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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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ein selbständiger Theil der Staatswissenschaft geblieben, und es kam nur darauf
an, welche Stellung die ganze Lehre in dieser "Polizeiwissenschaft" finden werde.
Die ältern, wie Sonnenfels, Fischer, Berg, halten sich noch strenge auf
dem vormalthusischen Standpunkt, und behandeln daher vorzugsweise die ein-
zelnen
administrativen Maßregeln für die Vermehrung der Bevölkerung. Son-
nenfels
bleibt auch in den spätern Auflagen (I. §. 27 ff.) bei dem einfachen
Satze, "daß die Regierung die Bevölkerung auf das Höchste zu treiben bemüht
sein soll," was den Verhältnissen Oesterreichs vollkommen entsprach, geht aber
auf keine einzelnen Maßregeln ein, mit Ausnahme der Zählungen. Fischer
kommt in seiner Cameralwissenschaft (Bd. I.) gar nicht zur Bevölkerungspolitik,
und beschränkt sich strenge auf das Ordnungsrecht der Bevölkerung. Berg,
Handbuch II. Theil, "Recht der Bevölkerungspolizei," sieht zwar sehr wohl,
daß "ein wohlbevölkerter Staat nicht immer vor andern reich, glücklich und
mächtig ist," denn "die Volksmenge thut's freilich nicht;" aber "die Bemühungen
der Bevölkerungspolizei können doch dem Staate nie schädlich werden" und
"Uebervölkerung wird nie zu befürchten sein;" denn "ist die Bevölkerung nur
nützlich beschäftigt, so kann man nie sagen, daß der Staat zu viel bevölkert
sei." Man sieht hier deutlich den, durch die Polizeiherrschaft vermittelten Ueber-
gang von der ständischen zur staatsbürgerlichen Gesellschaft. Berg namentlich
ist der Ausdruck der Ansichten, die sich damals bei Betrachtung der dünnen
Bevölkerung des flachen Landes in Folge der Grundherrlichkeitsverhältnisse und
der darauf beruhenden Vernachlässigung des Ackerbaues ziemlich festgestellt hatten.
Diese Ansichten hatte schon Hohenthal (de Politia §. 19) ausgesprochen, und
namentlich Arthur Young in seiner "Politischen Arithmetik" S. 74 mit spe-
cieller Beziehung auf den Landbau in Frankreich nachgewiesen. Berg bleibt
aber bei diesen allgemeinen Sätzen stehen und geht dann gleich zum Begriff
der Bevölkerungspolitik (bei ihm wie noch jetzt Bevölkerungspolizei) über, deren
Aufgabe er jedoch schon nicht mehr in der eigentlichen Beförderung der Zahl
der Bevölkerung, sondern vielmehr nur in der "Hinwegräumung der Hindernisse
der Vermehrung und der Ursachen, welche die Verminderung der Volksmenge
bewirken," erkennt (1799, S. 19. 20). Er kennt den Malthus noch nicht. Es
ist nun ganz erklärlich, daß der letztere nach der zum Theil furchtbaren Ent-
völkerung, die durch die Napoleonischen Kriege erzeugt ward, in Deutschland
anfangs so gut als gar keine Beachtung fand. Soden ist in seiner "Bevölke-
rungspolizei" (Nationalökonomie VII. §. 26) vollständig unbedeutend; Jacobs,
dessen Bücher alle gedruckte Collegienhefte sind, hat gleichfalls in seiner "Poli-
zeigesetzgebung
" (1809) von dem Bevölkerungswesen nur das Zählungs-
wesen aufgenommen und die Bevölkerungspolitik lieber ganz weggelassen. Pölitz
dagegen (Staatswissenschaft, 1827, Bd. II. Volkswirthschaftslehre §. 29) erkennt
schon die Möglichkeit, daß "der verarmte Theil der Bevölkerung eine Last der
Gesellschaft
wird," er will alle "künstlichen Mittel zur Vermehrung der
Bevölkerung" beseitigen, fürchtet aber "keine Uebervölkerung;" er betrachtet
dann in der "Staatswirthschaftslehre" §. 7 ff. die einzelnen Maßregeln der Re-
gierung, und wiederholt das Ganze in der "Polizeiwissenschaft" §. 33. Man
sieht, daß er die weitere Bedeutung der Frage noch nicht geahnt hat. In der

ein ſelbſtändiger Theil der Staatswiſſenſchaft geblieben, und es kam nur darauf
an, welche Stellung die ganze Lehre in dieſer „Polizeiwiſſenſchaft“ finden werde.
