als Gegenstand der Bevölkerungspolitik gehört nur mit diesen Be- stimmungen der letztern an; und die Gesammtheit der hierauf bezüglichen Bestimmungen nennen wir das öffentliche Eherecht.
Steht diese Beschränkung fest, so ergeben sich zunächst zwei we- sentlich verschiedene Gebiete dieses öffentlichen Eherechts (oder des gel- tenden Eherechts im Verhältniß zur Bevölkerungspolitik) und nicht eines, wie man bisher angenommen hat. Es frägt sich nämlich offenbar zu- erst, ob die in der Ehe enthaltene Gründung einer Familie als Grund- lage aller Bewegung der Bevölkerung der ganz freien Selbstbestimmung der Gatten überlassen oder einer Zustimmung der Gemeinschaft unter- worfen werden soll; -- es frägt sich aber zweitens, ob die Gemein- schaft direkte Maßregeln zur Beförderung der Ehen ergreifen soll, um durch die Ehen die Bevölkerung zu vermehren. Es ist durch- aus falsch, nur das letztere als Gegenstand dieses Theiles der Be- völkerungspolitik aufzustellen. Im Gegentheil ist der erste Theil nicht bloß derjenige, der am ersten entsteht und seiner Natur nach ewig dauern wird, sondern derselbe ist auch praktisch unendlich viel wich- tiger als der zweite. Das wirklich geltende öffentliche Eherecht enthält daher auch zu allen Zeiten die Gesammtheit von Bestimmungen, welche in einem gegebenen Zeitpunkte für beide Gebiete des öffent- lichen Eherechts gelten. Diese beiden Gebiete nennen wir nun das öffentliche Recht der Eheconsense und das öffentliche Recht der Ehebeförderung. Und beide müssen daher als ein Ganzes betrachtet werden.
Ohne Zweifel ist nun dieß Ganze zugleich ein inneres, das heißt, es ist seinem Wesen nach ein System. Es ist daher das dieses System in den verschiedenen Zeiten beherrschende Princip festzustellen, da sowohl das Verständniß des letztern als des erstern bisher mangelt.
Die öffentlich rechtlichen Bestimmungen über beide Gebiete des öffent- lichen Eherechts nämlich gehen naturgemäß von der Gemeinschaft selbst aus. Sie werden daher auch natürlich von der Gestalt, der Ordnung, dem Lebensprincip eben dieser Gemeinschaft bestimmt und beherrscht sein. Sie werden daher einen immanenten Theil des Rechts derselben bilden. Dieß Recht der Gemeinschaft aber ist seinerseits wieder nothwendig der Aus- druck der Gesellschaftsordnung, welche sich ihre Gemeinschaft oder ihren Staat bildet. Und wie wir daher im Allgemeinen sagen, daß jede Gesellschaftsordnung eine nur durch ihr eigenes Wesen verständliche Verwaltung sich erzeugt, so hat auch jede Gesellschaftsordnung das ihr eignende, auf ihr beruhende Eherecht überhaupt und speciell das ihr entsprechende öffentliche Eherecht gebildet. Jedes positive öffent- liche Eherecht, oder speciell jedes Eheconsens- und jedes Ehebeförderungs-
als Gegenſtand der Bevölkerungspolitik gehört nur mit dieſen Be- ſtimmungen der letztern an; und die Geſammtheit der hierauf bezüglichen Beſtimmungen nennen wir das öffentliche Eherecht.
Steht dieſe Beſchränkung feſt, ſo ergeben ſich zunächſt zwei we- ſentlich verſchiedene Gebiete dieſes öffentlichen Eherechts (oder des gel- tenden Eherechts im Verhältniß zur Bevölkerungspolitik) und nicht eines, wie man bisher angenommen hat. Es frägt ſich nämlich offenbar zu- erſt, ob die in der Ehe enthaltene Gründung einer Familie als Grund- lage aller Bewegung der Bevölkerung der ganz freien Selbſtbeſtimmung der Gatten überlaſſen oder einer Zuſtimmung der Gemeinſchaft unter- worfen werden ſoll; — es frägt ſich aber zweitens, ob die Gemein- ſchaft direkte Maßregeln zur Beförderung der Ehen ergreifen ſoll, um durch die Ehen die Bevölkerung zu vermehren. Es iſt durch- aus falſch, nur das letztere als Gegenſtand dieſes Theiles der Be- völkerungspolitik aufzuſtellen. Im Gegentheil iſt der erſte Theil nicht bloß derjenige, der am erſten entſteht und ſeiner Natur nach ewig dauern wird, ſondern derſelbe iſt auch praktiſch unendlich viel wich- tiger als der zweite. Das wirklich geltende öffentliche Eherecht enthält daher auch zu allen Zeiten die Geſammtheit von Beſtimmungen, welche in einem gegebenen Zeitpunkte für beide Gebiete des öffent- lichen Eherechts gelten. Dieſe beiden Gebiete nennen wir nun das öffentliche Recht der Eheconſenſe und das öffentliche Recht der Ehebeförderung. Und beide müſſen daher als ein Ganzes betrachtet werden.
