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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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gewisse Bedingungen in seinem Vertrage, den Statuten, erfüllen muß,
ehe er ins Leben treten darf. Diese Verhältnisse und Rechte beider Arten
variiren jedoch bedeutend in den einzelnen Staaten.

Das Anzeigerecht enthält nur die Verpflichtung zur Anzeige des
gebildeten Vereins, und zwar von Gründung, Vorstand und Satzungen;
meistens binnen drei Tagen. Etwas unverständlich ist dabei die Frage,
ob ein Verein Satzungen oder Statuten haben solle, oder nicht. Es
scheint ein unlösbarer Widerspruch, einen Verein ohne alle Statuten
zu denken, wie Pötzl (bayerische Verfassung §. 29. n. 12) anzunehmen
scheint. Mit Recht sagt Rönne (preußisches Staatsrecht I. §. 100.
n. 7. Seite 396), daß jeder Verein nach dem preußischen Recht ver-
pflichtet
sei, Statuten zu haben. Wenn der letztere hinzusetzt: für
Vereine "welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten be-
zwecken," so ist das selbstverständlich, denn sonst ist es eben nur eine
Gesellschaft oder eine Vereinigung.

Die Pflicht des Vereins, auch die Vornahme einzelner Akte, nament-
lich die Sitzungen des Verwaltungsrathes und der Generalversammlung
anzuzeigen, gehört in den zweiten Theil.

Die Folge der bloßen Anzeige ist nun keine andere als die, der
Staatsverwaltung die Möglichkeit zu geben, das Ihrige zu thun. So
wie sie geschehen, tritt die regelmäßige Thätigkeit des Vereins ein, und
es bleibt der ersteren überlassen, gegen die letztere einzuschreiten, wenn
sie mit dem Gesetze oder dem Verwaltungsrecht in Widerspruch tritt.
Nur muß dabei ein Grundsatz festgehalten werden. Jeder Verein muß
im Stande sein, zu jeder Zeit in einer oder anderer Weise alle seine
Mitglieder
nachweisen zu können, da die Verfolgung des Rechts
gegen den Verein dieß zur Voraussetzung hat. Hat der Verein selbst
kein Mittel dazu, so muß er sich gefallen lassen, daß ihm die Staats-
verwaltung dasselbe vorschreibt; und dabei kann die letztere, aber nach
dem in ihrem polizeilichen Recht liegenden Ermessen, sich mit der per-
sönlich dokumentirten Erklärung der ihr bekannten Mitglieder, für die
übrigen und ihre etwaigen Verpflichtungen haften zu wollen, begnügen
lassen; sie kann es aber auch nicht, und in diesem Falle hat sie das
Recht, die Thätigkeit des Vereins bis zu dem gelieferten Nachweis zu
suspendiren. Das ist offenbar auch der Sinn der Bemerkungen bei
Rönne I. §. 100.

An dieses an sich vollkommen freie Princip der Anzeige schließt
sich aber sogleich als Corollar das System der Genehmigung an. Und
zwar bedeutet diese eigentliche Genehmigung den Grundsatz, daß die
Gültigkeit der Statuten und damit die Existenz des Vereins selbst
bei gewissen Gruppen von Vereinen davon abhängig gemacht wird, daß

gewiſſe Bedingungen in ſeinem Vertrage, den Statuten, erfüllen muß,
ehe er ins Leben treten darf. Dieſe Verhältniſſe und Rechte beider Arten
variiren jedoch bedeutend in den einzelnen Staaten.

Das Anzeigerecht enthält nur die Verpflichtung zur Anzeige des
gebildeten Vereins, und zwar von Gründung, Vorſtand und Satzungen;
meiſtens binnen drei Tagen. Etwas unverſtändlich iſt dabei die Frage,
ob ein Verein Satzungen oder Statuten haben ſolle, oder nicht. Es
ſcheint ein unlösbarer Widerſpruch, einen Verein ohne alle Statuten
zu denken, wie Pötzl (bayeriſche Verfaſſung §. 29. n. 12) anzunehmen
ſcheint. Mit Recht ſagt Rönne (preußiſches Staatsrecht I. §. 100.
n. 7. Seite 396), daß jeder Verein nach dem preußiſchen Recht ver-
pflichtet
ſei, Statuten zu haben. Wenn der letztere hinzuſetzt: für
Vereine „welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten be-
zwecken,“ ſo iſt das ſelbſtverſtändlich, denn ſonſt iſt es eben nur eine
Geſellſchaft oder eine Vereinigung.

Die Pflicht des Vereins, auch die Vornahme einzelner Akte, nament-
lich die Sitzungen des Verwaltungsrathes und der Generalverſammlung
anzuzeigen, gehört in den zweiten Theil.

