gange der juriſtiſchen Studien zuſammen. Bis zum Ende
des vorigen Jahrhunderts behandeln alle dieſe Abhandlungen, wie ſie
namentlich von Fiſcher, Berg, Bergius u. a. citirt und benützt werden,
ihre in die Verwaltung ſchlagenden Gebiete weſentlich juriſtiſch und
ſelbſt caſuiſtiſch. Sie wollen alle nicht ſo ſehr das Weſen und Auf-
gabe des einzelnen Verwaltungszweiges, als die Berechtigung der ein-
zelnen öffentlichen Körper, Umfang und Inhalt ihrer Competenz dar-
legen, da gerade das Letztere bei dem frühern Zuſtande Deutſchlands
zwiſchen all den kleinen und großen Souveränetäten und Körperſchaften
beſtändig ſtreitig war. Die Verwaltung war ihnen, da ſie ſich ohnehin
nur im engen Kreiſe ſpezieller Fragen bewegen und daher den höheren
Grund einer ethiſchen Aufgabe des Staats nicht gebrauchen können,
keine ideale Pflicht, ſondern ein poſitives Recht. Sie ſind eben deßhalb
gezwungen, ſehr oft auf alte hiſtoriſche Verhältniſſe, zwar nicht vom
Standpunkt der Rechtsgeſchichte, ſondern von dem des Rechtsſtreites und
Beweiſes zurückzugehen; allein das nimmt ihnen nicht ihren hiſtoriſchen
Werth. Es wird die Zeit kommen, wo man ſie wieder eifrig ſuchen
und benützen wird. Einen Verſuch dieſer Benützung im kleinen Maß-
ſtabe bietet unſere Arbeit. — Mit unſerm Jahrhundert verſchwindet nun
das hiſtoriſche Element aus dieſen Arbeiten, weil es ſeine praktiſche An-
wendbarkeit für den Beweis der geltenden Rechte verloren hat, und da-
mit nehmen alle Arbeiten über die einzelnen Gebiete der Verwaltung
einen weſentlich andern Inhalt und einen auch äußerlich ganz verſchie-
denen Gang ihrer Darſtellungen an. Es beginnt die gegenwärtige, für
die ganze Verwaltungslehre ſo hochwichtige Epoche, die wir die ratio-
nelle
Bearbeitung der Verwaltungsfragen nennen können. Auch das
nun iſt nicht mit einemmale entſtanden. Da nämlich in dieſer Zeit zu-
nächſt die neuentſtehende, meiſt ganz poſitive Verwaltungsgeſetzgebung
die einzelnen Fragen rechtlich entſcheidet, ſo kommt es den Special-
arbeiten und Sammlungen vor allen Dingen darauf an, eben dieß
geltende Recht zuſammenzuſtellen. Sie werden daher zuerſt mehr oder
weniger Sammlungen zum Amtsgebrauch, und ſind als ſolche höchſt
wichtig, da oft ſie allein uns das Material zugänglich machen. Mit
dem Auftreten der Theilnahme der Volksvertretung an den Geſetzgebungen
tritt dann aber wieder ein neues Element ein. Die Volksvertretung

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[36/0058] in welcher wir die geltenden Geſetze für die einzelnen ſpeziellen Gebiete der Verwaltung zuſammenſtellen oder auch behandeln, wie Poſtweſen, Schulweſen, Preſſe u. ſ. w. Dieſe einzelnen Arbeiten gehen natürlich ſeit dem Beginne der Staatswiſſenſchaft ihren regelmäßigen Gang fort und haben unendlich viel genützt. Im Allgemeinen aber haben dieſel- ben ihren Charakter geändert, und dieſe Aenderung hängt innig mit dem ganzen Gange der juriſtiſchen Studien zuſammen. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts behandeln alle dieſe Abhandlungen, wie ſie namentlich von Fiſcher, Berg, Bergius u. a. citirt und benützt werden, ihre in die Verwaltung ſchlagenden Gebiete weſentlich juriſtiſch und ſelbſt caſuiſtiſch. Sie wollen alle nicht ſo ſehr das Weſen und Auf- gabe des einzelnen Verwaltungszweiges, als die Berechtigung der ein- zelnen öffentlichen Körper, Umfang und Inhalt ihrer Competenz dar- legen, da gerade das Letztere bei dem frühern Zuſtande Deutſchlands zwiſchen all den kleinen und großen Souveränetäten und Körperſchaften beſtändig ſtreitig war. Die Verwaltung war ihnen, da ſie ſich ohnehin nur im engen Kreiſe ſpezieller Fragen bewegen und daher den höheren Grund einer ethiſchen Aufgabe des Staats nicht gebrauchen können, keine ideale Pflicht, ſondern ein poſitives Recht. Sie ſind eben deßhalb gezwungen, ſehr oft auf alte hiſtoriſche Verhältniſſe, zwar nicht vom Standpunkt der Rechtsgeſchichte, ſondern von dem des Rechtsſtreites und Beweiſes zurückzugehen; allein das nimmt ihnen nicht ihren hiſtoriſchen Werth. Es wird die Zeit kommen, wo man ſie wieder eifrig ſuchen und benützen wird. Einen Verſuch dieſer Benützung im kleinen Maß- ſtabe bietet unſere Arbeit. — Mit unſerm Jahrhundert verſchwindet nun das hiſtoriſche Element aus dieſen Arbeiten, weil es ſeine praktiſche An- wendbarkeit für den Beweis der geltenden Rechte verloren hat, und da- mit nehmen alle Arbeiten über die einzelnen Gebiete der Verwaltung einen weſentlich andern Inhalt und einen auch äußerlich ganz verſchie- denen Gang ihrer Darſtellungen an. Es beginnt die gegenwärtige, für die ganze Verwaltungslehre ſo hochwichtige Epoche, die wir die ratio- nelle Bearbeitung der Verwaltungsfragen nennen können. Auch das nun iſt nicht mit einemmale entſtanden. Da nämlich in dieſer Zeit zu- nächſt die neuentſtehende, meiſt ganz poſitive Verwaltungsgeſetzgebung die einzelnen Fragen rechtlich entſcheidet, ſo kommt es den Special- arbeiten und Sammlungen vor allen Dingen darauf an, eben dieß geltende Recht zuſammenzuſtellen. Sie werden daher zuerſt mehr oder weniger Sammlungen zum Amtsgebrauch, und ſind als ſolche höchſt wichtig, da oft ſie allein uns das Material zugänglich machen. Mit dem Auftreten der Theilnahme der Volksvertretung an den Geſetzgebungen tritt dann aber wieder ein neues Element ein. Die Volksvertretung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/58>, abgerufen am 03.05.2024.