Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.Die zweite Folge war die Frage, ob mit der Gemeindeangehörig- Das waren die beiden Folgen, die sich innerhalb der Gemeinde Da nämlich die großen Verwaltungsaufgaben nicht ungelöst bleiben Während aber die amtliche Verwaltung fast auf allen andern Die zweite Folge war die Frage, ob mit der Gemeindeangehörig- Das waren die beiden Folgen, die ſich innerhalb der Gemeinde Da nämlich die großen Verwaltungsaufgaben nicht ungelöst bleiben Während aber die amtliche Verwaltung faſt auf allen andern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <pb facs="#f0357" n="335"/> <p>Die <hi rendition="#g">zweite</hi> Folge war die Frage, ob mit der Gemeindeangehörig-<lb/> keit auch das Recht auf den <hi rendition="#g">Gewerbebetrieb</hi>, das Gewerbebürger-<lb/> thum, gewonnen ſein ſollte. Nur die Uebertragung der alten ſtändiſchen<lb/> Unfreiheit auf die neuen Gewerbeordnungen konnte dieß Recht überhaupt<lb/> in Frage ſtellen, und hier traten mitten in aller ſcheinbaren Verfaſſungs-<lb/> freiheit die ſchreiendſten Beſchränkungen der ſtaatsbürgerlichen Freiheit<lb/> durch das Ortsgemeinderecht hervor. Die Staaten, welche die Zünfte<lb/> aufgehoben, wie Preußen, das es zum Theil, und Oeſterreich, das es ganz<lb/> gethan, machten allerdings den Gewerbebetrieb vom Gemeinderecht un-<lb/> abhängig; andere Staaten dagegen wie Bayern, Württemberg, Baden,<lb/> ſetzten den Erwerb des Bürgerrechts als <hi rendition="#g">Bedingung</hi> des Gewerbe-<lb/> betriebsrechts. Hier gewann freilich der Akt der „Aufnahme“ einen<lb/> praktiſchen Sinn für das engherzige Intereſſe der Zunftgenoſſen! Und<lb/> ſo iſt auch dieſe tiefe Anomalie mit dem Princip des freien Staats-<lb/> bürgerthums nur hiſtoriſch erklärbar.</p><lb/> <p>Das waren die beiden Folgen, die ſich innerhalb der Gemeinde<lb/> zeigten. Eine dritte, viel wichtigere Folge dieſer Beſchränkung der neuen<lb/> Idee der Gemeinde auf die alte Ortsgemeinde entſtand nun dadurch,<lb/> daß dadurch die <hi rendition="#g">Aufgaben</hi> principiell für alle Gemeinden <hi rendition="#g">gleich</hi> wer-<lb/> den, während thatſächlich die <hi rendition="#g">Mittel</hi> der einzelnen Gemeinden ihre<lb/> örtliche Vollziehung geradezu oft unmöglich machten. Das mußte aber<lb/> mit jedem Jahre fühlbarer werden, da mit jedem Jahre dieſe Aufgaben<lb/> wuchſen, und mit jedem Jahre mehr Mittel forderten. Die Conſequenz<lb/> davon zeigte ſich nun nach zwei Seiten.</p><lb/> <p>Da nämlich die großen Verwaltungsaufgaben nicht ungelöst bleiben<lb/> konnten, ſo ergab es ſich gleichſam von ſelbſt, daß die <hi rendition="#g">amtliche</hi> Ver-<lb/> waltung ſolche Aufgaben übernahm, und die kleinen Gemeinden damit<lb/> ihre eigentliche Selbſtverwaltung wieder an den größeren, dem Umfange<lb/> der Verwaltungsaufgabe entſprechenden <hi rendition="#g">Amtsbezirk</hi> theils direkt,<lb/> theils indirekt <hi rendition="#g">verloren</hi>. Das iſt der einfache und natürliche Grund,<lb/> weßhalb die Selbſtverwaltung nur in den größern Städten feſten Fuß<lb/> gefaßt hat, während unter den Landgemeinden die Theilnahme der An-<lb/> gehörigen eine höchſt beſchränkte und örtliche iſt. Wer nur einigermaßen<lb/> die wirklichen Verhältniſſe des Lebens kennt, der wird unbedingt zu-<lb/> geſtehen, daß hier die Selbſtverwaltung, und faſt immer aus dem obigen<lb/> Grunde, ein ziemlich leeres Wort iſt.