Rechtspunkte bestimmen, welche darüber entscheiden, steht daneben das zweite Grundverhältniß, nämlich das des Einzelnen zur vollziehenden Gewalt und der concreten Form derselben, der Verwaltung. Insofern nämlich der Einzelne als dieser Vollziehung und Verwaltung angehörig betrachtet wird, besitzt er das Indigenat. Das Indigenat enthält daher von Seiten der Einzelnen das Recht, zu fordern, daß die Voll- ziehung und Verwaltung des eigenen Staats ihm alle diejenigen Lei- stungen wirklich prästire, welche durch das Angehören an den Staat bedingt sind; und anderseits das Recht der Organe der Vollziehung, von dem Einzelnen wieder zu fordern, daß er den Vorschriften der voll- ziehenden Gewalt den staatsbürgerlichen Gehorsam leiste. Es ist dabei ganz gleichgültig, worauf das Indigenat beruht, auf Grundbesitz, Anstellung oder Geburt; es hat, weil es ein ganz bestimmter und con- creter Begriff ist, immer denselben Inhalt. Und hier daher ist auch der Ort, eine wir möchten sagen wunderliche Unklarheit zu beseitigen, die auf diesem Punkte vielfach vorkommt. Diese besteht nämlich in dem Verhältniß des Indigenats zur Gemeindeangehörigkeit.
Wenn nämlich das Indigenat das Angehören an die vollziehende Gewalt im Allgemeinen bedeutet, diese vollziehende Gewalt aber, wie wir gezeigt, sich als amtliche und als Selbstverwaltung zeigt, so ist es ganz selbstverständlich, daß der concrete Inhalt des Indigenats, der in der Anwendung des Indigenatsrechts auf die wirklichen Lebensver- hältnisse des Einzelnen sich zeigt, einerseits in dem Vorhandensein der jedesmal erforderlichen Competenz und Zuständigkeit, anderseits in dem des Gemeindebürger- und Heimathsrechts erscheinen muß. Denn Amt und Selbstverwaltung sind ja nicht etwas außerhalb der Vollziehung Stehendes, sondern sie sind ja eben der concrete Inhalt und Organis- mus dieser vollziehenden Gewalt selbst. Es folgt daraus also in ein- fachster Weise, daß da wo dieß auch gesetzlich der Fall ist, das Indigenat unbedingt die in ihm liegende Angehörigkeit an die Staatsverwaltung einerseits als die Zuständigkeit, anderseits wenigstens als das Heimaths- recht des Indigenen in irgend einer Gemeinde enthalten muß. Dieß ist nun für die Zuständigkeit ganz unbezweifelt, da ihre Basis die all- gemeine Staatsangehörigkeit ist. Für das Heimathsrecht dagegen kann die Sache sehr bezweifelt werden, da es allerdings im Wesen des Staats liegt, Gemeinden zu haben, aber nicht, ganz in seinen Gemeinden ent- halten zu sein. Es ist daher sehr wohl möglich, daß man sich ein In- digenat ohne Heimathsrecht, natürlich noch viel eher ohne Gemeinde- bürgerrecht denke. Das letzte wird sogar namentlich bei Beamteten sehr oft der Fall sein, wenn ihnen das Gesetz nicht ein Gemeindebürgerrecht ausdrücklich mit der Anstellung verleiht. Wo nun solche Beamte durch
Rechtspunkte beſtimmen, welche darüber entſcheiden, ſteht daneben das zweite Grundverhältniß, nämlich das des Einzelnen zur vollziehenden Gewalt und der concreten Form derſelben, der Verwaltung. Inſofern nämlich der Einzelne als dieſer Vollziehung und Verwaltung angehörig betrachtet wird, beſitzt er das Indigenat. Das Indigenat enthält daher von Seiten der Einzelnen das Recht, zu fordern, daß die Voll- ziehung und Verwaltung des eigenen Staats ihm alle diejenigen Lei- ſtungen wirklich präſtire, welche durch das Angehören an den Staat bedingt ſind; und anderſeits das Recht der Organe der Vollziehung, von dem Einzelnen wieder zu fordern, daß er den Vorſchriften der voll- ziehenden Gewalt den ſtaatsbürgerlichen Gehorſam leiſte. Es iſt dabei ganz gleichgültig, worauf das Indigenat beruht, auf Grundbeſitz, Anſtellung oder Geburt; es hat, weil es ein ganz beſtimmter und con- creter Begriff iſt, immer denſelben Inhalt. Und hier daher iſt auch der Ort, eine wir möchten ſagen wunderliche Unklarheit zu beſeitigen, die auf dieſem Punkte vielfach vorkommt. Dieſe beſteht nämlich in dem Verhältniß des Indigenats zur Gemeindeangehörigkeit.
