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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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den Fehler begeht, die Gesellschaften als Vereine zu bezeichnen, wird
das Recht der Gesellschaftsbildung unfrei; und eben deßhalb ist der
obige Unterschied von so großer Wichtigkeit. Nur dann, wenn eine Ge-
sellschaft auf Aktien gegründet wird, entsteht auch für sie der Begriff
und das Recht der Genehmigung. Aber es ist der Unterschied zwischen
einer Aktiengesellschaft und einem Verein auch hier durchgreifend. Bei
einer Aktiengesellschaft muß man nämlich davon ausgehen, daß der
Zweck der Gesellschaft überhaupt keiner Genehmigung unterliegt, sondern
nur das Mittel, sie zu Stande zu bringen, oder die Ausgabe von
Aktien. Diese Unterscheidung ist praktisch von großer Wichtigkeit;
denn die Negierung kann eine solche Gesellschaft in dem Falle nicht
mehr hindern
, wo sie etwa ihre Aktien aufgeben, und an deren
Stelle Antheilsurkunden ausgeben, oder sich als französische Commandite
constituiren wollte; denn über den Zweck hat sie kein Genehmigungs-
recht. Dieß ist auch das französische Recht, das durch das Handels-
gesetzbuch im Grunde, wenn auch nicht in der Form anerkannt ist.
Die Anerkennung der Qualität der juristischen Persönlichkeit liegt über-
haupt nicht im Begriff der Genehmigung, sondern des Gesetzes. Es
ist daher ein Widerspruch zwischen der Freiheit der Vereinigung und
dem Rechte der Vereinsbildung nicht vorhanden, so wie man beide
auf ihr richtiges Maß zurückführt. Das Recht der Genehmigung aber
ist demnach dasjenige Rechtsverhältniß, nach welchem vermöge der-
selben die Absicht, den bestimmten Verein zu bilden, als nach dem be-
stehenden öffentlichen Recht zulässig erklärt, und damit Bildung und
Thätigkeit des Vereins von da an nur von dem Willen seiner Mit-
glieder abhängig gemacht wird.

Da nun aber diese Thätigkeit des Vereins abhängig ist eben von
dem objektiv formulirten Vereinsvertrag oder den Statuten, so ist es
klar, daß jene Genehmigung die Statuten zu ihrem Inhalt hat, und
daher nothwendig eben als Erklärung über die Statuten,
also das Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Vereins erscheinen
muß. Diese Nothwendigkeit nun ist es, welche die Formen der Ge-
nehmigung erzeugt; denn in der That enthalten ja die Statuten für
den Staat die Bedingungen, unter welchen die Thätigkeit des Vereins
als Theil der Verwaltung angesehen werden kann. Jene Formen aber
sind zweifach.

Der Staat kann nämlich gesetzlich diejenigen Punkte bezeichnen,
welche er als absolut nothwendige Bedingungen für das richtige Ver-
hältniß der Vereine zur Verwaltung, und mithin als allgemeine Be-
dingung für die Genehmigung der Vereine anerkennt. Er kann aber
zweitens das nicht thun, sondern sich bei jedem einzelnen Verein vor-

den Fehler begeht, die Geſellſchaften als Vereine zu bezeichnen, wird
das Recht der Geſellſchaftsbildung unfrei; und eben deßhalb iſt der
obige Unterſchied von ſo großer Wichtigkeit. Nur dann, wenn eine Ge-
ſellſchaft auf Aktien gegründet wird, entſteht auch für ſie der Begriff
und das Recht der Genehmigung. Aber es iſt der Unterſchied zwiſchen
einer Aktiengeſellſchaft und einem Verein auch hier durchgreifend. Bei
einer Aktiengeſellſchaft muß man nämlich davon ausgehen, daß der
Zweck der Geſellſchaft überhaupt keiner Genehmigung unterliegt, ſondern
nur das Mittel, ſie zu Stande zu bringen, oder die Ausgabe von
Aktien. Dieſe Unterſcheidung iſt praktiſch von großer Wichtigkeit;
denn die Negierung kann eine ſolche Geſellſchaft in dem Falle nicht
mehr hindern
, wo ſie etwa ihre Aktien aufgeben, und an deren
Stelle Antheilsurkunden ausgeben, oder ſich als franzöſiſche Commandite
conſtituiren wollte; denn über den Zweck hat ſie kein Genehmigungs-
recht. Dieß iſt auch das franzöſiſche Recht, das durch das Handels-
geſetzbuch im Grunde, wenn auch nicht in der Form anerkannt iſt.
Die Anerkennung der Qualität der juriſtiſchen Perſönlichkeit liegt über-
haupt nicht im Begriff der Genehmigung, ſondern des Geſetzes. Es
iſt daher ein Widerſpruch zwiſchen der Freiheit der Vereinigung und
dem Rechte der Vereinsbildung nicht vorhanden, ſo wie man beide
auf ihr richtiges Maß zurückführt. Das Recht der Genehmigung aber
iſt demnach dasjenige Rechtsverhältniß, nach welchem vermöge der-
ſelben die Abſicht, den beſtimmten Verein zu bilden, als nach dem be-
ſtehenden öffentlichen Recht zuläſſig erklärt, und damit Bildung und
Thätigkeit des Vereins von da an nur von dem Willen ſeiner Mit-
glieder abhängig gemacht wird.