Die ältern, wie Sonnenfels, Fiſcher, Berg, halten ſich noch ſtrenge auf
dem vormalthuſiſchen Standpunkt, und behandeln daher vorzugsweiſe die ein-
zelnen
adminiſtrativen Maßregeln für die Vermehrung der Bevölkerung. Son-
nenfels
bleibt auch in den ſpätern Auflagen (I. §. 27 ff.) bei dem einfachen
Satze, „daß die Regierung die Bevölkerung auf das Höchſte zu treiben bemüht
ſein ſoll,“ was den Verhältniſſen Oeſterreichs vollkommen entſprach, geht aber
auf keine einzelnen Maßregeln ein, mit Ausnahme der Zählungen. Fiſcher
kommt in ſeiner Cameralwiſſenſchaft (Bd. I.) gar nicht zur Bevölkerungspolitik,
und beſchränkt ſich ſtrenge auf das Ordnungsrecht der Bevölkerung. Berg,
Handbuch II. Theil, „Recht der Bevölkerungspolizei,“ ſieht zwar ſehr wohl,
daß „ein wohlbevölkerter Staat nicht immer vor andern reich, glücklich und
mächtig iſt,“ denn „die Volksmenge thut’s freilich nicht;“ aber „die Bemühungen
der Bevölkerungspolizei können doch dem Staate nie ſchädlich werden“ und
„Uebervölkerung wird nie zu befürchten ſein;“ denn „iſt die Bevölkerung nur
nützlich beſchäftigt, ſo kann man nie ſagen, daß der Staat zu viel bevölkert
ſei.“ Man ſieht hier deutlich den, durch die Polizeiherrſchaft vermittelten Ueber-
gang von der ſtändiſchen zur ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Berg namentlich
iſt der Ausdruck der Anſichten, die ſich damals bei Betrachtung der dünnen
Bevölkerung des flachen Landes in Folge der Grundherrlichkeitsverhältniſſe und
der darauf beruhenden Vernachläſſigung des Ackerbaues ziemlich feſtgeſtellt hatten.
Dieſe Anſichten hatte ſchon Hohenthal (de Politia §. 19) ausgeſprochen, und
namentlich Arthur Young in ſeiner „Politiſchen Arithmetik“ S. 74 mit ſpe-
cieller Beziehung auf den Landbau in Frankreich nachgewieſen. Berg bleibt
aber bei dieſen allgemeinen Sätzen ſtehen und geht dann gleich zum Begriff
der Bevölkerungspolitik (bei ihm wie noch jetzt Bevölkerungspolizei) über, deren
Aufgabe er jedoch ſchon nicht mehr in der eigentlichen Beförderung der Zahl
der Bevölkerung, ſondern vielmehr nur in der „Hinwegräumung der Hinderniſſe
der Vermehrung und der Urſachen, welche die Verminderung der Volksmenge
bewirken,“ erkennt (1799, S. 19. 20). Er kennt den Malthus noch nicht. Es
iſt nun ganz erklärlich, daß der letztere nach der zum Theil furchtbaren Ent-
völkerung, die durch die Napoleoniſchen Kriege erzeugt ward, in Deutſchland
anfangs ſo gut als gar keine Beachtung fand. Soden iſt in ſeiner „Bevölke-
rungspolizei“ (Nationalökonomie VII. §. 26) vollſtändig unbedeutend; Jacobs,
deſſen Bücher alle gedruckte Collegienhefte ſind, hat gleichfalls in ſeiner „Poli-
zeigeſetzgebung
“ (1809) von dem Bevölkerungsweſen nur das Zählungs-
weſen aufgenommen und die Bevölkerungspolitik lieber ganz weggelaſſen. Pölitz
dagegen (Staatswiſſenſchaft, 1827, Bd. II. Volkswirthſchaftslehre §. 29) erkennt
ſchon die Möglichkeit, daß „der verarmte Theil der Bevölkerung eine Laſt der
Geſellſchaft
wird,“ er will alle „künſtlichen Mittel zur Vermehrung der
Bevölkerung“ beſeitigen, fürchtet aber „keine Uebervölkerung;“ er betrachtet
dann in der „Staatswirthſchaftslehre“ §. 7 ff. die einzelnen Maßregeln der Re-
gierung, und wiederholt das Ganze in der „Polizeiwiſſenſchaft“ §. 33. Man