Ohne Zweifel iſt nun dieß Ganze zugleich ein inneres, das heißt, es iſt ſeinem Weſen nach ein Syſtem. Es iſt daher das dieſes Syſtem in den verſchiedenen Zeiten beherrſchende Princip feſtzuſtellen, da ſowohl das Verſtändniß des letztern als des erſtern bisher mangelt.
Die öffentlich rechtlichen Beſtimmungen über beide Gebiete des öffent- lichen Eherechts nämlich gehen naturgemäß von der Gemeinſchaft ſelbſt aus. Sie werden daher auch natürlich von der Geſtalt, der Ordnung, dem Lebensprincip eben dieſer Gemeinſchaft beſtimmt und beherrſcht ſein. Sie werden daher einen immanenten Theil des Rechts derſelben bilden. Dieß Recht der Gemeinſchaft aber iſt ſeinerſeits wieder nothwendig der Aus- druck der Geſellſchaftsordnung, welche ſich ihre Gemeinſchaft oder ihren Staat bildet. Und wie wir daher im Allgemeinen ſagen, daß jede Geſellſchaftsordnung eine nur durch ihr eigenes Weſen verſtändliche Verwaltung ſich erzeugt, ſo hat auch jede Geſellſchaftsordnung das ihr eignende, auf ihr beruhende Eherecht überhaupt und ſpeciell das ihr entſprechende öffentliche Eherecht gebildet. Jedes poſitive öffent- liche Eherecht, oder ſpeciell jedes Eheconſens- und jedes Ehebeförderungs-
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als Gegenſtand der Bevölkerungspolitik gehört nur mit dieſen Be-
ſtimmungen der letztern an; und die Geſammtheit der hierauf bezüglichen
Beſtimmungen nennen wir das öffentliche Eherecht.
Steht dieſe Beſchränkung feſt, ſo ergeben ſich zunächſt zwei we-
ſentlich verſchiedene Gebiete dieſes öffentlichen Eherechts (oder des gel-
tenden Eherechts im Verhältniß zur Bevölkerungspolitik) und nicht eines,
wie man bisher angenommen hat. Es frägt ſich nämlich offenbar zu-
erſt, ob die in der Ehe enthaltene Gründung einer Familie als Grund-
lage aller Bewegung der Bevölkerung der ganz freien Selbſtbeſtimmung
der Gatten überlaſſen oder einer Zuſtimmung der Gemeinſchaft unter-
worfen werden ſoll; — es frägt ſich aber zweitens, ob die Gemein-
ſchaft direkte Maßregeln zur Beförderung der Ehen ergreifen ſoll,
um durch die Ehen die Bevölkerung zu vermehren. Es iſt durch-
aus falſch, nur das letztere als Gegenſtand dieſes Theiles der Be-
völkerungspolitik aufzuſtellen. Im Gegentheil iſt der erſte Theil nicht
bloß derjenige, der am erſten entſteht und ſeiner Natur nach ewig
dauern wird, ſondern derſelbe iſt auch praktiſch unendlich viel wich-
tiger als der zweite. Das wirklich geltende öffentliche Eherecht enthält
daher auch zu allen Zeiten die Geſammtheit von Beſtimmungen,
welche in einem gegebenen Zeitpunkte für beide Gebiete des öffent-
lichen Eherechts gelten. Dieſe beiden Gebiete nennen wir nun das
öffentliche Recht der Eheconſenſe und das öffentliche Recht der
Ehebeförderung. Und beide müſſen daher als ein Ganzes betrachtet
werden.
Ohne Zweifel iſt nun dieß Ganze zugleich ein inneres, das heißt,
es iſt ſeinem Weſen nach ein Syſtem. Es iſt daher das dieſes Syſtem
in den verſchiedenen Zeiten beherrſchende Princip feſtzuſtellen, da ſowohl
das Verſtändniß des letztern als des erſtern bisher mangelt.
Die öffentlich rechtlichen Beſtimmungen über beide Gebiete des öffent-
lichen Eherechts nämlich gehen naturgemäß von der Gemeinſchaft ſelbſt
aus. Sie werden daher auch natürlich von der Geſtalt, der Ordnung,
dem Lebensprincip eben dieſer Gemeinſchaft beſtimmt und beherrſcht ſein.
Sie werden daher einen immanenten Theil des Rechts derſelben bilden. Dieß
Recht der Gemeinſchaft aber iſt ſeinerſeits wieder nothwendig der Aus-
druck der Geſellſchaftsordnung, welche ſich ihre Gemeinſchaft oder
ihren Staat bildet. Und wie wir daher im Allgemeinen ſagen, daß
jede Geſellſchaftsordnung eine nur durch ihr eigenes Weſen verſtändliche
Verwaltung ſich erzeugt, ſo hat auch jede Geſellſchaftsordnung das ihr
eignende, auf ihr beruhende Eherecht überhaupt und ſpeciell das
ihr entſprechende öffentliche Eherecht gebildet. Jedes poſitive öffent-
liche Eherecht, oder ſpeciell jedes Eheconſens- und jedes Ehebeförderungs-
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/148>, abgerufen am 16.07.2024.
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