12. Jahrhundert allenthalben mit ziemlich gleichem Charakter. Es ist durchaus nothwendig, sie in ihren Grundzügen darzustellen; und zwar deßhalb, weil sie eben so sehr wie die Geschlechtsordnung dem heutigen Gemeinde- und Heimathsrecht Deutschlands zum Grunde liegt, und es gerade diese innige Verbindung mit derselben ist, welche das letztere von Englands und Frankreichs Rechtszuständen in Auffassung und den einzelnen geltenden Bestimmungen unterscheidet.
Wir werden zu dem Ende die ständische Verwaltungsordnung zu- nächst in ihre zwei großen Gebiete scheiden, die corporative, und die feudale. Die corporative Verwaltungsordnung ist diejenige, welche die gesammten Angehörigkeitsverhältnisse nach dem Berufe in den Be- rufskörperschaften bestimmt. Die feudale ist dagegen diejenige, welche der Angehörigkeit einerseits die Abstammung, andrerseits den Besitz zum Grunde legt. An diese schließt sich die dritte Gestalt, welche die Ele- mente der noch unklaren, theils von corporativen, theils von feudalen Grundsätzen durchdrungenen und beherrschten staatsbürgerlichen Gesell- schaft enthält, die städtische Ordnung mit ihrer Angehörigkeit und ihrem öffentlichen Recht. Jede dieser Ordnungen bildet nun ein großes, in Princip und Recht, also auch in der Angehörigkeit wesentlich selbstän- diges System, das sich von jedem der beiden andern möglichst unab- hängig zu stellen trachtet. Ein solches System, mit Princip, Recht, Besitz, wirthschaftlichem und geistigem Leben und mithin auch mit eignem Systeme der Angehörigkeit versehen, nennen wir einen Stand. Die ständische Epoche hat daher die bekannten drei Stände, die Geistlichkeit, die Ritterschaft, die Städte, oder den Stand des geistigen Berufs, der Waffen und der Arbeit. Jeder Stand hat sein System der An- gehörigkeit. Diese Systeme greifen vielfach in einander; theils nehmen Waffen und Arbeit Charakter und Form des Berufes an, theils ge- winnt der geistliche Stand mit dem Grundbesitz auch Antheil an der Organisation der übrigen Stände. Es entsteht daher ein äußerlich sehr verwirrtes Bild, dessen oft ganz unauflösbaren Verhältnisse es allmählig nothwendig machen, für die gesammte Verwaltung eine ganz neue, gegen das Bisherige grundsätzlich gleichgültige Ordnung der Bevölkerung aufzustellen, die wir als die amtliche bezeichnen werden. Allein da diese zwar in Frankreich, nicht aber in Deutschland die stän- dische Bevölkerungsordnung vernichtet, so müssen wir die letztere hier darstellen, wie sie in der folgenden Epoche, ja auch in der Gegenwart wieder erscheint. Dieß ist nun im Allgemeinen nicht schwer, da bei aller äußern Verwirrung die Principien, auf denen diese Systeme be- ruhen, ziemlich einfach sind.
Das erste Princip ist, daß in der ständischen Epoche jeder ständische
12. Jahrhundert allenthalben mit ziemlich gleichem Charakter. Es iſt durchaus nothwendig, ſie in ihren Grundzügen darzuſtellen; und zwar deßhalb, weil ſie eben ſo ſehr wie die Geſchlechtsordnung dem heutigen Gemeinde- und Heimathsrecht Deutſchlands zum Grunde liegt, und es gerade dieſe innige Verbindung mit derſelben iſt, welche das letztere von Englands und Frankreichs Rechtszuſtänden in Auffaſſung und den einzelnen geltenden Beſtimmungen unterſcheidet.