Da nun aber dieſe Thätigkeit des Vereins abhängig iſt eben von
dem objektiv formulirten Vereinsvertrag oder den Statuten, ſo iſt es
klar, daß jene Genehmigung die Statuten zu ihrem Inhalt hat, und
daher nothwendig eben als Erklärung über die Statuten,
alſo das Verfaſſungs- und Verwaltungsrecht des Vereins erſcheinen
muß. Dieſe Nothwendigkeit nun iſt es, welche die Formen der Ge-
nehmigung erzeugt; denn in der That enthalten ja die Statuten für
den Staat die Bedingungen, unter welchen die Thätigkeit des Vereins
als Theil der Verwaltung angeſehen werden kann. Jene Formen aber
ſind zweifach.

Der Staat kann nämlich geſetzlich diejenigen Punkte bezeichnen,
welche er als abſolut nothwendige Bedingungen für das richtige Ver-
hältniß der Vereine zur Verwaltung, und mithin als allgemeine Be-
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[622/0646] den Fehler begeht, die Geſellſchaften als Vereine zu bezeichnen, wird das Recht der Geſellſchaftsbildung unfrei; und eben deßhalb iſt der obige Unterſchied von ſo großer Wichtigkeit. Nur dann, wenn eine Ge- ſellſchaft auf Aktien gegründet wird, entſteht auch für ſie der Begriff und das Recht der Genehmigung. Aber es iſt der Unterſchied zwiſchen einer Aktiengeſellſchaft und einem Verein auch hier durchgreifend. Bei einer Aktiengeſellſchaft muß man nämlich davon ausgehen, daß der Zweck der Geſellſchaft überhaupt keiner Genehmigung unterliegt, ſondern nur das Mittel, ſie zu Stande zu bringen, oder die Ausgabe von Aktien. Dieſe Unterſcheidung iſt praktiſch von großer Wichtigkeit; denn die Negierung kann eine ſolche Geſellſchaft in dem Falle nicht mehr hindern, wo ſie etwa ihre Aktien aufgeben, und an deren Stelle Antheilsurkunden ausgeben, oder ſich als franzöſiſche Commandite conſtituiren wollte; denn über den Zweck hat ſie kein Genehmigungs- recht. Dieß iſt auch das franzöſiſche Recht, das durch das Handels- geſetzbuch im Grunde, wenn auch nicht in der Form anerkannt iſt. Die Anerkennung der Qualität der juriſtiſchen Perſönlichkeit liegt über- haupt nicht im Begriff der Genehmigung, ſondern des Geſetzes. Es iſt daher ein Widerſpruch zwiſchen der Freiheit der Vereinigung und dem Rechte der Vereinsbildung nicht vorhanden, ſo wie man beide auf ihr richtiges Maß zurückführt. Das Recht der Genehmigung aber iſt demnach dasjenige Rechtsverhältniß, nach welchem vermöge der- ſelben die Abſicht, den beſtimmten Verein zu bilden, als nach dem be- ſtehenden öffentlichen Recht zuläſſig erklärt, und damit Bildung und Thätigkeit des Vereins von da an nur von dem Willen ſeiner Mit- glieder abhängig gemacht wird. Da nun aber dieſe Thätigkeit des Vereins abhängig iſt eben von dem objektiv formulirten Vereinsvertrag oder den Statuten, ſo iſt es klar, daß jene Genehmigung die Statuten zu ihrem Inhalt hat, und daher nothwendig eben als Erklärung über die Statuten, alſo das Verfaſſungs- und Verwaltungsrecht des Vereins erſcheinen muß. Dieſe Nothwendigkeit nun iſt es, welche die Formen der Ge- nehmigung erzeugt; denn in der That enthalten ja die Statuten für den Staat die Bedingungen, unter welchen die Thätigkeit des Vereins als Theil der Verwaltung angeſehen werden kann. Jene Formen aber ſind zweifach. Der Staat kann nämlich geſetzlich diejenigen Punkte bezeichnen, welche er als abſolut nothwendige Bedingungen für das richtige Ver- hältniß der Vereine zur Verwaltung, und mithin als allgemeine Be- dingung für die Genehmigung der Vereine anerkennt. Er kann aber zweitens das nicht thun, ſondern ſich bei jedem einzelnen Verein vor-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/646>, abgerufen am 22.11.2024.