Die Folge der bloßen Anzeige iſt nun keine andere als die, der
Staatsverwaltung die Möglichkeit zu geben, das Ihrige zu thun. So
wie ſie geſchehen, tritt die regelmäßige Thätigkeit des Vereins ein, und
es bleibt der erſteren überlaſſen, gegen die letztere einzuſchreiten, wenn
ſie mit dem Geſetze oder dem Verwaltungsrecht in Widerſpruch tritt.
Nur muß dabei ein Grundſatz feſtgehalten werden. Jeder Verein muß
im Stande ſein, zu jeder Zeit in einer oder anderer Weiſe alle ſeine
Mitglieder
nachweiſen zu können, da die Verfolgung des Rechts
gegen den Verein dieß zur Vorausſetzung hat. Hat der Verein ſelbſt
kein Mittel dazu, ſo muß er ſich gefallen laſſen, daß ihm die Staats-
verwaltung daſſelbe vorſchreibt; und dabei kann die letztere, aber nach
dem in ihrem polizeilichen Recht liegenden Ermeſſen, ſich mit der per-
ſönlich dokumentirten Erklärung der ihr bekannten Mitglieder, für die
übrigen und ihre etwaigen Verpflichtungen haften zu wollen, begnügen
laſſen; ſie kann es aber auch nicht, und in dieſem Falle hat ſie das
Recht, die Thätigkeit des Vereins bis zu dem gelieferten Nachweis zu
ſuſpendiren. Das iſt offenbar auch der Sinn der Bemerkungen bei
Rönne I. §. 100.

An dieſes an ſich vollkommen freie Princip der Anzeige ſchließt
ſich aber ſogleich als Corollar das Syſtem der Genehmigung an. Und
zwar bedeutet dieſe eigentliche Genehmigung den Grundſatz, daß die
Gültigkeit der Statuten und damit die Exiſtenz des Vereins ſelbſt
bei gewiſſen Gruppen von Vereinen davon abhängig gemacht wird, daß

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[627/0651] gewiſſe Bedingungen in ſeinem Vertrage, den Statuten, erfüllen muß, ehe er ins Leben treten darf. Dieſe Verhältniſſe und Rechte beider Arten variiren jedoch bedeutend in den einzelnen Staaten. Das Anzeigerecht enthält nur die Verpflichtung zur Anzeige des gebildeten Vereins, und zwar von Gründung, Vorſtand und Satzungen; meiſtens binnen drei Tagen. Etwas unverſtändlich iſt dabei die Frage, ob ein Verein Satzungen oder Statuten haben ſolle, oder nicht. Es ſcheint ein unlösbarer Widerſpruch, einen Verein ohne alle Statuten zu denken, wie Pötzl (bayeriſche Verfaſſung §. 29. n. 12) anzunehmen ſcheint. Mit Recht ſagt Rönne (preußiſches Staatsrecht I. §. 100. n. 7. Seite 396), daß jeder Verein nach dem preußiſchen Recht ver- pflichtet ſei, Statuten zu haben. Wenn der letztere hinzuſetzt: für Vereine „welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten be- zwecken,“ ſo iſt das ſelbſtverſtändlich, denn ſonſt iſt es eben nur eine Geſellſchaft oder eine Vereinigung. Die Pflicht des Vereins, auch die Vornahme einzelner Akte, nament- lich die Sitzungen des Verwaltungsrathes und der Generalverſammlung anzuzeigen, gehört in den zweiten Theil. Die Folge der bloßen Anzeige iſt nun keine andere als die, der Staatsverwaltung die Möglichkeit zu geben, das Ihrige zu thun. So wie ſie geſchehen, tritt die regelmäßige Thätigkeit des Vereins ein, und es bleibt der erſteren überlaſſen, gegen die letztere einzuſchreiten, wenn ſie mit dem Geſetze oder dem Verwaltungsrecht in Widerſpruch tritt. Nur muß dabei ein Grundſatz feſtgehalten werden. Jeder Verein muß im Stande ſein, zu jeder Zeit in einer oder anderer Weiſe alle ſeine Mitglieder nachweiſen zu können, da die Verfolgung des Rechts gegen den Verein dieß zur Vorausſetzung hat. Hat der Verein ſelbſt kein Mittel dazu, ſo muß er ſich gefallen laſſen, daß ihm die Staats- verwaltung daſſelbe vorſchreibt; und dabei kann die letztere, aber nach dem in ihrem polizeilichen Recht liegenden Ermeſſen, ſich mit der per- ſönlich dokumentirten Erklärung der ihr bekannten Mitglieder, für die übrigen und ihre etwaigen Verpflichtungen haften zu wollen, begnügen laſſen; ſie kann es aber auch nicht, und in dieſem Falle hat ſie das Recht, die Thätigkeit des Vereins bis zu dem gelieferten Nachweis zu ſuſpendiren. Das iſt offenbar auch der Sinn der Bemerkungen bei Rönne I. §. 100. An dieſes an ſich vollkommen freie Princip der Anzeige ſchließt ſich aber ſogleich als Corollar das Syſtem der Genehmigung an. Und zwar bedeutet dieſe eigentliche Genehmigung den Grundſatz, daß die Gültigkeit der Statuten und damit die Exiſtenz des Vereins ſelbſt bei gewiſſen Gruppen von Vereinen davon abhängig gemacht wird, daß

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/651>, abgerufen am 26.04.2024.