Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.der Grundsatz der Gleichheit für das Gemeindebürgerthum durchführ- Wir wollen versuchen, die Elemente desselben hier kurz zu Die Idee einer freien Verfassung der Gemeinden, wie sie die der Grundſatz der Gleichheit für das Gemeindebürgerthum durchführ- Wir wollen verſuchen, die Elemente deſſelben hier kurz zu Die Idee einer freien Verfaſſung der Gemeinden, wie ſie die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0353" n="331"/> der Grundſatz der <hi rendition="#g">Gleichheit</hi> für das Gemeindebürgerthum durchführ-<lb/> bar ſein; zweitens muß die Gemeinde ſelbſt <hi rendition="#g">groß genug ſein</hi>, um<lb/> die ihr überwieſenen Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Um beides zu<lb/> haben, muß man aber entweder die ſtaatsbürgerliche Gleichheit ſchon<lb/> beſitzen, und die Gemeindekörper nach ihrer Aufgabe, ſtatt die Auf-<lb/> gaben nach den Gemeindekörpern einrichten, wie beides in England der<lb/> Fall war, oder man muß jene Gleichheit durch eine Revolution her-<lb/> ſtellen, und die Gemeinden ganz nach dem Schema der amtlichen Or-<lb/> ganiſation vertheilen, wie in Frankreich. <hi rendition="#g">Keines</hi> von dieſen Dingen<lb/> war in Deutſchland der Fall. Indem man ſtatt deſſen einfach die<lb/> hiſtoriſch gebildete Ortsgemeinde den allgemeinen Gemeindeverfaſſungen<lb/> zum Grunde legte, ohne <hi rendition="#g">weder</hi> die ſtaatsbürgerliche Gleichheit herzu-<lb/> ſtellen, <hi rendition="#g">noch</hi> auch die Gemeinden anders zu vertheilen, entſtand jenes<lb/> unklare und unfertige Gemeindeweſen Deutſchlands, in dem wir uns<lb/> noch befinden, und das offenbar nur als Uebergang zu einer höheren<lb/> Ordnung der Dinge anerkannt werden kann.</p><lb/> <p>Wir wollen verſuchen, die Elemente deſſelben hier kurz zu<lb/> charakteriſiren.</p><lb/> <p>Die Idee einer freien <hi rendition="#g">Verfaſſung</hi> der Gemeinden, wie ſie die<lb/> verſchiedenen Gemeindeordnungen enthalten, konnte ſehr leicht ihr<lb/> Schema in Wahl und Wählbarkeit, Gemeindevertretung und Gemeinde-<lb/> haupt finden, ohne viel Werth auf verſchiedenen Cenſus und verſchiedene<lb/> Namen zu legen. Allein anders war es mit dem Gemeind<hi rendition="#g">ebürger-<lb/> recht</hi>. Das Gemeindebürgerrecht iſt ohne geſellſchaftliche Gleichſtellung<lb/> undenkbar. <hi rendition="#g">Indem</hi> man nun die alte Ortsgemeinde annahm mit<lb/> ihrer ganzen hiſtoriſchen Geſtalt, zeigte es ſich zunächſt, daß <hi rendition="#g">nur</hi> die<lb/> Stadtgemeinden und mit ihnen einzelne Landgemeinden überhaupt den<lb/> Begriff des Bürgerrechts <hi rendition="#g">zuließen</hi>. Denn hiſtoriſch beſtand neben<lb/> Stadt und Dorf noch die <hi rendition="#g">Herrſchaft</hi> mit ihrer Gutsgerichtsbarkeit,<lb/> auf dem ſtändiſchen Beſitzrecht begründet. Die Einführung des Ge-<lb/> meindebürgerrechts in den Herrſchaften mit Patrimonialgerichtsbarkeit<lb/> war natürlich ein Unding. Es hätte den Herrn zu ſeinem eigenen<lb/> Unterthan gemacht. Hier war daher eine reine Gemeindeverfaſſung ſo<lb/> lange abſolut unmöglich, als die Patrimonialgerichtsbarkeit beſtand, und<lb/> die erſte Folge war, daß es eben gar keine, wie in Preußen, oder<lb/> keine allgemein gültige Landgemeindeordnung