10. August 1784 schrieb überhaupt vor, daß die Obrigkeit "geschickten Künstlern und Handwerkern, welche bei den Provinzialfabriken besonders nothwendig sind," nicht leicht Pässe ins Ausland geben solle. Joseph II. faßte dann alle besondern Vorschriften in das citirte Auswanderungs- patent vom 10. August 1784 zusammen, welches zugleich die Gesetz- gebung über "fremde Werbungen, Entführungen und gewaltsame Weg- nehmungen der Unterthanen" enthält. Hier werden die Begriffe der wirklichen und beabsichtigten Auswanderung förmlich codificirt und das Princip ganz allgemein aufgestellt, daß die Auswanderung nur auf Bewil- ligung geschehen darf, wobei aber den Behörden noch ausdrücklich aufgetragen wird, auch den "Vorwand und die Gelegenheit" zur Aus- wanderung abzuschneiden, weßhalb gegen diejenigen, die den Argwohn der Auswanderung erwecken, eigene Maßregeln vorgeschrieben werden. Die unbewilligte Auswanderung aber wird jetzt ein Verbrechen, das mit Confiscation des erreichbaren Vermögens, eventuell mit drei Jahren öffentlicher Arbeit zu bestrafen ist; selbst die Mitschuldigen werden hart bestraft. Listige Entführungen sind Verleitungen von Hand- werkern etc, "um sich in fremden Staaten anzusetzen", wobei die Anzeige mit 100 und die Einbringung solcher "Verführer" mit 200 fl. belohnt wird; die Verleitung selbst wird mit 1--6 Monaten Arrest bestraft. Obwohl nun ähnliche Grundsätze auch anderswo gegolten haben, wie in Dänemark (Justi, §. 304); Rußland (Justi und Roscher); Kur- braunschweig 1784 (Berg, Polizeirecht Bd. III. 2. Abschn. Hauptst. 2); Pfalz 1785; Hessen-Darmstadt 1787 (Berg a. a. O. S. 52); namentlich das unbedingte Auswanderungsverbot von Bayern (Patent vom 28. Februar 1784; Pötzl, bayerisches Verfassungsrecht §. 31); Königreich Sachsen (Mandat vom 21. August 1764 und folgende; Funke, Polizeigesetze Abschn. VIII. Cap. 4), ist doch wohl kein Verbot so systematisch entwickelt als dieses, und hat dasselbe vielleicht eben deß- halb seinen Einfluß bis auf unsere Zeit erstreckt. Das neue Auswan- derungspatent vom 24. März 1832 für Oesterreich steht übrigens, ob- gleich es in vielen einzelnen Beziehungen freier ist, doch noch auf dem- selben Standpunkt; die "unbefugte Abwesenheit" ohne Paß wird noch immer mit Strafen (5--50 fl.) belegt, und die Behörde hat das Recht, "Einberufungsedikte" ergehen zu lassen, die dreimal zu veröffentlichen sind, und bei welchen die Staatsbürgerschaft verloren geht, wenn der Betreffende nicht zurückkehrt. Es ist kein Zweifel, daß diese Bestim- mungen gerade wie das damalige Recht der Volkszählung noch ganz auf dem Standpunkt der Sicherung der Militärpflicht stehen. Eben so strenge war in Preußen die Auswanderung im Anfange dieses Jahr- hunderts verboten (Roscher, Nationalökonomie a. a. O.), und dieser
10. Auguſt 1784 ſchrieb überhaupt vor, daß die Obrigkeit „geſchickten Künſtlern und Handwerkern, welche bei den Provinzialfabriken beſonders nothwendig ſind,“ nicht leicht Päſſe ins Ausland geben ſolle. Joſeph II. faßte dann alle beſondern Vorſchriften in das citirte Auswanderungs- patent vom 10. Auguſt 1784 zuſammen, welches zugleich die Geſetz- gebung über „fremde Werbungen, Entführungen und gewaltſame Weg- nehmungen der Unterthanen“ enthält. Hier werden die Begriffe der wirklichen und beabſichtigten Auswanderung förmlich codificirt und das Princip ganz allgemein aufgeſtellt, daß die Auswanderung nur auf Bewil- ligung geſchehen darf, wobei aber den Behörden noch ausdrücklich aufgetragen wird, auch den „Vorwand und die Gelegenheit“ zur Aus- wanderung abzuſchneiden, weßhalb gegen diejenigen, die den Argwohn der Auswanderung erwecken, eigene Maßregeln vorgeſchrieben werden. Die unbewilligte Auswanderung aber wird jetzt ein Verbrechen, das mit Confiscation des erreichbaren Vermögens, eventuell mit drei Jahren öffentlicher Arbeit zu beſtrafen iſt; ſelbſt die Mitſchuldigen werden hart beſtraft. Liſtige Entführungen ſind Verleitungen von Hand- werkern ꝛc, „um ſich in fremden Staaten anzuſetzen“, wobei die Anzeige mit 100 und die Einbringung ſolcher „Verführer“ mit 200 fl. belohnt wird; die Verleitung ſelbſt wird mit 1—6 Monaten Arreſt beſtraft. Obwohl nun ähnliche Grundſätze auch anderswo gegolten haben, wie in Dänemark (Juſti, §. 