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[120/0142] ein ſelbſtändiger Theil der Staatswiſſenſchaft geblieben, und es kam nur darauf an, welche Stellung die ganze Lehre in dieſer „Polizeiwiſſenſchaft“ finden werde. Die ältern, wie Sonnenfels, Fiſcher, Berg, halten ſich noch ſtrenge auf dem vormalthuſiſchen Standpunkt, und behandeln daher vorzugsweiſe die ein- zelnen adminiſtrativen Maßregeln für die Vermehrung der Bevölkerung. Son- nenfels bleibt auch in den ſpätern Auflagen (I. §. 27 ff.) bei dem einfachen Satze, „daß die Regierung die Bevölkerung auf das Höchſte zu treiben bemüht ſein ſoll,“ was den Verhältniſſen Oeſterreichs vollkommen entſprach, geht aber auf keine einzelnen Maßregeln ein, mit Ausnahme der Zählungen. Fiſcher kommt in ſeiner Cameralwiſſenſchaft (Bd. I.) gar nicht zur Bevölkerungspolitik, und beſchränkt ſich ſtrenge auf das Ordnungsrecht der Bevölkerung. Berg, Handbuch II. Theil, „Recht der Bevölkerungspolizei,“ ſieht zwar ſehr wohl, daß „ein wohlbevölkerter Staat nicht immer vor andern reich, glücklich und mächtig iſt,“ denn „die Volksmenge thut’s freilich nicht;“ aber „die Bemühungen der Bevölkerungspolizei können doch dem Staate nie ſchädlich werden“ und „Uebervölkerung wird nie zu befürchten ſein;“ denn „iſt die Bevölkerung nur nützlich beſchäftigt, ſo kann man nie ſagen, daß der Staat zu viel bevölkert ſei.“ Man ſieht hier deutlich den, durch die Polizeiherrſchaft vermittelten Ueber- gang von der ſtändiſchen zur ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft. Berg namentlich iſt der Ausdruck der Anſichten, die ſich damals bei Betrachtung der dünnen Bevölkerung des flachen Landes in Folge der Grundherrlichkeitsverhältniſſe und der darauf beruhenden Vernachläſſigung des Ackerbaues ziemlich feſtgeſtellt hatten. Dieſe Anſichten hatte ſchon Hohenthal (de Politia §. 19) ausgeſprochen, und namentlich Arthur Young in ſeiner „Politiſchen Arithmetik“ S. 74 mit ſpe- cieller Beziehung auf den Landbau in Frankreich nachgewieſen. Berg bleibt aber bei dieſen allgemeinen Sätzen ſtehen und geht dann gleich zum Begriff der Bevölkerungspolitik (bei ihm wie noch jetzt Bevölkerungspolizei) über, deren Aufgabe er jedoch ſchon nicht mehr in der eigentlichen Beförderung der Zahl der Bevölkerung, ſondern vielmehr nur in der „Hinwegräumung der Hinderniſſe der Vermehrung und der Urſachen, welche die Verminderung der Volksmenge bewirken,“ erkennt (1799, S. 19. 20). Er kennt den Malthus noch nicht. Es iſt nun ganz erklärlich, daß der letztere nach der zum Theil furchtbaren Ent- völkerung, die durch die Napoleoniſchen Kriege erzeugt ward, in Deutſchland anfangs ſo gut als gar keine Beachtung fand. Soden iſt in ſeiner „Bevölke- rungspolizei“ (Nationalökonomie VII. §. 26) vollſtändig unbedeutend; Jacobs, deſſen Bücher alle gedruckte Collegienhefte ſind, hat gleichfalls in ſeiner „Poli- zeigeſetzgebung“ (1809) von dem Bevölkerungsweſen nur das Zählungs- weſen aufgenommen und die Bevölkerungspolitik lieber ganz weggelaſſen. Pölitz dagegen (Staatswiſſenſchaft, 1827, Bd. II. Volkswirthſchaftslehre §. 29) erkennt ſchon die Möglichkeit, daß „der verarmte Theil der Bevölkerung eine Laſt der Geſellſchaft wird,“ er will alle „künſtlichen Mittel zur Vermehrung der Bevölkerung“ beſeitigen, fürchtet aber „keine Uebervölkerung;“ er betrachtet dann in der „Staatswirthſchaftslehre“ §. 7 ff. die einzelnen Maßregeln der Re- gierung, und wiederholt das Ganze in der „Polizeiwiſſenſchaft“ §. 33. Man ſieht, daß er die weitere Bedeutung der Frage noch nicht geahnt hat. In der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/142>, abgerufen am 03.05.2024.