wie in Bayern und Württem-<lb/> berg, oder eine von der Stadtgemeindeordnung weſentlich verſchiedene<lb/> wie in Sachſen gab. — Aber auch <hi rendition="#g">nach</hi> Aufhebung der Patrimonial-<lb/> gerichtsbarkeit, wie in Oeſterreich, zeigte ſich auf dem Lande ein zweites<lb/> Verhältniß. Der <hi rendition="#g">Beſitz</hi> der früheren Herren war zum Theil ſo groß, daß<lb/> ſich in ihm allein die alte Ortsgemeinde fortſetzte. Es war denn doch ein<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [331/0353]
der Grundſatz der Gleichheit für das Gemeindebürgerthum durchführ-
bar ſein; zweitens muß die Gemeinde ſelbſt groß genug ſein, um
die ihr überwieſenen Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Um beides zu
haben, muß man aber entweder die ſtaatsbürgerliche Gleichheit ſchon
beſitzen, und die Gemeindekörper nach ihrer Aufgabe, ſtatt die Auf-
gaben nach den Gemeindekörpern einrichten, wie beides in England der
Fall war, oder man muß jene Gleichheit durch eine Revolution her-
ſtellen, und die Gemeinden ganz nach dem Schema der amtlichen Or-
ganiſation vertheilen, wie in Frankreich. Keines von dieſen Dingen
war in Deutſchland der Fall. Indem man ſtatt deſſen einfach die
hiſtoriſch gebildete Ortsgemeinde den allgemeinen Gemeindeverfaſſungen
zum Grunde legte, ohne weder die ſtaatsbürgerliche Gleichheit herzu-
ſtellen, noch auch die Gemeinden anders zu vertheilen, entſtand jenes
unklare und unfertige Gemeindeweſen Deutſchlands, in dem wir uns
noch befinden, und das offenbar nur als Uebergang zu einer höheren
Ordnung der Dinge anerkannt werden kann.
Wir wollen verſuchen, die Elemente deſſelben hier kurz zu
charakteriſiren.
Die Idee einer freien Verfaſſung der Gemeinden, wie ſie die
verſchiedenen Gemeindeordnungen enthalten, konnte ſehr leicht ihr
Schema in Wahl und Wählbarkeit, Gemeindevertretung und Gemeinde-
haupt finden, ohne viel Werth auf verſchiedenen Cenſus und verſchiedene
Namen zu legen. Allein anders war es mit dem Gemeindebürger-
recht. Das Gemeindebürgerrecht iſt ohne geſellſchaftliche Gleichſtellung
undenkbar. Indem man nun die alte Ortsgemeinde annahm mit
ihrer ganzen hiſtoriſchen Geſtalt, zeigte es ſich zunächſt, daß nur die
Stadtgemeinden und mit ihnen einzelne Landgemeinden überhaupt den
Begriff des Bürgerrechts zuließen. Denn hiſtoriſch beſtand neben
Stadt und Dorf noch die Herrſchaft mit ihrer Gutsgerichtsbarkeit,
auf dem ſtändiſchen Beſitzrecht begründet. Die Einführung des Ge-
meindebürgerrechts in den Herrſchaften mit Patrimonialgerichtsbarkeit
war natürlich ein Unding. Es hätte den Herrn zu ſeinem eigenen
Unterthan gemacht. Hier war daher eine reine Gemeindeverfaſſung ſo
lange abſolut unmöglich, als die Patrimonialgerichtsbarkeit beſtand, und
die erſte Folge war, daß es eben gar keine, wie in Preußen, oder
keine allgemein gültige Landgemeindeordnung wie in Bayern und Württem-
berg, oder eine von der Stadtgemeindeordnung weſentlich verſchiedene
wie in Sachſen gab. — Aber auch nach Aufhebung der Patrimonial-
gerichtsbarkeit, wie in Oeſterreich, zeigte ſich auf dem Lande ein zweites
Verhältniß. Der Beſitz der früheren Herren war zum Theil ſo groß, daß
ſich in ihm allein die alte Ortsgemeinde fortſetzte. Es war denn doch ein
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