</p><lb/> <p>Während aber die amtliche Verwaltung faſt auf allen andern<lb/> Punkten ſich an der Stelle der Selbſtverwaltung erhielt, wies ſie auf<lb/> Einem Gebiete alle poſitive Verpflichtung von ſich und der Ortsgemeinde<lb/> zu, das war die <hi rendition="#g">Armenunterſtützung</hi>. Schon das vorige Jahr-<lb/> hundert hatte den alten ethiſchen Satz, daß jede Gemeinde ihre Armen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [335/0357]
Die zweite Folge war die Frage, ob mit der Gemeindeangehörig-
keit auch das Recht auf den Gewerbebetrieb, das Gewerbebürger-
thum, gewonnen ſein ſollte. Nur die Uebertragung der alten ſtändiſchen
Unfreiheit auf die neuen Gewerbeordnungen konnte dieß Recht überhaupt
in Frage ſtellen, und hier traten mitten in aller ſcheinbaren Verfaſſungs-
freiheit die ſchreiendſten Beſchränkungen der ſtaatsbürgerlichen Freiheit
durch das Ortsgemeinderecht hervor. Die Staaten, welche die Zünfte
aufgehoben, wie Preußen, das es zum Theil, und Oeſterreich, das es ganz
gethan, machten allerdings den Gewerbebetrieb vom Gemeinderecht un-
abhängig; andere Staaten dagegen wie Bayern, Württemberg, Baden,
ſetzten den Erwerb des Bürgerrechts als Bedingung des Gewerbe-
betriebsrechts. Hier gewann freilich der Akt der „Aufnahme“ einen
praktiſchen Sinn für das engherzige Intereſſe der Zunftgenoſſen! Und
ſo iſt auch dieſe tiefe Anomalie mit dem Princip des freien Staats-
bürgerthums nur hiſtoriſch erklärbar.
Das waren die beiden Folgen, die ſich innerhalb der Gemeinde
zeigten. Eine dritte, viel wichtigere Folge dieſer Beſchränkung der neuen
Idee der Gemeinde auf die alte Ortsgemeinde entſtand nun dadurch,
daß dadurch die Aufgaben principiell für alle Gemeinden gleich wer-
den, während thatſächlich die Mittel der einzelnen Gemeinden ihre
örtliche Vollziehung geradezu oft unmöglich machten. Das mußte aber
mit jedem Jahre fühlbarer werden, da mit jedem Jahre dieſe Aufgaben
wuchſen, und mit jedem Jahre mehr Mittel forderten. Die Conſequenz
davon zeigte ſich nun nach zwei Seiten.
Da nämlich die großen Verwaltungsaufgaben nicht ungelöst bleiben
konnten, ſo ergab es ſich gleichſam von ſelbſt, daß die amtliche Ver-
waltung ſolche Aufgaben übernahm, und die kleinen Gemeinden damit
ihre eigentliche Selbſtverwaltung wieder an den größeren, dem Umfange
der Verwaltungsaufgabe entſprechenden Amtsbezirk theils direkt,
theils indirekt verloren. Das iſt der einfache und natürliche Grund,
weßhalb die Selbſtverwaltung nur in den größern Städten feſten Fuß
gefaßt hat, während unter den Landgemeinden die Theilnahme der An-
gehörigen eine höchſt beſchränkte und örtliche iſt. Wer nur einigermaßen
die wirklichen Verhältniſſe des Lebens kennt, der wird unbedingt zu-
geſtehen, daß hier die Selbſtverwaltung, und faſt immer aus dem obigen
Grunde, ein ziemlich leeres Wort iſt.
Während aber die amtliche Verwaltung faſt auf allen andern
Punkten ſich an der Stelle der Selbſtverwaltung erhielt, wies ſie auf
Einem Gebiete alle poſitive Verpflichtung von ſich und der Ortsgemeinde
zu, das war die Armenunterſtützung. Schon das vorige Jahr-
hundert hatte den alten ethiſchen Satz, daß jede Gemeinde ihre Armen
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