304); Rußland (Juſti und Roſcher); Kur- braunſchweig 1784 (Berg, Polizeirecht Bd. III. 2. Abſchn. Hauptſt. 2); Pfalz 1785; Heſſen-Darmſtadt 1787 (Berg a. a. O. S. 52); namentlich das unbedingte Auswanderungsverbot von Bayern (Patent vom 28. Februar 1784; Pötzl, bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 31); Königreich Sachſen (Mandat vom 21. Auguſt 1764 und folgende; Funke, Polizeigeſetze Abſchn. VIII. Cap. 4), iſt doch wohl kein Verbot ſo ſyſtematiſch entwickelt als dieſes, und hat daſſelbe vielleicht eben deß- halb ſeinen Einfluß bis auf unſere Zeit erſtreckt. Das neue Auswan- derungspatent vom 24. März 1832 für Oeſterreich ſteht übrigens, ob- gleich es in vielen einzelnen Beziehungen freier iſt, doch noch auf dem- ſelben Standpunkt; die „unbefugte Abweſenheit“ ohne Paß wird noch immer mit Strafen (5—50 fl.) belegt, und die Behörde hat das Recht, „Einberufungsedikte“ ergehen zu laſſen, die dreimal zu veröffentlichen ſind, und bei welchen die Staatsbürgerſchaft verloren geht, wenn der Betreffende nicht zurückkehrt. Es iſt kein Zweifel, daß dieſe Beſtim- mungen gerade wie das damalige Recht der Volkszählung noch ganz auf dem Standpunkt der Sicherung der Militärpflicht ſtehen. Eben ſo ſtrenge war in Preußen die Auswanderung im Anfange dieſes Jahr- hunderts verboten (Roſcher, Nationalökonomie a. a. O.), und dieſer
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10. Auguſt 1784 ſchrieb überhaupt vor, daß die Obrigkeit „geſchickten
Künſtlern und Handwerkern, welche bei den Provinzialfabriken beſonders
nothwendig ſind,“ nicht leicht Päſſe ins Ausland geben ſolle. Joſeph II.
faßte dann alle beſondern Vorſchriften in das citirte Auswanderungs-
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gebung über „fremde Werbungen, Entführungen und gewaltſame Weg-
nehmungen der Unterthanen“ enthält. Hier werden die Begriffe der
wirklichen und beabſichtigten Auswanderung förmlich codificirt und das
Princip ganz allgemein aufgeſtellt, daß die Auswanderung nur auf Bewil-
ligung geſchehen darf, wobei aber den Behörden noch ausdrücklich
aufgetragen wird, auch den „Vorwand und die Gelegenheit“ zur Aus-
wanderung abzuſchneiden, weßhalb gegen diejenigen, die den Argwohn
der Auswanderung erwecken, eigene Maßregeln vorgeſchrieben werden.
Die unbewilligte Auswanderung aber wird jetzt ein Verbrechen, das
mit Confiscation des erreichbaren Vermögens, eventuell mit drei Jahren
öffentlicher Arbeit zu beſtrafen iſt; ſelbſt die Mitſchuldigen werden hart
beſtraft. Liſtige Entführungen ſind Verleitungen von Hand-
werkern ꝛc, „um ſich in fremden Staaten anzuſetzen“, wobei die Anzeige
mit 100 und die Einbringung ſolcher „Verführer“ mit 200 fl. belohnt
wird; die Verleitung ſelbſt wird mit 1—6 Monaten Arreſt beſtraft.
Obwohl nun ähnliche Grundſätze auch anderswo gegolten haben, wie
in Dänemark (Juſti, §. 304); Rußland (Juſti und Roſcher); Kur-
braunſchweig 1784 (Berg, Polizeirecht Bd. III. 2. Abſchn. Hauptſt. 2);
Pfalz 1785; Heſſen-Darmſtadt 1787 (Berg a. a. O. S. 52);
namentlich das unbedingte Auswanderungsverbot von Bayern (Patent
vom 28. Februar 1784; Pötzl, bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 31);
Königreich Sachſen (Mandat vom 21. Auguſt 1764 und folgende;
Funke, Polizeigeſetze Abſchn. VIII. Cap. 4), iſt doch wohl kein Verbot
ſo ſyſtematiſch entwickelt als dieſes, und hat daſſelbe vielleicht eben deß-
halb ſeinen Einfluß bis auf unſere Zeit erſtreckt. Das neue Auswan-
derungspatent vom 24. März 1832 für Oeſterreich ſteht übrigens, ob-
gleich es in vielen einzelnen Beziehungen freier iſt, doch noch auf dem-
ſelben Standpunkt; die „unbefugte Abweſenheit“ ohne Paß wird noch
immer mit Strafen (5—50 fl.) belegt, und die Behörde hat das Recht,
„Einberufungsedikte“ ergehen zu laſſen, die dreimal zu veröffentlichen
ſind, und bei welchen die Staatsbürgerſchaft verloren geht, wenn der
Betreffende nicht zurückkehrt. Es iſt kein Zweifel, daß dieſe Beſtim-
mungen gerade wie das damalige Recht der Volkszählung noch ganz auf
dem Standpunkt der Sicherung der Militärpflicht ſtehen. Eben ſo
ſtrenge war in Preußen die Auswanderung im Anfange dieſes Jahr-
hunderts verboten (Roſcher, Nationalökonomie a. a. O.), und dieſer
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/220>, abgerufen am 27.11.2024.
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