Wir werden zu dem Ende die ſtändiſche Verwaltungsordnung zu- nächſt in ihre zwei großen Gebiete ſcheiden, die corporative, und die feudale. Die corporative Verwaltungsordnung iſt diejenige, welche die geſammten Angehörigkeitsverhältniſſe nach dem Berufe in den Be- rufskörperſchaften beſtimmt. Die feudale iſt dagegen diejenige, welche der Angehörigkeit einerſeits die Abſtammung, andrerſeits den Beſitz zum Grunde legt. An dieſe ſchließt ſich die dritte Geſtalt, welche die Ele- mente der noch unklaren, theils von corporativen, theils von feudalen Grundſätzen durchdrungenen und beherrſchten ſtaatsbürgerlichen Geſell- ſchaft enthält, die ſtädtiſche Ordnung mit ihrer Angehörigkeit und ihrem öffentlichen Recht. Jede dieſer Ordnungen bildet nun ein großes, in Princip und Recht, alſo auch in der Angehörigkeit weſentlich ſelbſtän- diges Syſtem, das ſich von jedem der beiden andern möglichſt unab- hängig zu ſtellen trachtet. Ein ſolches Syſtem, mit Princip, Recht, Beſitz, wirthſchaftlichem und geiſtigem Leben und mithin auch mit eignem Syſteme der Angehörigkeit verſehen, nennen wir einen Stand. Die ſtändiſche Epoche hat daher die bekannten drei Stände, die Geiſtlichkeit, die Ritterſchaft, die Städte, oder den Stand des geiſtigen Berufs, der Waffen und der Arbeit. Jeder Stand hat ſein Syſtem der An- gehörigkeit. Dieſe Syſteme greifen vielfach in einander; theils nehmen Waffen und Arbeit Charakter und Form des Berufes an, theils ge- winnt der geiſtliche Stand mit dem Grundbeſitz auch Antheil an der Organiſation der übrigen Stände. Es entſteht daher ein äußerlich ſehr verwirrtes Bild, deſſen oft ganz unauflösbaren Verhältniſſe es allmählig nothwendig machen, für die geſammte Verwaltung eine ganz neue, gegen das Bisherige grundſätzlich gleichgültige Ordnung der Bevölkerung aufzuſtellen, die wir als die amtliche bezeichnen werden. Allein da dieſe zwar in Frankreich, nicht aber in Deutſchland die ſtän- diſche Bevölkerungsordnung vernichtet, ſo müſſen wir die letztere hier darſtellen, wie ſie in der folgenden Epoche, ja auch in der Gegenwart wieder erſcheint. Dieß iſt nun im Allgemeinen nicht ſchwer, da bei aller äußern Verwirrung die Principien, auf denen dieſe Syſteme be- ruhen, ziemlich einfach ſind.
Das erſte Princip iſt, daß in der ſtändiſchen Epoche jeder ſtändiſche
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12. Jahrhundert allenthalben mit ziemlich gleichem Charakter. Es iſt
durchaus nothwendig, ſie in ihren Grundzügen darzuſtellen; und zwar
deßhalb, weil ſie eben ſo ſehr wie die Geſchlechtsordnung dem heutigen
Gemeinde- und Heimathsrecht Deutſchlands zum Grunde liegt, und es
gerade dieſe innige Verbindung mit derſelben iſt, welche das letztere
von Englands und Frankreichs Rechtszuſtänden in Auffaſſung und den
einzelnen geltenden Beſtimmungen unterſcheidet.
Wir werden zu dem Ende die ſtändiſche Verwaltungsordnung zu-
nächſt in ihre zwei großen Gebiete ſcheiden, die corporative, und die
feudale. Die corporative Verwaltungsordnung iſt diejenige, welche
die geſammten Angehörigkeitsverhältniſſe nach dem Berufe in den Be-
rufskörperſchaften beſtimmt. Die feudale iſt dagegen diejenige, welche
der Angehörigkeit einerſeits die Abſtammung, andrerſeits den Beſitz zum
Grunde legt. An dieſe ſchließt ſich die dritte Geſtalt, welche die Ele-
mente der noch unklaren, theils von corporativen, theils von feudalen
Grundſätzen durchdrungenen und beherrſchten ſtaatsbürgerlichen Geſell-
ſchaft enthält, die ſtädtiſche Ordnung mit ihrer Angehörigkeit und ihrem
öffentlichen Recht. Jede dieſer Ordnungen bildet nun ein großes, in
Princip und Recht, alſo auch in der Angehörigkeit weſentlich ſelbſtän-
diges Syſtem, das ſich von jedem der beiden andern möglichſt unab-
hängig zu ſtellen trachtet. Ein ſolches Syſtem, mit Princip, Recht,
Beſitz, wirthſchaftlichem und geiſtigem Leben und mithin auch mit eignem
Syſteme der Angehörigkeit verſehen, nennen wir einen Stand. Die
ſtändiſche Epoche hat daher die bekannten drei Stände, die Geiſtlichkeit,
die Ritterſchaft, die Städte, oder den Stand des geiſtigen Berufs, der
Waffen und der Arbeit. Jeder Stand hat ſein Syſtem der An-
gehörigkeit. Dieſe Syſteme greifen vielfach in einander; theils nehmen
Waffen und Arbeit Charakter und Form des Berufes an, theils ge-
winnt der geiſtliche Stand mit dem Grundbeſitz auch Antheil an der
Organiſation der übrigen Stände. Es entſteht daher ein äußerlich
ſehr verwirrtes Bild, deſſen oft ganz unauflösbaren Verhältniſſe es
allmählig nothwendig machen, für die geſammte Verwaltung eine ganz
neue, gegen das Bisherige grundſätzlich gleichgültige Ordnung der
Bevölkerung aufzuſtellen, die wir als die amtliche bezeichnen werden.
Allein da dieſe zwar in Frankreich, nicht aber in Deutſchland die ſtän-
diſche Bevölkerungsordnung vernichtet, ſo müſſen wir die letztere hier
darſtellen, wie ſie in der folgenden Epoche, ja auch in der Gegenwart
wieder erſcheint. Dieß iſt nun im Allgemeinen nicht ſchwer, da bei
aller äußern Verwirrung die Principien, auf denen dieſe Syſteme be-
ruhen, ziemlich einfach ſind.
Das erſte Princip iſt, daß in der ſtändiſchen Epoche jeder ſtändiſche
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/337>, abgerufen am 17.07.2024.
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