Wenn nämlich das Indigenat das Angehören an die vollziehende Gewalt im Allgemeinen bedeutet, dieſe vollziehende Gewalt aber, wie wir gezeigt, ſich als amtliche und als Selbſtverwaltung zeigt, ſo iſt es ganz ſelbſtverſtändlich, daß der concrete Inhalt des Indigenats, der in der Anwendung des Indigenatsrechts auf die wirklichen Lebensver- hältniſſe des Einzelnen ſich zeigt, einerſeits in dem Vorhandenſein der jedesmal erforderlichen Competenz und Zuſtändigkeit, anderſeits in dem des Gemeindebürger- und Heimathsrechts erſcheinen muß. Denn Amt und Selbſtverwaltung ſind ja nicht etwas außerhalb der Vollziehung Stehendes, ſondern ſie ſind ja eben der concrete Inhalt und Organis- mus dieſer vollziehenden Gewalt ſelbſt. Es folgt daraus alſo in ein- fachſter Weiſe, daß da wo dieß auch geſetzlich der Fall iſt, das Indigenat unbedingt die in ihm liegende Angehörigkeit an die Staatsverwaltung einerſeits als die Zuſtändigkeit, anderſeits wenigſtens als das Heimaths- recht des Indigenen in irgend einer Gemeinde enthalten muß. Dieß iſt nun für die Zuſtändigkeit ganz unbezweifelt, da ihre Baſis die all- gemeine Staatsangehörigkeit iſt. Für das Heimathsrecht dagegen kann die Sache ſehr bezweifelt werden, da es allerdings im Weſen des Staats liegt, Gemeinden zu haben, aber nicht, ganz in ſeinen Gemeinden ent- halten zu ſein. Es iſt daher ſehr wohl möglich, daß man ſich ein In- digenat ohne Heimathsrecht, natürlich noch viel eher ohne Gemeinde- bürgerrecht denke. Das letzte wird ſogar namentlich bei Beamteten ſehr oft der Fall ſein, wenn ihnen das Geſetz nicht ein Gemeindebürgerrecht ausdrücklich mit der Anſtellung verleiht. Wo nun ſolche Beamte durch
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Rechtspunkte beſtimmen, welche darüber entſcheiden, ſteht daneben das
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Gewalt und der concreten Form derſelben, der Verwaltung. Inſofern
nämlich der Einzelne als dieſer Vollziehung und Verwaltung angehörig
betrachtet wird, beſitzt er das Indigenat. Das Indigenat enthält
daher von Seiten der Einzelnen das Recht, zu fordern, daß die Voll-
ziehung und Verwaltung des eigenen Staats ihm alle diejenigen Lei-
ſtungen wirklich präſtire, welche durch das Angehören an den Staat
bedingt ſind; und anderſeits das Recht der Organe der Vollziehung,
von dem Einzelnen wieder zu fordern, daß er den Vorſchriften der voll-
ziehenden Gewalt den ſtaatsbürgerlichen Gehorſam leiſte. Es iſt dabei
ganz gleichgültig, worauf das Indigenat beruht, auf Grundbeſitz,
Anſtellung oder Geburt; es hat, weil es ein ganz beſtimmter und con-
creter Begriff iſt, immer denſelben Inhalt. Und hier daher iſt auch
der Ort, eine wir möchten ſagen wunderliche Unklarheit zu beſeitigen,
die auf dieſem Punkte vielfach vorkommt. Dieſe beſteht nämlich in dem
Verhältniß des Indigenats zur Gemeindeangehörigkeit.
Wenn nämlich das Indigenat das Angehören an die vollziehende
Gewalt im Allgemeinen bedeutet, dieſe vollziehende Gewalt aber, wie
wir gezeigt, ſich als amtliche und als Selbſtverwaltung zeigt, ſo iſt es
ganz ſelbſtverſtändlich, daß der concrete Inhalt des Indigenats, der
in der Anwendung des Indigenatsrechts auf die wirklichen Lebensver-
hältniſſe des Einzelnen ſich zeigt, einerſeits in dem Vorhandenſein der
jedesmal erforderlichen Competenz und Zuſtändigkeit, anderſeits in dem
des Gemeindebürger- und Heimathsrechts erſcheinen muß. Denn Amt
und Selbſtverwaltung ſind ja nicht etwas außerhalb der Vollziehung
Stehendes, ſondern ſie ſind ja eben der concrete Inhalt und Organis-
mus dieſer vollziehenden Gewalt ſelbſt. Es folgt daraus alſo in ein-
fachſter Weiſe, daß da wo dieß auch geſetzlich der Fall iſt, das Indigenat
unbedingt die in ihm liegende Angehörigkeit an die Staatsverwaltung
einerſeits als die Zuſtändigkeit, anderſeits wenigſtens als das Heimaths-
recht des Indigenen in irgend einer Gemeinde enthalten muß. Dieß
iſt nun für die Zuſtändigkeit ganz unbezweifelt, da ihre Baſis die all-
gemeine Staatsangehörigkeit iſt. Für das Heimathsrecht dagegen kann
die Sache ſehr bezweifelt werden, da es allerdings im Weſen des Staats
liegt, Gemeinden zu haben, aber nicht, ganz in ſeinen Gemeinden ent-
halten zu ſein. Es iſt daher ſehr wohl möglich, daß man ſich ein In-
digenat ohne Heimathsrecht, natürlich noch viel eher ohne Gemeinde-
bürgerrecht denke. Das letzte wird ſogar namentlich bei Beamteten ſehr
oft der Fall ſein, wenn ihnen das Geſetz nicht ein Gemeindebürgerrecht
ausdrücklich mit der Anſtellung verleiht. Wo nun ſolche Beamte durch
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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